Grafenberger Allee 100
40237 Düsseldorf
Tel.: + 49 211 600692-0
Fax: + 49 211 600692-10
info@dgk.org

Hot Topics in der Kardiologie – kathetergestützte Herzklappentherapie

Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial

Statement Prof. Dr. Stephan Baldus, Köln, zukünftiger Präsident der DGK

Für inzwischen drei Herzklappen stehen uns kathetergestützte Behandlungsoptionen zur Verfügung, zu denen ich Ihnen hier den aktuellen Forschungsstand zusammenfassen und die Hot Topics präsentieren möchte.

Aortenklappentherapie
Erstens das bekannteste Verfahren, die kathetergestützte Aortenklappentherapie, TAVI. Hier gibt es gegenwärtig keine neuen randomisierten Studien, eines muss man in der Rückschau der großen randomisierten Studien jedoch konstatieren: Eine Klassifizierung der Operationen nach Risikoscore ist nicht mehr zeitgemäß. Die Patienten mit einem niedrigen Operationsrisiko profitieren nicht weniger von einer TAVI als Patienten mit einem hohen Operationsrisiko. Das bedeutet, dass sich die Frage, ob jemand kathetergestützt oder operativ behandelt werden sollte, letztlich an Alter und Lebenserwartung des Patienten orientieren sollte, nicht so sehr an seinem Risikoscore. Das ist eine wichtige neue Sichtweise auf die Therapie.

Mitralklappentherapie
Im Bereich der Mitralklappentherapie stehen wir vor dem Problem, dass keine neuen randomisierten Studien abgeschlossen wurden. Die COAPT-Studie wurde bereits vor drei Jahren publiziert. Wir wissen aus der Studie, dass die kathetergestützte Mitralklappenrekonstruktion bei sehr präzise ausgewählten Patienten mit sekundärer Mitralklappeninsuffizienz zu einer Senkung der Mortalität und Morbidität führt und der Effekt auf die Prognose der Patienten gleich, wenn nicht sogar größer ist als bei den Optionen, die wir bisher zur Behandlung von Patienten mit Herzschwäche einsetzen. Wichtig ist: dies gilt nur für einen bestimmten Teil der Patienten mit funktioneller Mitralklappeninsuffizienz. Inzwischen sind uns gut definierte Parameter an die Hand gegeben, mit denen wir die Patienten, die von der Behandlung profitieren, effektiv und präzise identifizieren können.

Seit der im Jahr 2012 publizierten EVEREST-Studie aus den USA wurde der kathetergestützte Weg zur Mitralklappenrekonstruktion in keiner Studie mehr mit dem chirurgischen Vorgehen verglichen. Dass die EVEREST-Studie damals nur mäßig gute Ergebnisse für die mit MitraClip behandelten Patienten zeigte, ist Ausdruck der geringen Erfahrung zu diesem Zeitpunkt und auch Ausdruck der Patientenselektion. Es wurden Patienten eingeschlossen, die gut operabel waren, anders als bei der COAPT-Studie, die kränkere Patienten einschloss. Derzeit arbeiten wir an der MATTERHORN-Studie, die ähnliche Patienten wie in COAPT auf die Clip-Therapie und die operative Rekonstruktion der Mitralklappe randomisiert. Die Studie läuft derzeit und wir hoffen, den Patienteneinschluss in diesem Jahr abschließen zu können. Bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse wird es naturgemäß noch eine Weile dauern.

Bis dahin gilt: Wenn es uns gelingt, die Patienten entsprechend der Kriterien aus der COAPT-Studie zu identifizieren, profitieren diese Patienten von einer kathetergestützten Mitralklappenrekonstruktion nicht nur symptomatisch, sondern auch prognostisch im Sinne einer geringeren Mortalität.
Derzeit werden in Deutschland etwa 6.000 MitraClip-Prozeduren durchgeführt. Hinzu kommen noch andere Katheter-Verfahren mit dem Pascal-System, dem CardioBand oder dem Carillon System. Die zunehmend wahrgenommene Wertigkeit der kathetergestützten Rekonstruktion schlägt sich erstmals auch in internationalen Leitlinien wieder. Vor Kurzem ist die US-amerikanische Leitlinie erschienen, die die kathetergestützte Rekonstruktion der Mitralklappe als 2a-Empfehlung aufgenommen hat.

Inzwischen ist als weiteres CE-zertifziertes Verfahren die interventionelle Implantation einer Mitralklappenprothese hinzugekommen. Dies kommt vor allem für Patienten infrage, deren Klappen nicht mehr rekonstruierbar sind, sondern nur noch der Ersatz der Klappe infrage kommt. Hierbei handelt es sich um ein sehr erfolgsversprechendes Verfahren, dessen einziger Nachteil ist, dass es derzeit nur transapikal eingesetzt werden kann. Wir wissen aus unseren Erfahrungen in der Historie der Aortenklappenimplantation, dass der transapikale Zugangsweg mit einem erhöhten operativen und postprozeduralem Risiko für die Patienten assoziiert ist. Es ist allerdings sehr ermutigend zu sehen, dass das Verfahren trotz des ungünstigeren Zugangsweges jetzt schon gute Ergebnisse liefert. Wenn wir die Patienten richtig auswählen, ist das heute eine wichtige neue Option in der Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz. Das Verfahren funktioniert technisch ähnlich wie eine TAVI: Die Klappe wird an Ort und Stelle entfaltet. Wenn wir künftig Zugang über den schonenderen transseptalen Weg finden, ist dieses Verfahren bei der Mitralklappe möglicherweise noch attraktiver als bei der Aortenklappe, da der Zugang hier nicht arteriell, sondern venös ist und damit die Verkalkungen der Leistenarterie als Limitation wegfallen.

Zur kathetergestützten Mitralklappentherapie generell lässt sich sagen: Das Armamentarium, das der Chirurgie zur Rekonstruktion der Mitralklappe bei gut operablen Patienten mit einer primär strukturell erkrankten Mitralklappe zur Verfügung steht, ist beeindruckend und diese Patienten bleiben auf absehbare Zeit in der Domäne der Chirurgie. Sobald das operative Risiko des Patienten aber durch Alter oder Komorbiditäten steigt oder eine sekundäre Mitralklappenuinsuffizienz vorliegt, kommt der interventionellen Therapie der Mitralklappeninsuffizienz eine zentrale Rolle zu, sei es durch Rekonstruktion oder durch Ersatz.

Trikuspialklappentherapie
Zu guter Letzt möchte ich noch auf die kathetergestützte Behandlung der Trikuspidalklappeninsuffizienz eingehen. Lange haben wir geglaubt, dass die Insuffizienz der Trikuspidalklappe von keiner herausragenden Bedeutung ist, weder für die Prognose noch für die Symptomatik der Patienten. Lange dachte man auch, dass diese Klappe nicht interventionell behandelt werden kann. Inzwischen jedoch stehen uns zwei Verfahrung zur Verfügung. Das ist zum einen die Segeltherapie, also in Analogie zur Mitralklappe die Clip-Therapie oder Therapie mit dem Pascal-System. Wir können hier die Raffung der Klappe und der Klappenringe erreichen, obwohl es sich um eine drei-segelige, manchmal auch vier-segelige Klappe handelt. Zwar können wir meist noch keine komplette Reduktion der Trikuspidalklappeninsuffizienz erreichen, aber eine Teilreduktion provoziert offensichtlich bereits symptomatische Effekte. Das kann für uns natürlich nicht abschließend befriedigend sein und das Feld arbeitet an noch besseren Systemen.

Wichtig wird, ob es sich zeigen lässt, dass ein solcher Eingriff auch einen prognostischen Nutzen hat. Es gibt hierzu zwar keine prospektiven und randomisierten Studien, aber es gibt Register, die Patienten nach erfolgreicher und nicht erfolgreicher interventioneller Rekonstruktion verglichen haben. Dabei zeigte sich ein ausgeprägter Nutzen der Therapie bei den erfolgreich behandelten Patienten, auch im Sinne eines verbesserten Überlebens. Die Erfolgsquote des Eingriffs, der derzeit etwa 1.000 Mal pro Jahr in Deutschland durchgeführt wird, liegt bei 90 %.

Der kathetergestützten Behandlung der Trikuspidalklappeninsuffizienz kommt auch deswegen eine besondere Bedeutung zu, weil der Eingriff chirurgisch wegen einer Sterblichkeit von 8 bis 10 % nur sehr selten isoliert durchgeführt wird. In naher Zukunft werden uns zur kathetergestützten Behandlung randomisierte Studien zur Verfügung stehen, die die medikamentöse Therapie mit der Rekonstruktion vergleichen.