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DGK engagiert sich mit neuem Zentrum in der kardiologischen Versorgungsforschung

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Statement Prof. Dr. Karl Werdan, Sekretär der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, 25. April 2019 

Wissenschaftlichen Daten, die uns zu kardiologischen Problemstellungen zur Verfügung stehen, stammen meist aus großen, randomisierten internationalen Studien mit einem Patientenkollektiv, das exakt hinsichtlich des jeweiligen Anwendungsgebietes des untersuchten Medikamentes oder Devices selektiert wurde. Wie sich Medikamente und Devices, die anhand hochspezialisierter Kriterien in den internationalen randomisierten Studien getestet wurden, in der Praxis bewähren, erfährt man jedoch nur durch Versorgungsforschungsprojekte.

Da es zudem große Unterschiede in den Strukturen im Gesundheitswesen zwischen den einzelnen Ländern gibt, müssen Daten dazu erhoben werden, ob Medikamente und Devices in den unterschiedlichen Strukturen der jeweiligen Nationen mit vergleichbarer Wirksamkeit eingesetzt werden.

Solche Daten gibt es im Moment für Deutschland allerdings zu wenig. Häufig liegen uns nur Patienten-Versorgungsdaten, beispielsweise Krankenkassen- und Abrechnungsdaten vor, aus denen wir unsere Rückschlüsse auf die Versorgungslage ziehen müssen. Das ist nicht unproblematisch, denn diese Datensätze sind meist nicht für Fragestellungen der Versorgungsmedizin konzipiert. Im Grunde können wir anhand dieser Daten nur Post hoc-Analysen vornehmen, die Verzerrungen erhalten, weil die Daten nicht zu 100% auf die Fragestellung passen.

Dass große Register oder prospektive Studien im Hinblick auf bestimmte Fragestellungen hin initiiert werden, ist in der Versorgungsforschung sehr viel seltener der Fall als bei großen internationalen Zulassungsstudien.

Nur auf Grundlage verlässlicher Daten zur Versorgungslage der Herzpatienten in Deutschland können bessere Strukturen geschaffen, mehr Patientenaufklärung und -Information geleistet und die Ressourcen an den richtigen Stellen gebündelt werden.

Daher engagieren wir uns mit dem neuen DGK-Zentrum für Kardiologische Versorgungsforschung für die Verbesserung der Datenlage in Deutschland. Das Zentrum ist auf Initiative der DGK, der Arbeitsgemeinschaft Leitende Kardiologische Krankenhausärzte (ALKK), des Bundesverbandes Niedergelassener Kardiologen (BNK), des Bundes Deutscher Internisten (BDI) mit der Sektion Kardiologie und der Stiftung Institut für Herzinfarktforschung (Stiftung IHF) gegründet worden. Das Zentrum hat in seiner Arbeit daher den enormen Vorteil, alle Sektoren der kardiologischen Patientenversorgung mit hervorragender Expertise abdecken zu können und alle Perspektiven einzubeziehen. Wir bündeln damit nicht nur große Erfahrung, sondern können in unseren Projekten auch ein umfassendes Bild der Versorgungslage darstellen. Hierdurch können wir mehr leisten als es jeder von uns als „Einzelkämpfer“.
Wir werden gemeinsam Themen aus der kardiologischen Versorgungsforschung untersuchen, zu denen es bisher im Sinne der Evidenz-basierten Medizin keine ausreichend guten Daten gibt. Das betrifft vor allem die weniger kostenintensiven Behandlungen, zu denen seitens der Kostenträger meist keine umfassend erhobenen Daten vorliegen und wir daher nicht viele Erkenntnisse haben.

Wir beginnen die Arbeit des Zentrums mit verschiedenen Projekten: Zum einen startet gerade die GULLIVE-R-Studie, die neue, wichtige Daten erheben wird. Hierzu wird Ihnen gleich der Leiter der Studie, Prof. Dr. Uwe Zeymer, Näheres berichten. Zum anderen werden wir zunächst Datensätze hinsichtlich relevanter Fragestellungen auswerten, die bereits existieren. Wir beginnen dabei mit der Versorgungsrealität zu den „Klug-entscheiden“-Empfehlungen der DGK. Im Rahmen dieser Initiative hatte die DGK unter anderem dazu geraten, von einer Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern und niedrigem Schlaganfallrisiko abzusehen und diese Option nur bei Patienten mit hohem Risiko zu wählen. Anhand der Daten aus dem ARENA-Register (das Projekt Vorhofflimmern Rhein-Neckar der Stiftung IHF), die dem Zentrum zur Verfügung stehen, wird nun untersucht, inwieweit dieser Empfehlung gefolgt wurde und ob die Patienten tatsächlich dementsprechend behandelt werden oder ob möglicherweise weiterer Handlungsbedarf besteht. „Sollten wir bei unserer Untersuchung feststellen, dass Patienten, die eine Antiokoagulation benötigen, sie nicht erhalten, und andererseits Patienten, die eben keine Antiokoagulation benötigen, sie dennoch bekommen, können wir – unter anderem durch Informationskampagnen – gezielt gegensteuern, um positiv auf die Schlaganfallrate einzuwirken. Nach der Auswertung der Daten wird eine Publikation erarbeitet werden, die über die Ergebnisse informiert. Die nötigen finanziellen Mittel für dieses Projekt kommen aus dem Budget des Zentrums.

Unser DGK-Zentrums für Kardiologische Versorgungsforschung partizipiert bereits auch an vom Innovationsfond des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderten Studien,  z. B an der von Allgemeinmedizinern der Universität Marbug initiierten „Kardio-Studie“. Die „Kardio-Studie“ untersucht gemeinsam mit Versorgungsforschern, mit Krankenkassen und mit anderen Institutionen, ob es regionale Unterschiede in der effizienten Versorgung der Bevölkerung mit Herzkathetereinrichtungen gibt. Diese Studie – und damit auch unser DGK-Zentrum – will dazu beitragen, mögliche regionale Unter-, aber auch Überversorgungen mit Herzkathetereinrichtungen in Deutschland aufzuzeigen und die Zusammenarbeit von Allgemeinmedizinern, Internisten und Kardiologen bei der Betreuung kardiologischer Patienten zu stärken.

In Zukunft können wir uns hoffentlich, sobald das Zentrum sich etabliert hat und wir die entsprechende Erfahrung gesammelt haben, auch der Problematik der internationalen Vergleiche von Versorgungsforschungsdaten widmen. Immer öfter erscheinen inzwischen Publikationen, die die kardiologische Versorgungssituation in unterschiedlichen Ländern vergleichen. Die deutschen Daten, die hauptsächlich in föderalistischen Strukturen erhoben werden, eignen sich allerdings für einen Vergleich mit den Daten aus Ländern, in denen das Gesundheitssystem zentralistisch organisiert ist, nur schlecht. Wir möchten uns darum bemühen, in diesen internationalen Vergleichen nicht nur die ärztlichen Leistungen, sondern auch die Gesundheitsstrukturen in den jeweiligen Nationen mehr zu berücksichtigen.