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Sekundärprävention nach Herzinfarkt: Leitlinien vs. Realität

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Zusammenfassung des Vortrages von
Prof. Dr. Uwe Zeymer, Leitender Oberarzt an der Medizinische Klinik B des Klinikums Ludwigshafen

Die koronare Herzerkrankung ist eine fortschreitende Krankheit. Vor allem bei Menschen, die bereits einen ersten Herzinfarkt erlitten haben, ist die Prognose ungünstig. Häufig kommt es zu weiteren schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen. Durch eine leitliniengerecht Sekundärprävention kann diese Prognose deutlich verbessert werden. Unglücklicherweise nehmen viele Patient*innen – und zum Teil auch Ärzt*innen – die Krankheit als geheilt war, sobald ein Stent eingesetzt wurde. Dies führt auch dazu, dass die Therapietreue mit wachsendem zeitlichen Abstand zu dem erlebten Herzinfarkt abnimmt. Bislang fehlten allerdings genaue Daten dazu, wie sich die Situation mehr als 12 Monate nach dem Infarkt darstellt. Um genau zu beurteilen, wie leitliniengerecht Patient*innen auch nach einem Jahr noch versorgt sind, und gegebenenfalls mit geeigneten Projekten und Kampagnen gegensteuern zu können, wurde GULLIVE-R ins Leben gerufen. Es handelt sich um das erste große Projekt des DGK-Zentrums für kardiologische Versorgungsforschung. Unterstützt wird das Register durch einen großzügigen unrestricted Grant der Firma Astra Zeneca, ohne dass die Firma Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung des Registers nehmen kann.

Gemeinsam mit dem Bundesverband Niedergelassener Kardiologen und dem Institut für Herzinfarktforschung wurden in dieses Register 2503 Patient*innen aus 150 Zentren und ihre behandelnden Ärzt*innen eingeschlossen. Im Mittel zehn Monate nach dem Infarkt konnten wir die Proband*innen anhand standardisierter Fragebögen hinsichtlich ihrer Therapie, der Lebensstilveränderungen, ihrer eigenen Risikoeinschätzungen und ihrer Kenntnisse über die koronare Herzkrankheit befragen. Bei über 90 Prozent der Personen konnte sechs Monate später ein Follow-Up-Gespräch geführt werden.

Die ersten Ergebnisse der Auswertung liegen nun vor und vermitteln ein besseres Bild. Das Positive sei gleich zu Beginn gesagt: Man sah eine sehr hohe Rate von Revaskularisationen, also der Wiederherstellung der Durchblutung des Herzmuskels, und auch eine gute Rate von leitliniengerechten sekundärpräventiven Maßnahmen bei Einschluss der Patient*innen. Nahezu 80 Prozent der Erkrankten erhielten vier bis fünf der fünf Zielbausteine der medikamentösen Sekundärprävention (ASS, P2Y12-I, Statin, Beta-Blocker und ACE-I/ARB/ARNI), bei 15 Prozent waren es immerhin noch drei Wirkstoffe. Sechs Monate später nahmen nur noch 50 % der Patient*innen vier oder fünf Medikamente ein und bei 31 Prozent waren es nur noch drei Wirkstoffe.

Den LDL-Zielwert von unter 70 mg/dl erreichten 36 Prozent der Patient*innen bei Studieneinschluss und nur 16 % den neuen Zielwert unter 55 mg/dl. Der systolische Blutdruck lag bei 36,8 Prozent der Personen unter dem Zielwert von 130 mmHg und bei 22,8 % in der Range von 130-139 mmHg. Die Mehrheit der Patient*innen maß regelmäßig selbst den Blutdruck und ein Drittel betätigte sich mindestens drei Mal 30 Minuten pro Woche sportlich. Etwa die Hälfte stellte die Ernährung um.

Bedenklichere Ergebnisse zeigte die Risikoeinschätzung der Patient*innen im Vergleich zu dem tatsächlichen Risiko – bewertet anhand des TRS2P-Scores, der neun einfach zu messende klinische Parameter einbezieht – und dem von den Ärzt*innen und Patient*innen geschätzten Risiko. 36,9 Prozent der befragten Pateint*innen meinten, ein geringes Risiko für einen erneuten Herzinfarkt zu haben und 32,1 Prozent der behandelnden Ärzt*innen sahen dies genauso. Laut Score waren es aber nur 7,1 Prozent, die wirklich ein niedriges Risiko hatten. Als hoch schätzten das Risiko nur 7,1 Prozent der Patient*innen und 11,4 Prozent ihrer Ärzt*innen ein. Der Score sagte etwas anderes: 34 Prozent hatten tatsächlich ein hohes Risiko.

Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den Kenntnissen der Patient*innen über ihre Krankheit. 87,7 Prozent fühlten sich ausreichend über die Koronare Herzkrankheit informiert, doch nur 15,7 Prozent kannten den richtigen LDL-Zielwert und 38,5 Prozent den richtigen Zielblutdruck. Und während nur 21 Przent der Patient*innen ihren eigenen LDL-C-Wert kannten, nahmen 72,4 Prozent an, diese liege im gewünschten Bereich.

Es zeigt sich,  dass unbedingt zielgerichtete und breit angelegte Kampagnen zur Aufklärung der von koronarer Herzkrankheit betroffenen Menschen dringend notwendig sind. Gleichzeitig müssen wir die Informationen und Ausbildungsangebote für Ärztinnen und Ärzte verbessern, die diese Menschen versorgen.

Die Folien zum Vortrag von Prof. Zeymer finden Sie hier.