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Die prognostische Bedeutung des Rechtsschenkelblocks bei Patienten mit vermutetem Myokardinfarkt

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Dr. Johannes Tobias Neumann, Prof. Dr. Dirk Westermann, Hamburg 

Die genaue und schnelle Diagnose eines Myokardinfarktes ist von großer klinischer Bedeutung. Diese kann erschwert sein, wenn die Interpretation des EKGs durch einen Schenkelblock beeinflusst wird. Bisherige Leitlinien empfahlen die niederschwellige Durchführung einer Koronarangiographie bei neuem Linksschenkelblock (LSB) und begleitender klinischer Symptomatik für einen Myokardinfarkt. Die aktuellen 2017 ESC-Leitlinien für Patienten mit STEMI empfehlen dieses Vorgehen nun auch bei Patienten mit neuem Rechtsschenkelblock (RSB). Diese Empfehlungen beruhen jedoch auf den Ergebnissen einer einzelnen Studie. Daher war das Ziel unserer aktuellen Auswertungen, die prognostische Bedeutung des RSB bei Patienten mit vermutetem Myokardinfarkt zu untersuchen. Hierfür wurden Patienten der BACC (Biomarkers in Acute Cardiac Care) und der stenoCardia Studie verwendet. In beiden prospektiven Studien wurden Patienten, die sich mit dem Verdacht auf einen Myokardinfarkt in der Notaufnahme vorstellten, eingeschlossen.

Insgesamt wurden 3.410 Patienten für die Analysen verwendet. Bei allen Patienten wurde unmittelbar nach Aufnahme ein EKG geschrieben. Für die Analysen wurden ein RSB, ein LSB und ein bifaszikulärer Block unterschieden. Zur Erfassung der Mortalität wurden alle Patienten über einen Zeitraum von bis zu 4 Jahren nachbeobachtet. In der gesamten Studienpopulation wurde bei 772 von 3.410 (22,6 %) Patienten ein akuter Myokardinfarkt diagnostiziert. Ebenfalls in der Gesamtgruppe hatten 105 (3,1 %) aller Patienten einen RSB, 240 (7,0 %) einen LSB und 48 (1,4 %) einen bifaszikulären Block. Patienten mit einem Schenkelblock waren dabei älter und hatten ein höheres kardiovaskuläres Risikoprofil als Patienten ohne Schenkelblock.

Es zeigte sich, dass bei Patienten mit RSB die Wahrscheinlichkeit eines Myokardinfarktes nicht höher war als bei Patienten ohne RSB (21,0 % vs 22,2 %). Dahingegen hatten Patienten mit einem LSB eine numerisch höhere Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Myokardinfarktes (27,1 %). Die Mortalitätsrate nach einem Jahr betrug 10,7 % bei Patienten mit RSB, 7 % bei Patienten mit LSB, 17,5 % bei Patienten mit bifaszikulärem Block und 3,2 % bei Patienten ohne Schenkelblock (Abbildung 1).

Zusammenfassend haben nur wenige Patienten mit vermutetem Myokardinfarkt einen RSB im EKG. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Patienten einen Myokardinfarkt haben, ist genauso hoch wie bei Patienten ohne RSB im EKG. Jedoch haben Patienten mit RSB eine deutlich höhere Mortalität und stellen somit eine Hochrisiko-Population dar. Daher unterstützen unsere Ergebnisse die neue ESC STEMI-Leitlinie, welche den RSB als Risikofaktor bei Patienten mit Verdacht auf Myokardinfarkt beschreibt, stellen jedoch das Konzept der umgehenden Koronarangiographie bei Patienten mit RSB in Frage.

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