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Kardiologische Rehabilitation: Patientenschulung muss kognitive Möglichkeiten berücksichtigen

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In der multimodalen Rehabilitation lernen Patienten wie sie mit gesunder Lebensführung selbst zur Therapie ihrer Krankheit beitragen können. In der Mehrzahl der Fälle sind diese Bemühungen erfolgreich. Für Betroffene mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten sind aber spezielle Schulungen erforderlich, betonen Experten auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim.  

Mannheim/Potsdam, 21. April 2017 – Nach der Akutversorgung ist die kardiologische Rehabilitation einer der wesentlichen Faktoren für den weiteren Verlauf Koronarer Herzerkrankungen (KHK). Dabei sorgt ein multimodaler Ansatz dafür, dass die Patienten neben der medizinischen Betreuung auch Sport- und Physiotherapie sowie Schulungen zur Verbesserung ihres Lebensstils erhalten. Neben der Anleitung zur vermehrten körperlichen Bewegung sind dabei vor allem Fragen einer herzverträglichen Ernährung, des Rauchstopps sowie geeigneter Entspannungstechniken wichtig.

Ein Problem dabei: Ob und wie weit wirklich alle Betroffenen in der Lage sind, das vermittelte Wissen aufzunehmen und später auch umzusetzen, wird in der Regel nicht überprüft. „Bei Schulungsmaßnahmen wird üblicherweise eine adäquate kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten vorausgesetzt“, so Prof. Dr. Heinz Völler, Leiter des Lehrstuhls für Rehabilitationswissenschaften an der Universität Potsdam. „Dabei wissen wir, dass viele Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen bereits im mittleren Lebensalter kognitive Beeinträchtigungen aufweisen“.

Im Rahmen einer an zwei deutschen Rehabilitationskliniken durchgeführten Studie hat der Experte für Sekundärprävention untersucht, wie viele KHK-Patienten unter solchen Defiziten leiden und wie sich die Beeinträchtigungen auf den Schulungserfolg auswirken. Die Ergebnisse präsentierte Prof. Völler nun auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, die vom 19.4. bis 22.4. in Mannheim stattfindet. Fazit: „Wir konnten zeigen, dass die Patientenschulung in der kardiologischen Rehabilitation zwar generell zu einer Erhöhung des krankheitsbezogenen Wissens führt, der individuelle Schulungserfolg dabei aber tatsächlich wesentlich von der kognitiven Leistungsfähigkeit der Patienten abhängt“.

Kognitive Defizite unter Herzpatienten verbreitet 

Insgesamt wurden 497 Reha-Teilnehmer mit Koronarer Herzerkrankung untersucht. Rund 80 Prozent waren männlich, das mittlere Alter lag bei 54,5 Jahren. Die kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten wurde – neben Bildungsgrad, Medikation, körperlicher Fitness und anderen Faktoren – zu Beginn der Rehabilitation und ein zweites Mal bei der Entlassung mit einem standardisierten Testverfahren (Cognitive Assessment) ermittelt. Zusätzlich mussten sich die Teilnehmer bei der Aufnahme, der Entlassung und sechs Monate nach der Reha einem Wissensquiz mit medizinischen Fragestellungen und Aufgaben zum Thema Lebensführung stellen.

Das erste verblüffende Ergebnis: Obwohl die Betroffenen vergleichsweise jung waren – keiner der Untersuchten war älter als 61 Jahre – konnten zu Beginn der Behandlung bei mehr als einem Drittel (36,7 Prozent) kognitive Defizite festgestellt werden. Am Ende der Behandlungszeit waren es immer noch 32,9 Prozent. Bei neun Patienten waren die Beeinträchtigungen mittelschwer bis stark ausgeprägt, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelte es sich aber um sogenannte „Leichte Kognitive Beeinträchtigungen“. „In dieser Phase gehen die Vergesslichkeit und Aufmerksamkeitsdefizite zwar über das nach Alter und Bildung zu erwartende Ausmaß hinaus, im Alltag stellen sie aber noch keine wesentliche Behinderung dar“, erklärt Prof. Völler. „Allerdings neigen Betroffene oft zur Grübelei und depressiven Verstimmungen“.

Die gute Nachricht: In Summe gesehen waren die didaktischen Bemühungen der Reha-Therapeuten durchaus erfolgreich. Im Lauf der Rehabilitation waren sowohl das medizinische Wissen wie auch die Kenntnisse über einen adäquaten Lebensstil deutlich gestiegen. Zwar zeigte sich nach sechs Monaten, dass das Know-how über die medizinischen Aspekte der Krankheit weitgehend verblasst war, allerdings lagen die alltagsrelevanten Erkenntnisse zum Lebensstil auf einem stabilen Niveau. „Das von den Patienten berichtete Ernährungs- und Aktivitätsverhalten deutet darauf hin, dass diesbezügliche Empfehlungen aus der Rehabilitation zumindest teilweise umgesetzt werden konnten“, fasst Dr. Annett Salzwedel vom Department Sport- und Gesundheitswissenschaften der Universität Potsdam wesentliche Ergebnisse zusammen. So war der Anteil der Patienten, die angaben, mindestens einmal pro Woche Obst bzw. Fisch zu konsumieren, signifikant höher als zu Beginn der Rehabilitation. Zudem waren sie an deutlich mehr Tagen in der Woche sportlich aktiv als vor dem Koronarereignis.

In der Detailbetrachtung zeigte sich aber, dass sowohl der initiale Schulungserfolg wie auch die nachhaltige Verfügbarkeit des erworbenen Wissens deutlich mit der kognitiven Leistungsfähigkeit korreliert. „Je schlechter die Patienten am Beginn der Behandlung abgeschnitten hatten, desto weniger Wissen nahmen sie am Ende der Rehabilitation mit“, so Dr. Salzwedl. „Der Erhalt des Wissens nach der Rehabilitation hingegen hing wesentlich von den Ergebnissen bei der Entlassung ab“.

Für Prof. Völler zeigen die Studienergebnisse, dass in der Rehabilitation koronarer Herzkrankheiten trotz unbestreitbarer Erfolge weiter Entwicklungsbedarf besteht: „Da zirka ein Drittel der Patienten mit KHK in der Anschlussheilbehandlung von kognitiven Beeinträchtigungen betroffen ist, sollten bestimmte Schulungsinhalte priorisiert und mithilfe geeigneter didaktischer Methoden vermittelt werden“, so der Appell des Rehabilitationsexperten.

Quelle: DGK Abstract Völler et al, Nachhaltige Sekundärprävention bei Koronarkranken – stellen kognitive Beeinträchtigungen Barrieren dar? Clin Res Cardiol 106, Suppl. 1, April 2017 

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