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Einfluss von Untergewicht und Adipositas auf das Ein-Jahres-Überleben nach kathetergeführter Trikuspidalklappenrekonstruktion bei Patient*innen mit Trikuspidalklappeninsuffizienz

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Dr. Johanna Vogelhuber und Dr. Nihal Wilde, Bonn

Hintergrund
Die Prävalenz einer signifikanten Trikuspidalklappeninsuffizienz (tricuspid regurgitation, TR) in der Population der ≥70-Jährigen liegt zwischen 2 (Männern) und 6 % (Frauen); mit ca. 25 % liegt die Prävalenz bei Patient*innen mit Herzinsuffizienz und eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion umso höher. Während die Bedeutung der TR für Morbidität und Mortalität lange Zeit vernachlässigt wurde, konnten zahlreiche Studien zuletzt kongruent einen negativen Einfluss der unbehandelten signifikanten TR auf Morbidität und Mortalität nachweisen.

Untergewicht und Adipositas sind bekanntermaßen Risikofaktoren für einen reduzierten klinischen Verlauf bei Patient*innen mit kardiovaskulären Erkrankungen. Beispielsweise konnte für die Kohorte der untergewichtigen und adipösen Patient*innen nach kathetergeführtem Aortenklappenersatz wie nach kathetergeführter Mitralklappenrekonstruktion eine erhöhte Mortalität und Morbidität nachgewiesen werden.

Mit Blick auf die Bedeutung der signifikanten TR für den klinischen und prognostischen Verlauf treten auch die Identifikation und Charakterisierung relevanter Risikokonstellationen – insbesondere hinsichtlich der Wahl der optimalen Therapiestrategie – zunehmend in den Fokus. Über den Einfluss von Untergewicht und Adipositas auf den postinterventionellen Verlauf nach kathetergeführter Trikuspidalklappenrekonstruktion (TTVR) ist aktuell wenig bekannt.

Methoden
Insgesamt konnten 211 nachfolgende Patient*innen identifiziert werden, die zwischen Juni 2015 und Januar 2021 einen TTVR mittels transcatheter edge-to-edge repair (TEER) mittels MitraClip beziehungsweise TriClip (Abbott Cardiovascular) oder PASCAL (Edwards Lifesciences) bei signifikanter symptomatischer TR erhielten. Die Patient*innen wurden prospektiv eingeschlossen und retrospektiv analysiert. Das Kollektiv wurde gemäß dem Body-Mass Index (BMI) in 4 Subkohorten stratifiziert: BMI < 20 kg/m2 (Untergewicht), 20 bis < 25 kg/m2 (Normalgewicht), 25 bis <30 kg/m2 (Übergewicht), ≥ 30 kg/m2 (Adipositas). Die Ein-Jahres-Mortalität wurde als primärer Endpunkt definiert, sekundäre Endpunkte schlossen Änderungen des TR Schweregrads, der rechtsventrikulären Funktion und der funktionellen NYHA Klasse ein, wie auch die MACCE Endpunkte (major adverse cardiovascular and cerebrovascular events).

Ergebnisse
Infolge der BMI-Subkohorten-Stratifizierung wurden 29 Patient*innen als untergewichtig definiert, 71 als normalgewichtig, 64 als übergewichtig und 47 als adipös; das Alter lag bei 78 ± 7,2 Jahre, 55,5% waren weiblich. Der EuroSCORE II betrug 9,6 ± 6,7 %. In 51,2 % erfolgte der TEER mittels TriClip (Abbott Cardiovascular), in 25,1 % mittels PASCAL (Edwards LifeSciences) und in 23,7 % mittels MitraClip (Abbott Cardiovascular). Tabelle 1 zeigt die Baseline-Charakteristika.

Gesamt Untergewicht Normalgewicht Übergewicht Adipositas
n = 211 n = 29 n = 71 n = 64 n = 47 p value
Alter, Jahre 78.3 ± 7.2 78.3 ± 6.32 79.5 ± 7.5 78.1 ± 6.8 76.6 ± 7.4 0.18
weiblich, n (%) 117 (55.5) 19 (65.6) 39 (54.9) 34 (53.1) 25 (53.2) 0.71
BMI, kg/m2 26.1 ± 5.5 18.7 ± 1.0 22.9 ± 1.4 27.2 ± 1.3 34.1 ± 3.9 < 0.001
             
Risikostratifikation            
EuroSCORE II, % 9.6 ± 6.7 10.6 ± 7.8 10.4 ± 7.0 8.9 ± 6.5 8.9 ± 5.8 0.39
             
Komorbiditäten            
Bluthochdruck, n (%) 175 (82.9) 23 (79.3) 56 (78.9) 53 (82.8) 43 (91.4) 0.28
Hyperlipidemie, n (%) 110 (52.1) 17 (58.6) 29 (40.8) 28 (43.8) 36 (76.6) <0.001
Diabetes mellitus, n (%) 51 (24.2) 5 (17.2) 10 (14.1) 17 (26.6) 19 (40.4) 0.01
pAVK, n (%) 81 (17.1) 13 (44.8) 27 (38.0) 21 (32.8) 2042.6) 0.63
KHK, n (%) 117 (55.5) 15 (51.7) 39 (54.5) 32 (50.0) 31 (66.0) 0.39
Vorheriger MI, n (%) 57 (27.0) 9 (31.0) 19 (26.8) 16 (25.0) 13 (27.7) 0.95
COPD, n (%) 39 (18.5) 7 (24.1) 8 (11.3) 14 (21.9) 10 (21.3) 0.26
NYHA IV, n (%) 37 (17.5) 9 (31.0) 8 (11.3) 11 (17.2) 9 (19.6) 0.24
Vorhofflimmern, n (%) 195 (92.4) 26 (89.7) 64 (90.1) 61 (95.3) 44 (93.6) 0.70
CIED, n (%) 71 (33.6) 10 (34.5) 19 (26.8) 23 (35.9) 19 (40.4) 0.46
             
Vorangegangene Herz-OPs/Interventionen            
Vorherige Herz-OPs, n (%) 128 (59.2) 17 (58.6) 45 (63.3) 35 (54.7) 28 (59.6) 0.77
Vorherige TAVI, n (%) 13 (6.2) 1 (3.4) 9 (12.7) 2 (3.1) 1 (2.1) 0.08
Vorherige MK Intervention, n (%)           0.13
   keine 148 (70.4) 25 (86.2) 48 (67.6) 40 (62.5) 35 (74.5)  
   TEER 61 (28.9) 4 (13.8) 23 (32.4) 22 (34.4) 12 (25.5)  
   Ersatz 1 (0.5) 0 1 (1.4) 0 0  
   andere 1 (0.5) 1 (3.4) 0 0 0  
             
Laborparameter            
Kreatinin, mg/dl 1.5 ± 0.9 1.4 ± 0.6 1.4 ± 0.7 1.6 ± 0.9 1.8 ± 1.1 0.11
eGFR, ml/min/m2 50.0 ± 23.9 55.4 ± 25.8 53.8 ± 25.7 48.8 ± 21.8 43.6 ± 21.7 0.10
NT-proBNP, pg/ml 4296 [3094, 5498] 3526 [1568, 5484] 5282 [2716, 7847] 3082 [2232, 3931] 4779 [1494, 8065] 0. 48

Tabelle 1: Baseline-Charakteristika.

Der primäre Endpunkt wurde in der Gesamtkohorte bei 18,5 % erreicht (39/211). Die Kaplan-Meyer-Kurve zeigt eine signifikant höhere Gesamtsterblichkeit in der Gruppe der untergewichtigen und adipösen mit 37,9 % beziehungsweise 29,8 % verglichen mit den Subkohorten der normal- und übergewichtigen (p log rank < 0,001) (Abbildung 1).

In der multivariaten Cox-Regressions-Analyse war Untergewicht und Adipositas assoziiert mit dem Erreichen des primären Endpunkts (3,88, 95 % CI 1,65 – 7,66, p < 0,01 beziehungsweise HR 3,24, 95 % CI 1,37 – 9,16, p < 0,01), als weitere Prädiktoren wurden eine COPD als Begleiterkrankung und eine eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion identifiziert (HR 2,52, 95 % CI 1,14 – 5,56, p = 0.02 beziehungsweise HR 3,28, 95 % CI 1,21 – 8,86, p = 0.01).

Subkohorten-übergreifend zeigte sich im Follow-Up eine persistierende Besserung der funktionellen NYHA Klasse (Abbildung 2) und eine persistierende Reduktion des TR-Grades. Nach der Kategorisierung in Prozedur-Responder und Non-Responder (persistierende TR Reduktion um ≥2 Schweregrade) zeigten sich signifikant mehr Non-Responder in der Subkohorte der Untergewichtigen und adipösen (p 0,05, Abbildung 3).

Zusammenfassung
Verglichen mit normal- und übergewichtigen Patienten, konnte für die Patientenkohorte der Untergewichtigen und Adipösen in der vorliegenden Studie eine signifikant höhere Ein-Jahres-Mortalität nach kathetergeführter Trikuspidalklappenrekontruktion mittels TEER beobachtet werden. Ergänzend hierzu gelang in der Patientenkohorte der Untergewichtigen und Adipösen signifikant seltener eine persistierende TR-Reduktion ≥ 2 Schweregrade (Prozedur-Non-Responder).

Vor dem Hintergrund der optimalen Patientenselektion sollten Patienten mit Untergewicht und Adipositas im Rahmen der Herz-Team-Diskussion kritisch und sorgsam diskutiert werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Analyse sollen nun prospektiv und in einem größeren, multizentrischen Kollektiv validiert werden.

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