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Effekt eines App-basierten mentalen Trainings auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die Vorhofflimmern-Last – Resultate der MENTAL AF-Studie

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Dr. Julia Lurz und Prof. Dr. Dr. Adreas Bollmann, Leipzig 

Einleitung
Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung und führt bei >60 % der Patient*innen zu einer teilweise erheblichen Einschränkung der Lebensqualität. Die Katheterablation von VHF (Pulmonalvenenisolation) hat sich in den letzten Jahren als zunehmend effektiv erwiesen. Dennoch, Rezidive von VHF sind häufig, insbesondere in den ersten drei Monaten nach Ablation. Rezidive bedeuten Stress für die Patientinnen und Patienten und unter Umständen auch Enttäuschung.

Kürzlich wurde gezeigt, dass durch ein App-basiertes mentales Training Symptome, die mit VHF im Zusammenhang stehen, im Vergleich zur gewöhnlichen Versorgung reduziert werden können. Im Folgenden werden die Effekte auf die Lebensqualität und die VHF-Last beschrieben.

Methoden
MENTAL AF ist eine randomisierte klinische Studie mit zwei parallelen Gruppen, wobei alle Patient*innen eine Pulmonalvenenisolation zur Behandlung ihres symptomatischen Vorhofflimmerns erhielten. Der Einschluss erfolgte zwischen August 2019 und Juli 2021 im Rahmen einer 1:1-Randomisierung und Stratifizierung für paroxysmales beziehungsweise persistierendes VHF. Die primäre Studienzeit betrug drei Monate.

Insgesamt wurden 233 Patient*innen, bei denen eine Pulmonalvenenisolation geplant war angesprochen, davon erfüllten 31 nicht die Einschlusskriterien und 19 hatten kein Interesse an einer Studienteilnahme. Von den 174 randomisierten Patient*innen erfüllten 151 alle prädefinierten Kriterien und wurden in die finale Analyse eingeschlossen (76 in der Trainingsgruppe und 75 in der Kontrollgruppe). Diese erhielt einen Zugang für die Mindance App. Das Mentaltraining beinhaltete tägliche etwa 10-minütige Übungen zu Atmung, Entspannung und Achtsamkeit. Das Trainingsminimum wurde auf durchschnittlich mindestens zwei Übungen/Woche festgelegt. Beide Gruppen erhielten regelmäßige Telefonanrufe durch das Studienteam.

Der präspezifizierte primäre Endpunkt war der Unterschied des mittleren AF6 Summenwert zwischen den beiden Gruppen während der dreimonatigen Studienphase. Die sekundären Endpunkte beinhalteten sogenannte patient reported outcomes zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität, welche alle online erfasst wurden: Atrial Fibrillation Effect on Quality of Life (AFEQT) and PROMIS Global Health sowie die Zeit in VHF/atrialer Tachykardie dokumentiert im 7-Tage-Langzeit-EKG.

Resultate
Die Baseline-Charakteristika waren zwischen den beiden Gruppen ausgeglichen. Das mittlere Alter betrug 60.6 (8.7) Jahre in der Trainingsgruppen und 61.5 (8.7) Jahre in der usual care-Gruppe, 42 bzw. 40 % der Patienten waren weiblich und 55 % jeweils hatten paroxysmales VHF. Die linksventrikuläre Ejektionsfraktion lag bei 58.0 (7.3) vs. 57.5 (7.8) %.

Der primäre Endpunkt (AF6 Summenwert während der dreimonatigen Studienphase) betrug 8.9 (6.9) Punkte in der Trainings- und 12.5 (10.1) in der usual care-Gruppe (P = 0.011). Der mediane Unterschied im globalen Score des AFEQT nach drei Monaten im Vergleich zum Ausgangswert lag bei 18 (Interquartilsabstand (IQR) 12 bis 35) in der Trainings- und 11 (IQR 2 bis 32) in der usual care-group (P = .026). Diese Verbesserung war vor allem durch einen ausgeprägteren Anstieg im täglichen Aktivitätslevel zurückzuführen (Tabelle 1). Beim PROMIS Global Health kam es lediglich in der Trainingsgruppe zu einer signifikanten Verbesserung in den beiden Domänen, mentale und physische Gesundheit.

Im 7-Tage-Holter nach drei Monaten wurde bei 10 (16.9 %) Patient*innen in der Trainings- und 11 (14.3 %) Patient*innen in der usual care-Gruppe VHF bzw. eine atrial Tachykardie dokumentiert (P = 0.67). Allerdings berichteten während der Aufzeichnungsphase jeweils 25 (35.7 %) bzw. 35 (53.8 %) der Patient*innen in den beiden Gruppen jeweils über Herzrhythmus-bezogene Symptome (P = 0.034).

  Mental Training (n= 70) Usual Care (n=67)  
AFEQT,

median (IQR)a

 

Baseline

 

 

3 Monate

 

 

Delta

 

Baseline

 

 

3 Monate

 

 

Delta

Inter-gruppen Delta

 P Wert

Globaler Score 50 (40; 59) 75 (63; 83)*  18 (12; 35) 50 (41; 63) 72 (54; 86)* 11 (2; 32) 0.026
Symptome 54 (42; 67) 83 (58; 96)*     19 (8; 33) 58 (46; 71) 83 (58; 96)* 17 (0; 42) 0.453
Tägliche Aktivität 47 (37; 67) 75 (63; 83)*   23 (12; 44) 46 (33; 73) 68 (54; 86)*  12 (-2; 42) 0.030
Treatment concern 54 (39; 69) 75 (70; 89)* 22 (6; 34) 58 (44; 72) 75 (64; 89)* 14 (0; 25) 0.066
PROMIS Global   Health 10,       median (IQR)b Mental Training (n= 71) Usual Care (n=66)  
 Physische 42 (40; 45) 48 (45; 51)* 5 (0; 8)  44 (40; 51) 45 (40; 51)** 0 (-3; 5) <0.0001
 Mentale Gesundheit 44 (39; 48) 48 (44; 51)* 3 (0; 6) 46 (41; 51) 46 (41; 51)** 0 (-3; 5) 0.033

Tabelle 1: Sekundäre Endpunkte: Atrial Fibrillation Effect on Quality of Life (AFEQT) Globaler Score und Subdomänen Scores sowie PROMIS Global Health 10

Konklusion
In MENTAL AF konnte gezeigt werden, dass durch eine App-basierte Mind & Body Intervention als adjunktive Behandlungsmethode die Gesundheits-bezogene Lebensqualität verbessert werden konnte trotz vergleichbarer Arrhythmie-Last im 7-Tage-Holter in den beiden Gruppen. Die Ergebnisse legen nahe, dass das mentale Training seine Effekte vor allem durch eine Veränderung der Symptomperzeption und des Krankheitscopings entfalten.

 Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit fast 11.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org