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Meta-Analyse zur Mehrgefäß-PCI versus alleinige PCI der „schuldigen“ Läsion im kardiogenen Schock bei akutem Myokardinfarkt

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Priv.-Doz. Dr. med. Suzanne de Waha, Lübeck 

Die Mehrheit der Patienten im kardiogenen Schock bei akutem Myokardinfarkt weist eine Mehrgefäßerkrankung auf. Die frühe Revaskularisation der „schuldigen“ Läsion (culprit lesion), bevorzugt durchgeführt mittels perkutaner Koronarintervention (PCI), reduziert die Mortalität und ist daher die wichtigste therapeutische Maßnahme. Dies wird auch in den Empfehlungen der aktuellen internationalen Leitlinien abgebildet. Wie mit weiteren hochgradigen „nicht-schuldigen“ Läsionen (non-culprit lesions) verfahren werden soll, ist bisher allerdings nicht klar. Zwei mögliche Strategien werden diskutiert: 1) eine aggressive Herangehensweise mit sofortiger Mehrgefäß-Intervention aller hochgradigen Stenosen der Koronarien („ad-hoc multivessel PCI“, MV-PCI) oder 2) eine zurückhaltende Strategie mit PCI der culprit lesion im akuten Setting und ggf. weiterer Revaskularisation der non-culprit lesions im Verlauf („culprit-lesion only PCI“, C-PCI). Nicht-randomisierte Beobachtungs-Studien zum Vergleich von MV-PCI zu C-PCI im kardiogenem Schock bei akutem Myokardinfarkt haben zu uneinheitlichen Ergebnissen geführt. Dies spiegelt sich durch widersprüchliche oder gar fehlende Leitlinien-Empfehlungen wider. Ziel der aktuellen Studie war es daher, die Evidenz um eine erstmalig durchgeführte Meta-Analyse zu erweitern.

Es wurden medizinische Datenbanken nach Analysen zum Vergleich von MV-PCI gegenüber C-PCI im kardiogenen Schock bei akutem Myokardinfarkt durchsucht. Zu diesem Thema wurde bisher keine randomisierte Studie durchgeführt, so dass insgesamt 10 Register-Studien in die Meta-Analyse eingeschlossen werden konnten. Der primäre Endpunkt war die Kurzzeit-Sterblichkeit, welche zum Zeitpunkt der Krankenhausentlassung oder nach 30 Tagen erhoben wurde. Sekundäre Endpunkte war neben der Langzeit-Sterblichkeit auch das Auftreten von weiteren akuten Myokardinfarkten, Schlaganfällen, akutem Nierenversagen oder Blutungen im Kurzzeit-Verlauf.

Insgesamt wurden Daten von 6.051 Patienten im kardiogenen Schock bei akutem Myokardinfarkt analysiert. Von diesen wurden 1.194 (19,7%) mittels MV-PCI behandelt und 4.857 (80,3%) durch C-PCI. Die Mortalität zum Zeitpunkt der Krankenhausentlassung bzw. nach 30 Tagen lag bei 37,5% nach MV-PCI gegenüber 28,9% nach C-PCI (Risk Ratio [RR] 1,26, 95% Konfidenzintervall [95%CI] 1,12-1,41, p=0,001 / Abbildung). Die Langzeit-Sterblichkeit unterschied sich nicht signifikant (44,7% versus 41,7%, RR 1,03, 95%CI 0,85-1,25, p=0,77). Ebenso war die Inzidenz erneuter Myokardinfarkte in beiden Gruppen vergleichbar niedrig (1,7% versus 2,0%, RR 0,87, 95%CI 0,35-2,16, p=0,77). Hinsichtlich Schlaganfällen wurde mit 1,8% gegenüber 1,3% ein möglicher Trend in Richtung einer höheren Rate nach MV-PCI beobachtet (RR 1,59, 95%CI 0,88-2,88, p=0,12). Auch die Inzidenz eines akuten Nierenversagens war numerisch höher nach MV-PCI (8,9% versus 6,8%; RR 1,26, 95%CI 0,90-1,76, p=0,17). Blutungen traten in beiden Gruppen vergleichbar oft auf (7,5% versus 8,7%; RR 1,08, 95%CI 0,85-1,37, p=0,53).

Zusammenfassend zeigt diese aktuelle Meta-Analyse zum Vergleich von MV-PCI gegenüber C-PCI im kardiogenen Schock bei akutem Myokardinfarkt eine erhöhte Kurzzeit-Sterblichkeit nach MV-PCI. Demgegenüber war keine der beiden Therapiestrategien hinsichtlich der Langzeit-Mortalität oder dem Auftreten von weiteren akuten Myokardinfarkten, Schlaganfällen, akutem Nierenversagen sowie Blutungen klar überlegen. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse muss allerdings ein potentieller Selektions-Bias berücksichtigt werden, der durch die Natur der primären Studien bedingt ist. Einerseits könnten vor allem Patienten mit ausgeprägter hämodynamischer Instabilität mittels MV-PCI behandelt worden sein, was dann die erhöhte Mortalität in dieser Gruppe unabhängig von der eigentlichen Therapiestrategie erklären könnte. Andererseits könnte die Entscheidung für eine MV-PCI auch eher bei jüngeren Patienten ohne ausgeprägte Ko-Morbiditäten sowie wenig komplexem Koronarbefund und somit hoher Wahrscheinlichkeit für gute postinterventionelle Ergebnisse getroffen worden sein. Die erste Meta-Analyse zum Vergleich beider interventionellen Therapiestrategien bei Patienten mit kardiogenem Schock im Rahmen eines akuten Myokardinfarktes konnte jedoch keine Hinweise auf einen klinischen Vorteil der MV-PCI gegenüber der C-PCI identifizieren. Adäquat gepowerte prospektive randomisierte Untersuchungen wie die derzeit europaweit durchgeführte CULPRIT-SHOCK Studie (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT01927549) werden weitere wichtige Evidenz liefern.

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