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Höherer Anteil stattgehabter Schlaganfälle bei asymptomatischen/ oligosymptomatischen versus symptomatischen Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern in Deutschland – Ergebnisse aus dem GLORIA-AF Register

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Dr. Steffen Christow, Ingolstadt

Vorhofflimmern (AF) ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung weltweit. Morbidität und Mortalität werden entscheidend durch ein 5-7fach erhöhtes Schlaganfallrisiko beeinflusst.1,2 Vitamin K-Antagonisten (VKA) und Nicht-VKA orale Antikoagulanzien (NOAC) verhindern die meisten ischämischen Schlaganfälle und senken so die Mortalität bei Patienten mit Vorhofflimmern und zusätzlichen Risikofaktoren für Schlaganfall.3,4 Asymptomatisches Vorhofflimmern („silent“ AF) ist häufig und kann lange unentdeckt bleiben.5 Nicht selten ist dann der Schlaganfall die erste Manifestation der Arrhythmie.6

GLORIA-AF (Global Registry on Long-Term Oral Antithrombotic Treatment in Patients with Atrial Fibrillation) ist ein globales Register zur Beobachtung von bis zu 56.000 Patienten mit neu diagnostiziertem, nicht-valvulärem Vorhofflimmern (NVAF) und zusätzlichen Risikofaktoren für Schlaganfall unter klinischen Alltagsbedingungen in 44 Ländern weltweit.7 Ziele von GLORIA-AF7 sind einerseits die Untersuchung von Patientencharakteristika, die die Wahl der antithrombotischen Therapie bei Patienten mit neu diagnostiziertem NVAF und zusätzlichen Risikofaktoren für einen Schlaganfall in verschiedenen Regionen der Welt beeinflussen. Andererseits sollen die Art der antithrombotischen Therapie beschrieben und Daten zur Sicherheit und Zuverlässigkeit der VKA und NOAC in der klinischen Praxis gesammelt werden.

In der vorliegenden Subanalyse der Phase II von GLORIA-AF wurden die Charakteristika von Patienten mit asymptomatischem/oligosymptomatischem und von Patienten mit symptomatischem Vorhofflimmern deutschlandweit verglichen. Phase II begann in jedem Teilnehmerland nach der Einführung von Dabigatran, dem ersten für die klinische Anwendung zugelassenen NOAC, im jeweiligen Land (Abbildung 1). Haupteinschlusskriterien waren neu diagnostiziertes NVAF (innerhalb 3 Monate vor der Baseline-Visite) bei konsekutiven Patienten mit Risikofaktoren für Schlaganfall (CHA2DS2-VASc Score ≥1). Ausschlusskriterien waren (1) künstliche Herzklappen oder Klappenerkrankungen mit zu erwartendem Klappenersatz, (2) vorausgegangene VKA-Therapie für mehr als 60 Tage aus irgendeinem Grund, (3) reversibles Vorhofflimmern, (4) Lebenserwartung <1 Jahr, (5) Notwendigkeit einer Antikoagulation aus anderen Gründen als AF. Die Einteilung in beide Gruppen wurde entsprechend der European Heart Rhythm Association (EHRA)-Klassifikation8 vorgenommen: asymptomatisch/oligosymptomatisch = EHRA I-II; symptomatisch = EHRA III-IV.

Die Charakteristika der 1.216 eingeschlossen Patienten sind in der Tabelle dargestellt. 747 (61%) der Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern waren asymptomtisch/ oligosymptomatisch. 17,8% der asymptomatischen/ oligosymptomatischen Patienten hatten bereits einen Schlaganfall vor Einschluss in das Register, verglichen mit 6,0% der symptomatischen Patienten. Diese Patienten waren älter (42,8% vs. 38,8% ³75 Jahre), häufiger männlich (59,4% vs. 51,2%) und hatten mehr permanentes Vorhofflimmern (10,2% vs. 4,5%) als die symptomatischen AF-Patienten. Eine Herzinsuffizienz (18,1% vs. 36,2%) und eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion von <40% (28,9% vs. 37,1%) waren seltener in der Gruppe mit asymptomatischem/ oligosymptomatischem Vorhofflimmern. Das Schlaganfallrisiko, gemessen am CHA2DS2-VASc Score, war in beiden Gruppen gleich (3,4 ± 1,5), während das Blutungsrisiko entsprechend des HAS-BLED Scores bei den asymptomatischen/ oligosymptomatischen Patienten signifikant höher war (1,4 ± 1,0  vs. 1,3 ± 0,8).

Schlussfolgernd kann festgestellt werden, dass in Deutschland fast zwei Drittel der Patienten mit neu diagnostiziertem, nicht-valvulärem Vorhofflimmern asymptomatisch bzw. oligosymptomatisch sind. Die dreifach erhöhte Schlaganfallrate bei diesen Patienten, verglichen mit symptomatischen AF-Patienten, ist am ehesten durch die längere Dauer des unentdeckt gebliebenen Vorhofflimmerns zu erklären. Diese Ergebnisse unterstreichen die Forderung nach öffentlichen Programmen zum Nachweis von Vorhofflimmern in der Allgemeinbevölkerung.

Tabelle: Charakteristika von asymptomatischen/ oligosymptomatischen vs. symptomatischen Patienten in Deutschland

   
Asymptomatische/

Oligosympt. Pat.

Symptomatische Pat. Odds ratio

(95% CI)

 

P-Wert
N 747 469
Alter (Jahre)

<65, n (%)

65 bis <75, n (%)

³75, n (%)

71,7 ± 9,4

146 (19,5)

281 (37,6)

320 (42,8)

70,4 ± 10,3

112 (23,9)

175 (37,3)

182 (38,8)

 

1,0 (Referenz)

0,812 (0,5459-1,0070)

0,741 (0,5953-1,1071)

0,16

 

Männer, n (%) 444 (59,4) 240 (51,2) 0,0047
CHA2DS2-VASc score

1 (moderat), n (%)

>1 (hoch), n (%)

3,4 ± 1,5

68 (9,1)

679 (90,9)

3,4 ± 1,5

48 (10,2)

421 (89,8)

 

1,138 (0,7716-1,6798)

1,0 (Referenz)

0,51
HAS-BLED score

<3 (niedrig), n (%)

³3 (hoch), n (%)

unbekannt

1,4 ± 1,0

506 (67,7)

68 (9,1)

173 (23,2)

1,3 ± 0,8

366 (78,1)

24 (5,1)

79 (16,8)

 

1,0 (Referenz)

0,488 (0,3008-0,7924)

<0,004
AF-Typ, n (%):

Paroxysmales AF

Persistierendes AF

Permanentes AF

 

433 (58,0)

238 (31,9)

76 (10,2)

 

286 (61,0)

162 (34,5)

21 (4,5)

ND ND
Herzinsuffizienz, n (%) 135 (18,1) 170 (36,2) 2,577 (1,9775-3,3590) 0,0001
Ejektionsfraktion £40%, n (%) 39 (28,9) 63 (37,1) ND ND
Schlaganfall, n (%) 133 (17,8) 28 (6,0) 0.293 (0,915-0,4486) <0,0001

Mittelwert ± SD
AF; Vorhofflimmern
ND; not done

Literatur:

  1. Peters NS, et al. Lancet. 2002;359:593–603.
  2. Wolf PA, et al. Stroke. 1991;22:983–988.
  3. Hart RG, et al. Ann Intern Med. 2007;146:857–867.
  4. Ruff CT, et al. Lancet. 2014;383:955–962.
  5. Kirchhof P, et al. Eur Heart J. 2009;30:2969–2977.
  6. Lubitz SA, et al. Stroke. 2017;48:490–492.
  7. Huisman MV, et al. Am Heart J. 2014;167:329–334.
  8. Camm, AJ, et al. Eur Heart J. 2010;31:2369–2429.

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