Anstieg der Mortalität im Krankenhaus nach PCI bei STEMI-Patienten?
Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial
Priv.-Doz. Dr. Kurt Bestehorn, Dresden
Als wichtiger Qualitätsindikator für die perkutane Koronarintervention (PCI) gilt die Sterblichkeit im Krankenhaus (IHM). Diese ist laut Bundesauswertung des AQUA-Instituts in der Zeit von 2012 bis 2013 statistisch signifikant um 8% angestiegen. Die Entwicklung hat sich gemäß gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) auch 2015 fortgesetzt: die rohe, nicht adjustierte IHM nach ST-Hebungsinfarkt (STEMI) stieg von 6,7% (2008) auf 11,7% (Abbildung1).
Auch die Rate intra- und postprozeduraler Komplikationen ist seit 2008 angestiegen. Als mögliche Erklärungen wurden im Deutschen Herzbericht 2016 der Anstieg des Durchschnittsalters, die damit einhergehende höhere Rate an Co-Morbidität und Risikofaktoren genannt, Belege für diese Annahme wurden aber nicht angegeben.
Daher wurde mittels risikoadjustierter Analyse der Datensätze des G-BA gemäß § 137 SGB V der Jahre 2008 und 2013 nach möglichen Ursachen für den Anstieg der Sterblichkeit gesucht. Um eine möglichst gut definierte und wichtige Gruppe von Patienten zu betrachten, wurden nur Patienten mit STEMI eingeschlossen, und zwar alle Patienten mit erster PCI bei STEMI. Primärer Endpunkt der Analyse war die Wahrscheinlichkeit für die IHM, verglichen mit der beobachteten IHM. Erstere wurde mittels binärer logistischer Regression bestimmt, in der alle im Datensatz verfügbaren Risikofaktoren als unabhängige Variable genutzt wurden (Alter, Geschlecht, vorausgegangene diagnostische Koronarografie, Diabetes mellitus, Auswurffraktion (EF) (u.a. EF <40%), Niereninsuffizienz mit oder ohne Dialyse, PCI-Lokalisation (u.a. Anzahl der Gefäße, PCI am ungeschützten Gefäß / Hauptstamm / komplett verschlossenen Gefäß / letzten verbliebenen Gefäß, PCI eines Bypass-Gefässes), Reanimation vor dem Eingriff, intra-prozedurale Ereignisse (Gefäßverschluß, TIA, Reanimation), Herzinsuffizienz, Kardiogener Schock bei Prozedurbeginn, vorausgegangeren Bypass-Operation (CABG)).
Von den 264.760 (2008) bzw. 302.902 (2013) PCI-Fällen – ein Anstieg um 2,1% – waren 18,5% (2008) bzw. 16,5% (2013) Patientenfälle mit STEMI.
Das durchschnittliche Alter änderte sich weder bei Frauen noch bei Männern (69,7 Jahre, 62,2 Jahre), der Anteil der über 80jährigen aber stieg von 10,9% auf 12,1%. Der Anteil der Patienten mit Diabetes mellitus (18,9 auf 19,6%), nicht-dialysepflichtiger Niereninsuffizienz (12,2 auf 15,8%) und eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion (EF < 40%, 9,4 auf 12,2%) war jeweils statistisch signifikant angestiegen. Dasselbe gilt für Fälle mit kardiogenem Schock bei Prozedurbeginn.
Die IHM stieg statistisch signifikant von 6,7% auf 8,7%, lag 2013 aber unter der erwarteten IHM von 9,0%, m.a.W. Risiko-adjustiert und auf Basis der Risikoberechnung des Jahres 2008 ist das Risiko für IHM im Jahr 2013 unverändert geblieben. Der Anstieg der IHM spiegelt das erhöhte Ausgangsrisiko der Patienten wider. Weitere Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt.
STEMI 2008 (n=48,922) | STEMI 2013 (n=49,937) | P | |
IHM erwartet (%) | 6.4±13.1 | 9.0±16.2 | <0.001 |
IHM beobachtet (%) | 6.7 | 8.7 | <0.001 |
IHM < 24 h (%) [n] | 6.9 [2788 von 40300] | 8.8 [ 3778 von 43296] | <0.001 |
IHM > 24 h (%) | 5.3 [288 von 5.810] | 7.9 [343 von 4195] | <0.001 |
IHM Frauen (%) [n] | 9.1 [1263 von 13,951] | 11.5 [1630 von 14,192] | <0.001 |
IHM Männer (%) | 5.8 [2027 von 34,971] | 7.6 [2701 von 35,745] | <0.001 |
Tabelle 1: IHM nach erster PCI bei STEMI
Die Zunahme der periprozeduralen Reanimationen allein erklärt 0,6 Prozentpunkte der gesamten Zunahme der IHM um 2 Prozentpunkte. Über 40% der Patienten mit kardiogenem Schock bei Beginn der Prozedur verstarben in der Klinik. Dasselbe gilt für zwei Drittel der Fälle, bei denen periprozedural eine Reanimation erforderlich gewesen war. Bei Patienten, die im Krankenhaus verstarben, ist der Anteil der Patienten mit per se höherem Risiko (EF < 40%, Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz) deutlich angestiegen (siehe Tabelle 2).
Risikopopulation (Todesfälle) | IHM 2008 (n=3290) | IHM 2013 (n=4331) | p |
IHM Patienten mit EF<40% (n) | 29.3% (890) | 36.1%(1314) | <0.001 |
IHM bei Diabetes mellitus (n) | 27.1% (890) | 30.3% (1314) | <0.001 |
IHM bei Dialyse (n) | 26.5% (872) | 33.7% (1459) | <0.001 |
Tabelle 2: IHM bei Risikopopulationen
Fazit
Die im Vergleich zu 2008 erhöhte IHM von Patienten mit STEMI und erster PCI ist zum großen Teil durch ein verschlechteres Risikofaktorenprofil erklärbar. Der Quotient aus beobachteter zu erwarteter IHM hat sich während der genannten Zeitspanne eher verbessert, zumindest ein Zeichen, dass die Qualität der Eingriffe nicht schlechter geworden ist.19
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org