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In der Allgemeinbevölkerung ist eine geringe körperliche Leistungsfähigkeit mit einer hohen systemischen Inflammation assoziiert

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Kristen Lehnert, Universitätsklinikum Greifswald

Hintergrund der Studie

Chronische systemische Entzündungen sind charakterisiert durch eine Freisetzung entzündungsfördernder Substanzen von Zellen des Immunsystems und einer dauerhaften Aktivierung des angeborenen Immunsystems. In über 20 Kohortenstudien konnte die Bedeutung des Entzündungszustands (gemessen mit dem Biomarker hochsensitives CRP [hs-CRP]) für die Vorhersage der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall gezeigt werden.

Demnach ist bereits eine niedrige Entzündungsreaktion unterhalb der Grenzwerte, wie sie bei klinisch manifesten Entzündungen gesehen werden, ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Körperliche Bewegung hat gefäß- und herzschützende Effekte. Wie diese Effekte vermittelt werden ist jedoch nicht vollständig geklärt. Antientzündliche Stoffwechselveränderungen könnten hierbei eine wichtige Rolle spielen. Verschiedene Studien haben bereits zeigen können, dass bei Probanden mit einer hohen körperlichen Leistungsfähigkeit der Entzündungsmarker hs-CRP niedriger ist als bei weniger fitten Personen. Die Zusammenhänge mit anderen Entzündungsmarkern sind noch unzureichend erforscht.

Ziel der Untersuchung

Wir haben den Zusammenhang zwischen Parametern der körperlichen Leistungsfähigkeit (z.B. maximale Sauerstoffaufnahme in der Fahrradbelastungsuntersuchung) und dem Laborentzündungswert hs-CRP sowie Untergruppen der weißen Blutkörperchen und verschiedenen anderen Biomarkern, die eine Rolle in Entzündungsprozessen spielen, untersucht. Die Biomarker umfassen Mitglieder der Tumor Nekrose Faktor(TNF)-Superfamilie, Interferone, Botenstoffe regulatorischer T-Zellen und besondere Enzyme.

Zufällig ausgewählte Einwohner Mecklenburg-Vorpommerns umfassend untersucht

Für diese Untersuchungen wurden Daten aus einer populationsbasierten Kohortenstudie in Mecklenburg-Vorpommern, der Study of Health in Pomerania (SHIP), verwendet. Zu dieser Studie wurden zufällig ausgewählte Einwohner Mecklenburg-Vorpommerns zu einem sehr umfänglichen Untersuchungsprogramm eingeladen. Die Untersuchungen fanden im Zeitraum von 2008 bis 2012 statt. Nach Ausschluss von Probanden mit bekannten Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und eingeschränkter Pumpleistung des Herzens sowie chronischen Entzündungsprozessen, wurden 1481 Probanden im Alter von 20 bis 81 Jahren in die Analyse eingeschlossen, wovon 51 % männlich waren.

Die körperliche Leistungsfähigkeit wurde mittels einer standardisierten Fahrradbelastungsuntersuchung mit Atemgasmessung im Herz-Kreislauf-Untersuchungszentrum der Universitätsmedizin Greifswald bestimmt und die Laborwerte nach standardisierten Messverfahren im Institut für Klinische Chemie der Universitätsmedizin Greifswald gemessen. Für einen Teil der Probanden wurde ein Biomarker-Panel mit einer Vielzahl an inflammatorischen Biomarkern durchgeführt.

Probanden mit fehlenden Messwerten, antirheumatisch/antientzündlicher Medikation sowie bekannten chronisch entzündlichen Erkrankungen, schwerer Nierenschwäche oder Krebserkrankungen wurden ausgeschlossen.

Die Daten wurden mittels des statistischen Verfahrens der multiplen Regression untersucht und für Alter, Geschlecht, Rauchstatus und Parametern zur Körperzusammensetzung aus der Bioimpedanzanalyse adjustiert, um die Zusammenhänge zwischen Parametern der körperlichen Leistungsfähigkeit und hs-CRP, weißen Blutzellen und den verschiedenen Botenstoffen für Entzündungen zu analysieren.

Anstieg der Sauerstoffaufnahme korreliert mit niedrigen Entzündungswerten

Ein Anstieg der maximalen Sauerstoffaufnahme um 100 ml war signifikant mit um 4,5 % niedrigeren hs-CRP-Werten und einer um 1 % niedrigeren Zahl der weißen Blutkörperchen assoziiert (siehe Abbildung 1 für Regressionskoeffizienten).

Körperlich leistungsfähigere Studienteilnehmer hatten weniger Monozyten, neutrophile Granulozyten und Lymphozyten. Basophile und eosinophile Granulozyten waren hingegen nicht mit der körperlichen Leistungsfähigkeit assoziiert.

Die Ergebnisse bezüglich anderer Parameter der Belastungsuntersuchung (Sauerstoffaufnahme an der anaeroben Schwelle, maximaler Sauerstoffpuls und maximal erreichte Wattleistung) zeigten ähnliche Assoziationen mit den hs-CRP-Werten.

Die Subgruppenanalyse mit dem Biomarker-Panel zeigte eine inverse Assoziation der körperlichen Leistungsfähigkeit mit dem B-Zell Aktivierungsfaktor/Tumor Nekrose Faktor Liganden Superfamilienmitglied 13B (BAFF/TNFSF13B), löslicher Tumor Nekrose Faktor Rezeptor 1 (sTNF-R1) und 2 (sTNF-R2). Eine hohe Leistungsfähigkeit war mit einer höheren Konzentration von dem TNF-related weak inducer of apoptosis/ TNF Superfamilienmitglied 12 (TWEAK/TNFSF12) und Thymic Stromal Lymphopoietin (TSLP), einem IL-7 ähnlichen Zytokin assoziiert.

Bewegungsarmut führt zu höherer Inflammation

Wir konnten zeigen, dass eine höhere körperliche Leitungsfähigkeit mit weniger systemischer Inflammation assoziiert ist. Die Rolle von Faktoren und Botenstoffen im Rahmen einer Entzündungsreaktion sollte weiter untersucht werden. In Bezug auf Moleküle, die Teil der TNF-Familie sind, weisen unsere Ergebnisse in die gleiche Richtung wie Bewegungs-Interventionsstudien bei Patientengruppen, die zeigen konnten, dass vermehrte körperliche Aktivität mit einer Reduktion von sTNF-R1 und R2 einhergeht. Unsere Ergebnisse lassen zudem vermuten, dass die in der Bevölkerung weit verbreitete Bewegungsarmut zu einer geringen körperlichen Leistungsfähigkeit und gleichzeitig zu einer höheren Inflammation führt und damit eine wichtige Komponente darstellt, die zur Entstehung vieler chronischer metabolischer Erkrankungen beiträgt.