Grafenberger Allee 100
40237 Düsseldorf
Tel.: + 49 211 600692-0
Fax: + 49 211 600692-10
info@dgk.org

Ein Paradigmenwechsel in der Herzinsuffizienztherapie ist vorstellbar

Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial

Statement Prof. Dr. Michael Böhm, Homburg/Saar, Pressesprecher der DGK

Hinter uns liegt das ereignisreichste Jahr der Herzinsuffizienzforschung der letzten 25 Jahre. Wir haben in wichtigen Studien zu unterschiedlichsten Substanzgruppen sowohl positive als auch neutrale Ergebnisse gesehen.

Das Highlight bildeten unbestritten die beiden neuen Studien zu den SGLT-2-Inhibitoren: DAPA-HF und EMPEROR-Reduced. Wie schon berichtet haben beide Studien den Vorteil dieser Therapien hinsichtlich der Rate kardiovaskulärer Todesfälle und Hospitalisierungen aufgrund von Verschlechterungen der Herzinsuffizienz gezeigt. Obwohl die Medikamente eigentlich als Antidiabetika entwickelt wurden, war dieser Vorteil bei an Diabetes erkrankten Herzinsuffizienten und den nicht diabeteskranken Herzinsuffizienzpatienten gleichermaßen zu beobachten. Diese Medikamente haben sich von Antidiabetika zu wirksamen Herzinsuffizienztherapeutika entwickelt.

Weitere positive Ergebnisse lieferte die AFFIRM-HF-Studie mit 1.132 Studienteilnehmern. Wir wissen schon lange, dass sich Eisenmangel negativ auf die Prognose von Herzinsuffizienzpatienten auswirkt und dass viele Menschen mit Herzinsuffizienz davon betroffen sind. Bisher war jedoch nicht belegt, dass sich eine Eisensubstitution positiv auf die Hospitalisierungsrate bei Herzinsuffizienz auswirkt. AFFIMR-HF hat nun gezeigt, dass eine Therapie mit Eisencarboxymaltose die Hospitalisierungsrate reduziert. Zwar konnten wegen der COVID-19-Krise nicht alle Patienten vollständig nachverfolgt werden konnten, sie profitierten aber trotzdem aussagekräftig von der Therapie. Die Eisentherapie bei Herzinsuffizienz tritt damit in ein neues Stadium ein und kann gegeben werden, um Hospitalisierungen zu reduzieren.

Eine eher geringe, aber signifikante relative Risikoreduktion zeigte die VICTORIA-Studie mit Vericiguat. Hier waren vor allem Patienten eingeschlossen, die eine schwere Herzinsuffizienz hatten, zum Teil erst kürzlich dekompensiert waren und noch im Krankenhaus in die Studie aufgenommen wurden. Eine Abnahme von kardiovaskulären Todesfällen und Herzinsuffizienzhospitalisierungen, aber nicht von den Komponenten des primären Endpunktes wurde statistisch gezeigt. Vericiguat wird vielleicht seinen Platz in der Therapie der schweren Herzinsuffizienz nach kürzlicher Hospitalisierung finden.

Die GALACTIC-HF-Studie, in der die Wirkung des Myosin-Aktivators Omecamtiv-Mercabil an 8.256 Patienten beobachtet wurde, zeigte ebenfalls signifikante Effekte auf den primären Endpunkt, hauptsächlich allerdings bei Patienten mit besonders schwerer Herzinsuffizienz (linksventrikuläre Auswurffraktion unter 28 %). Sie senkte zwar moderat das Risiko, wegen Herzinsuffizienz erstmals im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, konnte aber die kardiovaskuläre Sterblichkeit nicht reduzieren. Die Hauptsponsoren haben sich inzwischen aus der Weiterentwicklung zurückgezogen, so dass die Zukunft dieses Therapieprinzips für die Zukunft offen ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die für Juli 2021 erwartete europäische Leitlinie sich voraussichtlich ändern wird.

Es könnte eine konzeptionell neue Therapieempfehlung für die Behandlung von Patienten mit reduzierter Auswurfleistung des Herzens von weniger als 40 % ausgesprochen werden. Bisher haben wir die Therapie mit ACE-Hemmern oder Betablockern begonnen, später zusätzlich ARNI gegeben und später weitere Präparate, beispielsweise zur Herzfrequenzreduktion. Im Verlauf dieses Behandlungsschemas geht allerdings viel Zeit verloren. Zeit, in der sich der Zustand der Patienten häufig verschlechtert. Es ist ein Paradigmenwechsel weg von einem streng zeitlich-hierarchischen Therapieschema hin zu einer an Patientenprofilen orientierten gleichzeitigen Gabe aller vier Substanzklassen (ARNI, Betablocker, Mineralkortikoid-Antagonisten und SGLT2-Hemmer) zu erwarten.

Dieser Paradigmenwechsel könnte nach dem erfreulichen Ausgang der Studien des letzten Jahres eine wirklich substanzielle Neuerung für die Empfehlungen in der neuen Leitlinie bedeuten.