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Klinische Erfahrungen mit der Defibrillatorweste: Effektivität und Adhärenz bei Patient*innen mit hohem Risiko für einen Plötzlichen Herztod

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Dr. Christian Weth, PD Dr. Florian Custodis, Saarbrücken

Hintergrund und Ziel der Studie

Patient*innen mit kurz zurückliegendem Myokardinfarkt oder neuerlich diagnostizierter Herzinsuffizienz und hochgradig eingeschränkter systolischer linksventrikulärer Funktion haben ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod. Daten aus Zulassungs- und Registerstudien zeigen, dass tragbare Kardioverter-/Defibrillatoren (WCD) die Zeit bis zur möglichen Restitution oder definitiven ICD-Implantation überbrücken und im Intervall auftretende Rhythmusereignisse wirkungsvoll therapieren können. Der prognostische Stellenwert einer solchen Therapie ist jedoch weiterhin umstritten, da die bislang einzige prospektive Studie zwar ein besseres Gesamtüberleben, nicht aber die Reduktion des plötzlichen Herztodes zeigen konnte.

Wir untersuchten Adhärenz, Sicherheit und Effektivität einer Defibrillatorweste (LifeVest®, ZOLL Medical Corporation, Chelmsford, Massachusetts, USA) im kardiologischen Versorgungsalltag einer Kohorte von Patient*innen mit einem hohen Risiko für einen plötzlichen Herztod.

Methode

Alle 83 zwischen April 2012 und Dezember 2019 im Klinikum Saarbrücken mit einem WCD versorgten Patient*innen wurden in diese Untersucher-initiierte retrospektive Analyse eingeschlossen. Die WCD-Versorgung erfolgte bei Patient*innen mit vorangehendem Myokardinfarkt, schwerer Herzinsuffizienz (d.h. LVEF ≤ 35 %), höhergradigen ventrikulären Herzrhythmusstörungen, Myokarditis oder nach AICD-Explantation (auf Grund von Infektion oder Defekt) nach Abschätzung des individuellen Risikos für ventrikuläre Rhythmusstörungen (d.h. Kammerflimmern (VF) oder anhaltende ventrikuläre Tachykardie (VT)) durch die behandelnden Ärzt*innen. Ein Follow-up mit Reevaluation der LVEF erfolgte standardisiert drei Monate nach der initialen Hospitalisierung. Die Implantation eines AICD erfolgt entsprechend aktueller Leitlinienempfehlungen. 

Ergebnisse

Zwischen 2012 und 2019 wurden 83 Patient*innen mit einem WCD versorgt (78 % männlich). Basischarakteristika und Komorbiditäten sind in Tabelle 1 dargestellt.

25 Patient*innen (31 %) hatten vorangehende ventrikuläre Herzrhythmusstörungen (VF, anhaltende oder nicht-anhaltende VT). Die tägliche Tragedauer des WCD differierte nicht zwischen Geschlechtern, Patientenalter, Indikation oder Gesamtverordnungsdauer (Tabelle 2). Während 3680 Tragetagen (mittlere WCD-Tragedauer: 44 Tage) mit einer medianen täglichen Tragedauer von 23.1 Stunden, traten drei relevante Arrhythmien (ventrikuläre Tachykardie (VT) > 30 sec. Dauer) auf. Davon konnte eine erfolgreich durch einen WCD-Schock terminiert werden. Eine Person erlag einem plötzlichen Herztod, da sie die Weste nicht konstant trug. Detaillierte Informationen finden sich in Tabelle 3. Es erfolgte keine inadäquate Therapie, aber insgesamt 989 unangebrachte Alarme auf Grund von Artefakten (s. Tabelle 4).

Ein Rechtsschenkelblock korrelierte in unserem Kollektiv signifikant mit dem Auftreten einer VT (r = 0.3315; 95 % CI -0.1265 bis 0.3014; p = 0.0022; Tabelle 5). Bei 30 Patient*innen (36.1 %) wurde in der Folge ein AICD implantiert.

Schlussfolgerung

Die Anwendung des WCD war in unserem Hochrisiko-Kollektiv sicher und effektiv, die Adhärenz der Patient*innen war hoch. Die Rate an Rhythmusereignissen war geringer als in vergleichbaren Patientenkollektiven. Dass dennoch eine Person bei fehlender individueller Compliance einem plötzlichen Herztod erlag, unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Patientenzuweisung und Schulung, insbesondere im Hinblick darauf, die Adhärenz dauerhaft hochzuhalten. Schwierig ist dabei aus unserer Sicht insbesondere die Abschätzung des individuellen Risikos für das Auftreten lebensbedrohlicher ventrikulärer Rhythmusereignisse, weil dafür bislang geeignete Marker oder Scores fehlen. Das signifikant häufigere Auftreten von Rhythmusstörungen bei Patient*innen mit Rechtsschenkelblock in unserer Kohorte ist auf Grund der Stichprobengröße fehleranfällig und deshalb mit Vorsicht zu interpretieren.

Unsere Ergebnisse stützen die WCD-Versorgung von Patient*innen mit fortbestehender AICD-Indikation, die beispielsweise auf Grund einer Systemexplantation bei Infektion temporär ungeschützt sind. Im Hinblick auf die beobachtet geringe Ereignisrate erscheinen für alle anderen Patient*innen mit potenziell erhöhtem Risiko für einen plötzlichen Herztod aber eine leitliniengerechte Herzinsuffizienztherapie, die insbesondere ß-Blocker enthält, sowie wiederholte LVEF-Bestimmungen im Rahmen der Indexhospitalisierung sinnvoll. Erst dann sollte eine WCD-Versorgung überhaupt erwogen werden.

n %/ SD
Number of patients 83
Male 65 78.3
Age at diagnosis (years) 60 13.2
WCD indication
Ischemic cardiomyopathy 27 32.5
Dilative cardiomyopathy 43 51.8
Myocarditis 6 7.2
Device complication 6 7.2
Others 1 1.2
LVEF at diagnosis (%)* 30 11.5
Primary arrhythmic event
VF 4 4.8
Sustained/unstable VT 12 14.5
Non sustained VT 9 10.8
Comorbidities
Diabetes 23 27.7
Hypertension 59 71.1
Dyslipidemia 33 39.8
Smoker 49 59.0
Obesity 24 28.9
BMI* 27,1 5.1
CAD 44 53.0
Previous CABG 8 9.6
Mild to severe chronic renal failure 20 24.1
RBBB 4 4.8
LBBB 17 20.5
Atrial fibrillation 25 30.1
Baseline medication
Beta blocker 83 100.0
AT1-antagonist/ ACE-inhibitor 79 95.2
MRA 72 86.7
ARNI 3 3.6
Amiodarone 10 12.0

*For continuous variables values are shown as mean with standard deviation; WCD = wearable cardioverter defibrillator, LVEF = left ventricular ejection fraction, VF = ventricular fibrillation, VT = ventricular tachycardia, BMI = body mass index, CAD = coronary artery disease, CABG = coronary artery bypass graft, RBBB = right bundle branch block, LBBB = left bundle branch block, MRA = mineralocorticoid receptor antagonist, ARNI = angiotensin receptor-neprilysin inhibitor.

Tabelle 1: Baseline characteristics

n daily use (h)
WCD use  by sex
male 65 23.12 (20.53 – 23.74)
female 18 22.97 (18.2 – 23.68)
WCD use by age
< 50 y 18 23.02 (21,46 – 23,12)
< 60 y 18 20.71 (13.21 – 23.33)
< 70 y 24 22.97 (19.63 – 23.65)
≥ 70 y 23 23.81 (21.16 – 23.88)
WCD use by indication
ICM 43 23.02 (21.44 – 23.77)
DCM 27 23.48 (19.73 – 23.54)
Myocarditis 6 19.43 (16.9 – 23.07)
Device complication 6 22.4 (17.74 – 23.37)
others 1 23.94
WCD use by total days of wear
< 30 d 30 22.67 (16.12 – 23.81)
30-90 d 44 23.14 (20.65 – 23.72)
> 90 d 9 23.23 (22.67 – 23.7)

Values are means with interquartile range. ICM = ischemic cardiomyopathy, DCM = dilated cardiomyopathy, WCD = wearable cardioverter defibrillator

Tabelle 2: WCD use

Patient, age Indication for WCD Baseline LVEF Arrhythmic event prior to WCD Type of arrhythmia
male, 72 Device explantation due to infection, ICM 39 % None VT with WCD shock
male, 61 ICM, prior CABG 31 % Sustained VT VT, patient inhibited therapy
male, 61 ICM 53 % Sustained VT VT, patient inhibited therapy

LVEF = left ventricular ejection fraction, ICM = ischemic cardiomyopathy, CABG = coronary artery bypass graft, VF = ventricular fibrillation, VT = ventricular tachycardia; WCD = wearable cardioverter defibrillator

Tabelle 3: Characteristics of patients with sustained VT or appropriate WCD shock during WCD wear time

  n
VF 0
VT ≥ 30 sec. with WCD shock 1
VT ≥ 30 sec. without WCD shock (patient inhibited) 2
VT < 30 sec. 9
supraventricular arrhythmias 31
bradycardia ≤ 30 / min (patient initiated) 0
Asystole 0
inappropriate alarms/ artefacts 989
inadequate therapies 0
adequate therapies 1

VF = ventricular fibrillation, VT = ventricular tachycardia, WCD = wearable cardioverter defibrillator

Tabelle 4: Arrhythmic events during WCD wear time 

  r (95% CI) P value
diabetes 0.07825 (-0.02252 to 0.3933) 0.4819
hypertension 0.1002 (-0.2445 to 0.1865) 0.3673
smoker -0.02887 (-0.169 to 0.2614) 0.7955
obesity -0.1002 (-0.2592 to 0.1713) 0.3673
BMI 0.01217 (-0.3052 to 0.1223) 0.9130
CAD 0.1479 (-0.06296 to 0.3585) 0.1820
previous CABG 0.2149 (-0.08509 to 0.339) 0.0511
chronic renal failure -0.08854 (-0.3772 to 0.04146) 0.4261
RBBB 0.3315 (-0.1265 to 0.3014) 0.0022
LBBB -0.07975 (-0.2028 to 0.2285) 0.4736
atrial fibrillation -0.1032 (-0.1948 to 0.2364) 0.3534
LVEF at baseline 0.164 (-0.05361 to 0.3667) 0.1385
beta-blocker 0.0
AT1-antagonist -0.05645 (-0.2689 to 0.1612) 0.2401
ACE-inhibitor 0.08749 (-0.1307 to 0.2976) 0.3617
MRA 0.122 (-0.09626 to 0.329) 0.5812
ARNI -0.06042 (-0.2726 to 0.1573) 0.7848
Amiodarone -0.1155 (-0.3231 to 0.1028) 0.0974

BMI = body mass index, CAD = coronary artery disease, CABG = coronary artery bypass graft, RBBB = right bundle branch block, LBBB = left bundle branch block, LVEF = left ventricular ejection fraction, MRA = mineralocorticoid receptor antagonist, ARNI = angiotensin receptor-neprilysin inhibitor

Tabelle 5 Pearson´s correlation for occurrence of sustained VT/VF 

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie –Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit fast 11.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter-und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org

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