Grafenberger Allee 100
40237 Düsseldorf
Tel.: + 49 211 600692-0
Fax: + 49 211 600692-10
info@dgk.org

Künstliche Intelligenz erkennt Myokardinfarkte im EKG zuverlässiger als Kardiologen

Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial

Prof. Dr. Hisaki Makimoto, Universitätsklinikum Düsseldorf

Für diese Studie haben wir eine künstliche Intelligenz (KI) erschaffen und sie EKGs lernen lassen. Diese KI konnte in der EKG-Interpretation einen innerhalb der vergangenen 3 Monate abgelaufenen Myokardinfarkt zuverlässiger erkennen als ein Facharzt für Kardiologie.

Künstliche Intelligenz kann Informationen ähnlich verarbeiten wie das menschliche Hirn

Die von uns erstellte KI ist ein Computerprogramm, das Informationen, ähnlich wie „Lernen“ oder „Denken“ im menschlichen Gehirn, verarbeiten kann (Abb.1). Obwohl die KI noch nicht so komplex wie das menschliche Gehirn funktioniert, kann sie – ähnlich wie Menschen – Erkenntnisse sammeln und aus einer künstlichen Form der Erfahrung Schlüsse ziehen, wenn Objekte und Lehrsätze eng definiert werden. In dieser Studie betraf dies die Erkennung EKG-morphologischer Kriterien für einen alten Myokardinfarkt (MI), der innerhalb der letzten 3 Monate stattgefunden hatte.

Medizinstudenten oder junge Ärzte erwerben Fertigkeiten in der EKG-Interpretation zunächst in Vorlesungen und durch Lehrbücher. Später erlernen sie die Interpretation realer EKGs ihrer Patienten während des klinischen Alltags und sammeln eigene Erfahrungen. Nach diesem „Training“ können sie EKGs selbstständig beurteilen. Bei der Diagnose können sie ihre Erfahrungen, basierend auf verschiedene Faktoren, einbringen. Was während dieser Prozesse in den Gehirnen der Studenten bzw. Ärzte geschieht, kann nicht eindeutig definiert werden. Allerdings kann die Arbeit durch eine KI ähnlich und vereinfacht durchgeführt werden. Die Beurteilungen der EKGs sind sowohl bei Ärzten als auch bei der KI noch nicht zu 100 % korrekt. In beiden Fällen entwickelt sich die Beurteilungsfähigkeit aufgrund wachsender Erfahrungen.

KI war Kardiologen in der EKG-Beurteilung überlegen

In unserer Studie wurde als Objekt und Lehrsatz die KI wie folgt fokussiert: „Ist das ein EKG eines Patienten, der in den letzten 3 Monaten einen MI erlitten hat?“. Die Grundlage für dieses Programm war ein sogenanntes „Deep Learning“, das Informationen nach Mustern des Nervennetzwerks im menschlichen Gehirn bearbeiten kann. Durch „Deep Learning“ wurde die KI mittels EKGs mit der jeweiligen Anmerkung „Ja“ oder „Nein“ trainiert. Anschließend wurde sie mit unabhängigen EKG-Datensätzen getestet. Zeitgleich haben auch unsere neun Kardiologen auf dieselbe Frage, „Ist das ein EKG eines Patienten, der in den letzten 3 Monaten einen MI erlitten hat?“, geantwortet. Zu unserer Überraschung war das Resultat bei der KI besser als bei den Kardiologen.

Folgend haben wir geprüft, ob dieses eindeutige Resultat der KI auch mit weniger Ableitungen (<12) aufgenommenen EKGs gelingt oder nicht. Normalerweise werden EKGs mit 12 Ableitungen aufgenommen, können aber auch mit weniger Ableitungen aufgenommen werden, wenn eine schwierige Situation es erfordert (z.B. im Rettungswagen). Eine EKG-lesende KI wäre in solchen Situationen hilfreich.

Die KI in unserer Studie zeigte auch mit bei reduzierter Anzahl von EKG-Ableitungen bessere Resultate als die geprüften Kardiologen, obwohl ihre Genauigkeit nach der Reduzierung der Ableitungen sank. Wir untersuchten auch, worauf die KI in den EKGs bei ihrer Beurteilung den Fokus gelegt hatte (Abb.2), und fanden heraus, dass diese von der KI selbständig gewählten Schwerpunkte bei der EKG-Interpretation zu unserer Verwunderung im medizinischen Sinne richtig waren.

In Zukunft könnte das Programm zur Ausrüstung von Rettungswagen gehören

KI-Projekte in medizinischen Bereichen, wie in unserer Studie, haben bereits weltweit begonnen. In publizierten Arbeiten sind der Gegenstand der KI zumeist EKGs in immenser Quantität (mindestens 10,000) als elektronische Roh-Daten (1,2). Je mehr und reiner die EKG-Daten während des „Lernens“ sind, desto höher kann die Genauigkeit der KI bei „Beurteilung“ werden. In unserer Studie benutzten wir allerdings „nur“ 289 EKG in PNG-Format, ähnlich wie in der normalen Fotografie.

Umso überraschender war unser Ergebnis, da die mit nur geringer EKG Anzahl trainierte KI dennoch genauer als Kardiologen EKGs mit abgelaufenem MI erkennen konnte. Darüber hinaus erweist sich das EKG im PNG-Format als Lerngegenstand der KI zurzeit als praktischer im Vergleich zu den elektronischen EKG-Rohdaten, da das EKG im klinischen Alltag meist noch als zweidimensionales Bild aufgenommen wird. Obwohl das PNG-Format in der Reinheit als EKG-Datensatz den elektronischen Rohdaten nachsteht, beeinflusst das die Fähigkeit der KI zum Erkennen des EKG nicht. Das EKG in PNG-Format zu lesen ist deshalb eine Bild-Analyse, die bei der medizinischen Forschung mit KI an erster Stelle steht (Radiologie, Pathologie). In unserer Studie war der Lehrsatz der KI ein Folgern der MI-Vorgeschichte aus einem EKG der letzten 3 Monate. Mit unterschiedlichen und komplexen Lehrsätzen entwickelt sich das Programm der KI weiter. In Zukunft könnten beispielsweise Rettungswagen oder Armbanduhren mit dem kompletten System der KI zur EKG Analyse ausgerüstet werden. Nach meiner persönlichen Ansicht könnte dies bereits in naheliegender Zukunft zur Realität werden.

Literatur

  1. Hannun AY, Rajpurkar P, Haghpanahi M, Tison GH, Bourn C, Turakhia MP, Ng AY. Cardiologist-level arrhythmia detection and classification in ambulatory electrocardiograms using a deep neural network. Nat Med. 2019;25:65-69.
  2. Attia ZI, Kapa S, Lopez-Jimenez F, McKie PM, Ladewig DJ, Satam G, Pellikka PA, Enriquez-Sarano M, Noseworthy PA, Munger TM, Asirvatham SJ, Scott CG, Carter RE, Friedman PA. Screening for cardiac contractile dysfunction using an artificial intelligence-enabled electrocardiogram. Nat Med. 2019;25:70-74.