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Studie des Berlin Brandenburger Herzinfarktregisters (B2HIR): Stickoxide und Feinstaub sind in Berlin mit Herzinfarkten assoziiert

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Insa de Buhr-Stockburger und Prof. Dr. Heinz Theres, Berlin 

Dass Stickoxide und Feinstaubbelastung Atemwegserkrankungen verschlechtern können, wird kaum jemand heute in Frage stellen können. Dass aber das Auftreten von Myokardinfarkten neben den klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren auch mit hohen Luftschadstoffkonzentrationen in Zusammenhang zu bringen sein kann, ist wissenschaftlich weniger gut dokumentiert. Das Berlin Brandenburger Herzinfarktregister (B2HIR) dokumentiert seit mehr als zwei Jahrzehnten die Herzinfarktversorgung in Berlin und seit einigen Jahren auch in Teilen des Landes Brandenburg. Herzinfarkte mit einer prästationären Symptomdauer von höchstens 24h werden eingeschlossen.

Obwohl das B2HIR in erster Linie als Qualitätsregister angelegt ist, kann so auch die Inzidenz über längere Zeiträume mit konstanter Beteiligung der kardiologischen Kliniken epidemiologisch betrachtet werden. Luftschadstoffkonzentrationen sind in Berlin detailliert über das „Berliner Luftgütemessnetz“ (BLUME) verfügbar. Für den Zeitraum von 2008 bis 2014 wurden in einer aktuell durchgeführten umfangreichen Studie des B2HIR tagesgenaue lokale und berlinweite Luftschadstoffkonzentrationen in ihrer Assoziation zur dokumentierten Herzinfarktinzidenz bei allen Patienten und bei speziellen Subgruppen untersucht. In dem Zeitraum bestand bereits die Umweltzone. Brandenburger Kliniken waren während des Studienzeitraums noch nicht an der Erhebung beteiligt. Da eine Modifikation der Schadstoffassoziation durch Wetterparameter (Tagesmaximaltemperatur, Niederschläge, Sonnenscheindauer) zu erwarten war, wurden für den Studienzeitraum auch tagesgenaue Wetterdaten der Station Berlin-Tempelhof erfasst.

Die Ergebnisse sind bemerkenswert. Sowohl mit der über die gesamte Hauptstadt gemittelten tagesgleichen NOx-Konzentration, als auch mit der über drei Vortage und berlinweit gemittelten PM10-Konzentration fanden sich hoch signifikante Assoziationen zur Herzinfarktinzidenz. Die mit den Schadstoffen assoziierte Änderung lag im einstelligen Prozentbereich (für NOx 3,2%, für PM10 4,8%) bezogen auf den Quartilsabstand der gemittelten Schadstoffkonzentrationen. Das heißt, ein möglicher Einfluss von NOx und PM10 auf das Auftreten erklärt nur einen kleineren Anteil der Herzinfarktinzidenz. Da aber so viele Ereignisse über 7 Jahre untersucht wurden, ist die statistische Verknüpfung doch signifikant nachweisbar. Es scheint also wahrscheinlich, dass die proinflammatorischen und schnell flüchtigen Stickoxide einen rasch wirksamen unmittelbaren fördernden Einfluss auf Herzinfarkte haben, während bei Feinstaub (PM10) eine vorangehende mehrtätige hohe Belastung, z. B. im Sinn einer mehrtätigen „Smogperiode“ nötig ist, damit mehr Infarkte nachweisbar werden.

Die Wissenschaftler des B2HIR berichten als Nebenbefunde zusätzlich, dass insbesondere für STEMIs und für Herzinfarkte bei Männern die Schadstoffassoziation zu zeigen war, während für NSTEMIs und für Herzinfarkte bei Frauen die Assoziation weniger deutlich war. Eine besonders ausgeprägte lokale Assoziation zum Wohnort war nicht nachweisbar. Dies mag dadurch erklärbar sein, dass wir alle uns ja häufig und über lange Zeiträume im Alltag nicht am Wohnort aufhalten. Bei Diabetikern erschien die insbesondere die Feinstaubbelastung als gravierender Faktor, während der NOx-Belastung eine eher nachgeordnete Bedeutung zuzukommen schien.

Interventionell tätige Kardiolog*innen werden kaum überrascht sein, dass für die Tagestemperatur eine reziproke Verknüpfung mit der Herzinfarktinzidenz zu finden war. Das heißt, bei hohen Tagestemperaturen ereignen sich weniger Infarkte, während in der kalten Jahreszeit die Infarktinzidenz in Berlin steigt. Die schadstoffbezogene Zunahme von Herzinfarkten erwies sich aber als unabhängig von Wettereinflüssen.

Dass die Ergebnisse dieser Studie des B2HIR tatsächlich einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Luftschadstoffen und Herzinfarkten abbilden, legt ein Nebenbefund nahe. Für Raucher*innen, die sich ja kontinuierlich und hoch gegenüber Feinstaub und Stickoxiden exponieren, spielte die Luftschadstoffbelastung in der Umwelt offenbar keine Rolle. Im Licht der Ergebnisse dieser B2HIR-Studie erscheinen die intensiven Bemühungen zur Luftreinhaltung auch aus kardiologisch präventiver Sicht sinnvoll und unterstützenswert. 

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit fast 11.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org