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Hot Topics in der Kardiologie – Arrhythmien

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Statement Prof. Dr. Thorsten Lewalter, München

In jüngerer Vergangenheit wurden einige interessante Studien und Artikel publiziert. Hier ein kurzer Überblick:

EAST-AF-Net
Im Bereich des Vorhofflimmerns hat die viel beachetete EAST-AF-Net Studie einen Paradigmenwechsel eingeleitet: bisher war lediglich die Symptomatik des Patienten die entscheidende Triebfeder zur Einleitung einer Rhythmuskontrolle, also den Bemühungen den Sinusrhythmus aktiv herzustellen und zu erhalten. Die EAST-AF-Net Studie konnte bei Patienten, bei denen Vorhofflimmern erst innerhalb der letzten 12 Monate diagnostiziert worden war, eine geringere Rate an Schlaganfällen, kardiovaskulärer Mortalität und Wiederaufnahmen ins Krankenhaus feststellen, wenn sehr früh mit einer intensivierten Rhythmuskontrolle mit Antiarrhythmika oder Katheterablation begonnen wurde. Ein zurückhaltendes Therapieverhalten zeigte sich dem gegenüber unvorteilhafter.

Für die klinische Praxis bedeutet dieses Studienergebnis, dass man Patienten unabhängig von der Symptomatik eher zur Durchführung einer Rhythmuskontrolle beraten wird, insbesondere wenn sie am Anfang Ihrer Vorhofflimmererkrankung stehen. (1)

EARLY-AF
Zum Vorhofflimmern liegen uns auch aus der EARLY-AF-Studie interessante Ergebnisse vor. Die Studie verglich zwei Rhythmus-kontrollierende Konzepte: die Katheterablation der Pulmonalvenen mittels Kryo-Ballon und eine antiarrhythmischen Medikation. Bei Patienten, die einer Ablationsbehandlung unterzogen wurden, war das Wiederauftreten von Vorhofflimmern deutlich seltener als bei denjenigen, die ausschließlich medikamentös behandelt wurden. Die Ergebnisse aus dieser Studie sind vor allem deswegen so aussagekräftig, da die Nachsorge mit einem subkutanen EKG-Rekorder erfolgte und daher eine lückenlose Information über das Rhythmusverhalten der Patienten vorlag. (2)

Ventrikuläre Tachykardien im Lockdown
Ein überraschendes Ergebnis zeigte sich in einer Untersuchung aus den USA, die Ende letzten Jahres im European Heart Journal veröffentlicht wurde: O’Shea und Kollegen verglichen die Last an ventrikulären Tachyarrhythmien bei fast 6.000 Patienten mit implantiertem Kardioverter-Defibrillator während der COVID-19-Pandemie mit der im Vorjahreszeitraum ohne Pandemie-Effekt. Während der Pandemie und v.a. im Rahmen der „Lock-down“ Strategie zeigte sich eine signifikante Abnahme der ventrikulären Arrhythmielast. Über die Mechanismen kann man nur spekulieren: geringere Infektionen durch Maskentragen und reduzierten Kontakten wären ein Erklärungsansatz, ein geringerer „Stresslevel“ durch lock-down als präventives Arrhythmiemanöver ein anderer. (3) 

Mitralklappenprolaps
Der sogenannte Mitralklappenprolaps ist relativ häufig (2-3% der Bevölkerung) und meist ein Zufallsbefund. Die Segel der Mitralklappe wölben sich dabei während der Systole, also während dem Zusammenziehen des Herzens, in den Vorhof hinein. Das Risiko, an einem plötzlichen Herztod zu versterben, ist bei Patienten mit Mitralklappenprolaps stark erhöht. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Symptome können Synkopen und Herzrhythmusstörungen, vor allem Palpitationen und ventrikuläre Tachykardien, sein. In einer Untersuchung von Essayagh und Kollegen wurde in einer Langzeitbeobachtung über 8 Jahre die Mortalität in Beziehung zu wenig, moderatem oder häufigem Auftreten von Kammerarrhythmien gesetzt: Es zeigte sich korrelierend zu mehr ventrikulärer Arrhythmielast eine erhöhte und zunehmende Mortalität, so dass die Schlussfolgerung der Studie darin gipfelt, dass das Ausmaß an ventrikulärer Arrhythmielast ein wichtiger Prädiktor für die Prognose von Patienten mit Mitralklappenprolaps ist. Ob man mit einer Behandlung der Arrhythmien (z.B. Katheterablation) die Prognose verbessern kann, bleibt offen; sollte aber untersucht werden. (4)

Künstliche Intelligenz zur EKG-Auswertung
Die künstliche Intelligenz ist in der EKG-Diagnostik angekommen! Mit einem KI-Algorithmus gelang es Attia und Mitarbeitern in einem Sinusrhythmus-EKG das zusätzliche Auftreten von Vorhofflimmern „herauszulesen“. Die Vorhersagequalität dieses Ansatzes war sehr hoch und besser als bei vielen andere Diagnosemethoden in der Medizin z.B. bei einem Abstrich und Analyse nach Papanicolaou für das Vorliegen eines Zervixkarzinoms in der Gynäkologie. (5)

Literatur

  1. Kirchhof et al., New England Journal of Medicine 2020, 383:1305-1316,
    DOI: 10.1056/NEJMoa2019422
  2. Andrade et al, New England Journal of Medicine 2021, 384(4):305-315
    DOI: 10.1056/NEJMoa2029980
  3. O’Shea et al., European Heart Journal 2020, 42(5), 520-528
    DOI: 10.1093/eurheartj/ehaa893
  4. Essayagh et al., J Am Coll Cardiol. 2020, 76 (6), 637-649
    DOI: 10.1016/j.jacc.2020.06.029
  5. Attia et al., The Lancet, 394:861-867
    DOI: 10.1016/S0140-6736(9)31721-0