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Klinische Zeichen venöser Erkrankungen und deren Relevanz für systemische Inflammation und kardiovaskuläre Erkrankungen – im Alltag unterschätzt?

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Dr. Natalie Arnold und Dr. Jürgen Prochaska, Mainz

Chronisch venöse Erkrankungen stellen ein häufiges, aber oft unterschätztes Problem in der Bevölkerung dar.1, 2 Epidemiologische Daten zur Prävalenz chronisch venöser Erkrankungen und deren Zusammenhang mit kardiovaskulären Erkrankungen, systemisch messbarer Inflammation und klinischem Outcome liegen aktuell nicht vor. Diese Fragestellung hat die Präventive Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz (Leitung: Univ.-Prof. Dr. med. Philipp Wild) nun in einem populations-basierten Ansatz in zwei Forschungsprojekten untersucht.

Prävalenz
Die klinische Beurteilung hinsichtlich venöser Erkrankungen erfolgte standardisiert anhand der visuellen Bewertung von Fotodokumentationen der unteren Extremität bei insgesamt 7.562 Teilnehmern der prospektiven, populations-basierten Gutenberg-Gesundheitsstudie. Anhand der etablierten CEAP-Klassifikation erfolgte die Einteilung in sog. „C-Stadien“.3 In der Bevölkerung wiesen 20,5% aller Teilnehmer keine Zeichen einer chronisch venösen Erkrankung auf (C0), 38,7% hatten Teleangiektasien (C1), 23,8% Varizen (C2), und 32.6% Zeichen der chronisch venösen Erkrankung (C3-C6) (Mehrfachnennungen möglich). Die Prävalenz von klinischen Zeichen der chronisch venösen Erkrankung waren 23,8% für das Stadium Ödem (C3), 6,2% hatten Hautveränderungen ohne Ulzerationen (C4) und 0,1 % Ulzerationen (C5-6).

Systemische Inflammation
In multivariablen Regressionsanalysen mit Adjustierung für potentielle Störgrößen (i.e. Alter, Geschlecht, kardiovaskuläre Risikofaktoren und Komorbiditäten) wurde der Zusammenhang zwischen den C-Stadien und der Konzentration des C-reaktiven Proteins (CRP) als humoralem Biomarker der Inflammation näher untersucht. Hierbei zeigte sich im Vergleich zu gesunden Personen ein unabhängiger, signifikanter Anstieg des CRP bei Zeichen der chronisch venösen Erkrankung sowohl im Stadium C3 (β=0,15, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,08/0,22) als auch in den Stadien C4-C6 (β=0,24 mg/l, 95%KI 0,13/0,34) (für beide, P<0,0001). Die graduelle Zunahme der Entzündungsreaktion mit Zunahme des C-Status unterstreicht die Bedeutung der Inflammation für die venöse Erkrankung und stellt möglicherweise einen Trigger für eine systemische Inflammation dar.

Zusammenhang mit kardiovaskulären Risikofaktoren und Komorbiditäten
Hinsichtlich kardiovaskulärer Komorbiditäten war das klinische C3-Stadium (als erste Stufe der chronisch venösen Erkrankung) in multivariablen Regressionsmodellen signifikant assoziiert mit zunehmendem Alter (Odds Ratio (OR) pro Dekade: 1,67, 95%KI 1,57/1,76, P<0,0001), Diabetes (OR 1,25, 95%KI 1,06/1,48, P=0,0089), Hypertonie (OR 1,28, 95%KI 1,14/1,44, P<0,0001), Adipositas (OR 2,78, 95%KI 2.47/3.14; P<0,0001), Rauchen (OR 1,20, 95%KI 1,03/1,39, P=0,019), COPD (OR 1,34, 95%KI 1,10/1,62, P=0,0035), pAVK (OR 1,49, 95%KI 1,16/1,90, P=0,0018) und venöser Thromboembolie (OR 1,40, 95%KI 1,08/1,82, P=0,011). Bei fortgeschrittenen klinischen Zeichen der chronisch venösen Erkrankung (C4-C6) konnte zudem ein unabhängiger Zusammenhang mit Vorhofflimmern (OR 1,62, 95%KI 1,07/2,41, P<0,0001) und der Herzinsuffizienz (OR 1,89, 95%KI 1,12/3,16, P=0,015) identifiziert werden.

Klinisches Outcome
Das mittlere 10-Jahresrisiko für die Entstehung einer kardiovaskulären Erkrankung nahm mit ansteigendem C-Stadium ebenfalls zu: Teilnehmer im Stadium C3 hatten im Vergleich zu gesunden Teilnehmern ein um 34% erhöhtes Risiko, in den Stadien C4-C6 war dieses um 69% erhöht (P<0,0001). Im Vergleich zu Teilnehmern ohne klinische Zeichen der venösen Erkrankungen (C0) waren die klinischen Stadien C3 und C4-6 der chronisch venösen Erkrankung mit einer 1,8- bzw. 4,0-fach erhöhten Gesamtmortalität vergesellschaftet (P=0,005). Die schlechteste Prognose hatten hierbei Personen mit erhöhten CRP-Konzentrationen (>3mg/L). Diese Erkenntnisse signalisieren ein Potenzial für die Früherkennung von kardiovaskulären Risikofaktoren und Erkrankungen bei Personen mit klinisch-sichtbaren Zeichen der chronisch venösen Erkrankung.

Literatur:

  1. Eberhardt RT and Raffetto JD. Chronic venous insufficiency. Circulation. 2014;130:333-46.
  2. Prandoni P, Bilora F, Marchiori A, Bernardi E, Petrobelli F, Lensing AW, Prins MH and Girolami A. An association between atherosclerosis and venous thrombosis. N Engl J Med. 2003;348:1435-41.
  3. Eklof B, Rutherford RB, Bergan JJ, Carpentier PH, Gloviczki P, Kistner RL, Meissner MH, Moneta GL, Myers K, Padberg FT, Perrin M, Ruckley CV, Smith PC and Wakefield TW. Revision of the CEAP classification for chronic venous disorders: consensus statement. J Vasc Surg. 2004;40:1248-52.

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