Grafenberger Allee 100
40237 Düsseldorf
Tel.: + 49 211 600692-0
Fax: + 49 211 600692-10
info@dgk.org

fSENC-MRT –Analyse der myokardialen Deformation bei Patienten mit akutem Thoraxschmerz

Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial

Deborah Siry, Universitätsklinikum Heidelberg

Einleitung

Gemäß Leitlinie beruht die Diagnose des akuten Koronarsyndroms (ACS) auf klinischer Symptomatik, EKG sowie der seriellen Bestimmung von Biomarkern wie dem hochsensitiven Troponin T (hsTnT).(Roffi et al., 2016)) Laut aktueller Leitlinie ist es auch möglich, innerhalb einer Stunde ein Rule-In/-Out eines ACS zu treffen. (Reichlin et al., 2012) Allerdings können nach einer Stunde nicht alle Patienten sicher diagnostisch abgeklärt werden. 15 % werden der sogenannten „Observationszone“ zugeteilt und benötigen weitere diagnostische Tests. Davon handelt es sich bei einem Drittel letzten Endes um einen NSTEMI.(Nestelberger et al., 2016; Twerenbold et al., 2018)

Mittels fSENC-MRT (fast Strain-Encoded Imaging) ist es möglich, den myokardialen Strain (fraktionelle Längenänderung der Myokardfibrillen zwischen Endsystole und Enddiastole) sehr genau zu erfassen. Es können sowohl regionale als auch der globale longitudinale und circumferentielle Strain (GLS/ GCS) gemessen werden.(Osman et al., 2001)

Ein großer Vorteil von fSENC ist ihre schnelle Aufnahmezeit. Es ist möglich, innerhalb eines einzigen Herzschlags Aufnahmen des gesamten Herzzyklus zu generieren. Weiterhin werden keine Medikamente oder Kontrastmittel, keine längeren Atemanhaltemanöver und kein aufwändiges post-processing benötigt.(Pan et al., 2006) Bisher wurde fSENC noch nicht im akuten Setting getestet.

Fragestellung

Ziel dieser prospektiven Studie war die Evaluierung von fSENC bei Patienten mit akutem Thoraxschmerz, die sich in der CPU vorstellten bezüglich eines korrektes Rule-In/ -Out einer ischämischen Ursache.  Es sollte hierbei eine Triage der Patienten durchgeführt werden. Dabei sollte entweder eine akute ischämische Ursache ausgeschlossen oder eine ischämische Ursache des Thoraxschmerzes identifiziert werden. Darüber hinaus sollten noch die Patienten identifiziert werden, die zwar kein Anhalt auf eine Ischämie zeigten, jedoch eine andere kardiale Pathologie aufwiesen (Abbildung 1).

Weiterhin wurden innerhalb des Rule-In Kollektivs die betroffenen Koronararterien anhand von regionalen Wandbewegungsstörungen (Koronarterritorien) identifiziert. Eine zusätzliche Besonderheit dieser Studie war die Anwendung eines Hyperventilationsmanövers als nicht-invasivem Stress-Test. Es konnte bereits gezeigt werden, dass mittels dieses Atemmanövers eine stärkere Vasodilatation bzw. Oxygenierungszunahme erzielt werden kann als mit der intravenösen Gabe von Adenosin. Die Hyperventilation führt physiologisch zur Vasokonstriktion, während das Atemanhalten zu einer maximalen Vasodilatation führt. In stenosierten Arealen kommt es allerdings nicht zur Vasodilatation. Aufgrund des sogenannten „steal-Effekts“ über die anderen vasodilatierten Koronararterien kommt es sogar zu einer Abnahme der myokardialen Sauerstoffsättigung im stenosierten Koronarstromgebiet. (Fischer et al., 2016; Roubille et al., 2017) Somit wäre ein Ischämienachweis auch ohne Gabe von Medikamenten oder Kontrastmittel möglich. Die Kombination aus Atemmanöver und Strain-Imaging sollte hinsichtlich ihrer diagnostischen Aussagekraft untersucht werden.

Methoden

Im Rahmen dieser Studie wurden Patienten, die sich in der Chest pain unit der Universitätsklinik Heidelberg mit Thoraxschmerz vorstellten und einen kontrollbedürftigen hsTnT-Wert (5-52 pg/ml) aufwiesen, rekrutiert. Das fSENC-MRT erfolgte vor der zweiten hscTnT-Messung. Das Protokoll beinhaltete die Analyse des GCS, GLS in Ruhe. (Abbildung 2) Zusätzlich dazu wurde eine dynamische Aufnahme bei Belastung mittels Atemmanöver nach folgendem Schema generiert: (Abbildung 3) Die Patienten wurden dazu aufgefordert, eine Minute lang zu hyperventilieren und daraufhin kurz die Luft anzuhalten. Während des Atemanhaltens wurden die Aufnahmen generiert. Die Rohbilder wurden in einem farblich kodierten Schema wiedergegeben, wobei blau normal kontrahierendes Myokard darstellt. Grün repräsentiert leicht reduzierte myokardiale Deformation und gelb stellt sogenannte „dysfunktionale Segmente“ dar (Strain > -10), also Segmente mit stark reduzierter myokardialer Deformation. (Abbildung 4 und 5) Ausschlaggebend für die Analyse war die visuelle Interpretation der fSENC Maps. Weiterhin erfolgte eine Quantifizierung der myokardialen Deformation anhand der GCS und GLS sowie der Anzahl dysfunktionaler Segmente.

Ergebnisse

108 Patienten wurden in diese Studie eingeschlossen: 58 männlich und 50 weiblich (Alter: 57 ±17). Nach Abgleich mit dem Referenzstandard (serielle hsTnT-Messungen und ggf. Koronarangiographie-Befund) konnte die Ursache des Thoraxschmerzes bei 17 Patienten korrekt anhand von fSENC in Kombination mit der Hyperventilation als „ischämisch bedingt“ gewertet werden. Bei 86 Patienten wurde ein akutes ischämisches Geschehen mittels fSENC und Hyperventilation ausgeschlossen. Dies stimmte mit den Ergebnissen des Referenzstandards überein. Insgesamt sind fünf falsch-positive Ergebnisse zu vermerken. (Tabelle 1)

Insbesondere innerhalb der „Observationszone“ brachte fSENC zusätzlich zu serieller hsTnT-Messung einen hohen Informationsgewinn. (Diagramm 1 und 2) 20 Patienten wurden mittels hsTnT nach 1h der „Observationszone“ zugeteilt. Bei 10 dieser Patienten wurde eine Koronarangiographie durchgeführt, die in sieben Fällen ein oder mehrere signifikante Koronarstenosen aufzeigte. Demzufolge wurden 13 Patienten, die initial der „Observationszone“ zugeteilt wurden, für ein ischämisches Geschehen ausgeschlossen, davon wurde bei dreien eine Koronarangiographie durchgeführt. Im Vergleich dazu wurden alle 20 Patienten mittels fSENC + Hyperventilation korrekt der Rule-In oder Rule-Out Kohorte zugeteilt.

Insgesamt konnten darüber hinaus 14 Patienten der „kardial, nicht-ischämischen Kohorte“ zugeteilt werden. Sie wiesen global beeinträchtigte myokardiale Deformation auf, welche sich keinem spezifischen Koronarstromgebiet zuordnen ließ. Nach Abgleich mit den Cine-Bildern oder Echokardiographie-Befunden konnte bei allen 14 Patienten eine nicht-ischämische kardiale Pathologie (Hypertrophie/ Dilatation/ HCM/ DCM oder Myokarditis) festgestellt werden. Von diesen 14 Patienten, wurden mittels des 0/1h-hsTnT Algorithmus zwei Patienten der „Rule-In-Kohorte“, drei der „Observationszone“ und neun der „Rule-Out“-Gruppe zugeteilt.

Innerhalb des Rule-In Kollektivs sollte zudem die zugrundeliegende Culprit Lesion hervorgesagt werden. Die Ergebnisse wurden mit Koronarangiographie-Befunden und der Intervention verglichen. Es konnte hierbei eine moderate Übereinstimmung (Kohen’s Cappa 0,487) registriert werden. (Diagramm 3)

Das Hyperventilationsmanöver hat die diagnostische Aussagekraft der fSENC-Aufnahmen in Ruhe nochmals gesteigert. Nach einer Subgruppen-Analyse unter Ausschluss der Stress-Aufnahmen, konnte eine signifikante Überlegenheit der Trefferrate bei Kombination von Ruhe- und Stress-Aufnahmen nachgewiesen werden (p<0,02). (Diagramm 4)

Weiterhin zeigte sich in den ROC Kurven für GCS und GLS zur Unterscheidung zwischen ischämisch vs. nicht-ischämisch eine hohe AUC (area under the curve). (Diagramm 5)

AUC GCS: 0,84 (95% CI: 0,74-0,94)     AUC GLS: 0,82 (95% CI: 0,72-0,93)

Sowohl der GCS als auch der GLS wiesen eine hohe Signifikanz bei der Triage der Patienten auf (0: nicht kardial/ 1: ischämisch/ 2: kardial, nicht-ischämisch).

Auch die Anzahl dysfunktionaler Segmente war ein wichtiger Marker zur Differenzierung der drei Patientengruppen.

Diskussion

Insgesamt weisen diese Ergebnisse auf eine hohe diagnostische Aussagekraft von fSENC als nicht-invasive Methode hin. Es erlaubt eine sichere Triage von Patienten, die sich mit Thoraxschmerzen in der CPU vorstellen. Die zusätzliche Durchführung des Hyperventilationsmanövers kann die Testsignifikanz sogar noch erhöhen. Insbesondere innerhalb der „Observationszone“ könnte fSENC von erheblichem Nutzen sein. Zudem können einige Patienten mit zugrundeliegender Ischämie innerhalb der „Observationszone“ mittels fSENC herausgefiltert werden und die „time-to-diagnosis“ somit deutlich gekürzt werden.   Bei Patienten mit ischämischem Geschehen bietet fSENC zusätzliche Informationen zu den möglichen betroffenen Koronararterien, was bei einer anschließenden Koronarangiographie von Vorteil ist. Weiterhin können mithilfe von fSENC kardiale, nicht-ischämische Pathologien identifiziert werden. fSENC ist im akuten Setting sicher anwendbar. Das Verfahren ist insgesamt rapide, benutzerfreundlich, nicht-invasiv und erlaubt eine objektive Quantifizierung von Wandbewegungsstörungen. Es könnte als zusätzliches diagnostisches Tool im diagnostischen Work-Up von Patienten mit Thoraxschmerz dienen.

 

Literatur

Fischer, K., Guensch, D. P., Shie, N., Lebel, J. and Friedrich, M. G. (2016). Breathing Maneuvers as a Vasoactive Stimulus for Detecting Inducible Myocardial Ischemia – An Experimental Cardiovascular Magnetic Resonance Study. PLoS One 11, e0164524, doi: 10.1371/journal.pone.0164524.

Nestelberger, T., Wildi, K., Boeddinghaus, J., Twerenbold, R., Reichlin, T., Gimenez, M. R., Puelacher, C., Jaeger, C., Grimm, K., Sabti, Z., Hillinger, P., Kozhuharov, N., du Fay de Lavallaz, J., Pinck, F., Lopez, B., Salgado, E., Miro, O., Bingisser, R., Lohrmann, J., Osswald, S. and Mueller, C. (2016). Characterization of the observe zone of the ESC 2015 high-sensitivity cardiac troponin 0h/1h-algorithm for the early diagnosis of acute myocardial infarction. Int J Cardiol 207, 238-245, doi: 10.1016/j.ijcard.2016.01.112.

Osman, N. F., Sampath, S., Atalar, E. and Prince, J. L. (2001). Imaging longitudinal cardiac strain on short-axis images using strain-encoded MRI. Magn Reson Med 46, 324-334.

Pan, L., Stuber, M., Kraitchman, D. L., Fritzges, D. L., Gilson, W. D. and Osman, N. F. (2006). Real-time imaging of regional myocardial function using fast-SENC. Magn Reson Med 55, 386-395, doi: 10.1002/mrm.20770.

Reichlin, T., Schindler, C., Drexler, B., Twerenbold, R., Reiter, M., Zellweger, C., Moehring, B., Ziller, R., Hoeller, R., Rubini Gimenez, M., Haaf, P., Potocki, M., Wildi, K., Balmelli, C., Freese, M., Stelzig, C., Freidank, H., Osswald, S. and Mueller, C. (2012). One-hour rule-out and rule-in of acute myocardial infarction using high-sensitivity cardiac troponin T. Arch Intern Med 172, 1211-1218, doi: 10.1001/archinternmed.2012.3698.

Roffi, M., Patrono, C., Collet, J. P., Mueller, C., Valgimigli, M., Andreotti, F., Bax, J. J., Borger, M. A., Brotons, C., Chew, D. P., Gencer, B., Hasenfuss, G., Kjeldsen, K., Lancellotti, P., Landmesser, U., Mehilli, J., Mukherjee, D., Storey, R. F., Windecker, S. and Group, E. S. C. S. D. (2016). 2015 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation: Task Force for the Management of Acute Coronary Syndromes in Patients Presenting without Persistent ST-Segment Elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 37, 267-315, doi: 10.1093/eurheartj/ehv320.

Roubille, F., Fischer, K., Guensch, D. P., Tardif, J. C. and Friedrich, M. G. (2017). Impact of hyperventilation and apnea on myocardial oxygenation in patients with obstructive sleep apnea – An oxygenation-sensitive CMR study. J Cardiol 69, 489-494, doi: 10.1016/j.jjcc.2016.03.011.

Twerenbold, R., Boeddinghaus, J. and C., M. (2018). Update on high-sensitivity cardiac troponin in patients with suspected myocardial infarction. Eur Heart J, doi: 10.1093/eurheartj/suy020.