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Stereotaktische Strahlentherapie bietet neue Behandlungsoption für Patient:innen mit austherapierten ventrikulären Tachykardien – Zwischenergebnisse der deutschen multi-zentrischen RAVENTA-Studie

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PD Dr. David Krug, Kiel

Hintergrund

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind eine der häufigsten Todesursachen in Europa. Für Patient:innen mit strukturellen Herzerkrankungen spielen Herzrhythmusstörungen im Bereich der Herzkammern (sog, ventrikuläre Tachykardien = VT) eine entscheidende Rolle für den plötzlichen Herztod. Die bisherigen Behandlungen bei VT beinhalten antiarrhythmische Medikamente, die Implantation eines Herzschrittmachers mit Fähigkeit zur Schockabgabe (sog. Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator = ICD) zur Beendigung der Herzrhythmusstörung sowie die Verödung der (teil)vernarbten Herzmuskelareale über spezielle Katheter, die über die Gefäße bis zum Herzen vorgeschoben werden (sog. Katheterablation) [1]. Trotz dieser Verfahren kommt es bei 20 bis 50 Prozent der Patient:innen zu lebensbedrohlichen wiederholten VT und Schockabgaben des ICD mit z.T. stark beeinträchtigenden Krankenhausaufenthalten. Eine erneute Katheterablation ist jedoch nicht in jedem Fall möglich: Patient:innen können aufgrund der schwer eingeschränkten Herzfunktion nicht in der Lage sein, einen mehrere Stunden dauernden (minimal-)invasiven Eingriff über sich ergehen zu lassen. Auch ist das arrhythmogene Areal im linken Ventrikel (VT-Substrat) für eine Katheterablation nicht in jedem Fall zugänglich, z.B. bei tief im Herzmuskel liegenden Lokalisationen oder in der Nähe von Koronararterien. Für Patient:innen mit refraktären VT ohne andere Interventionsmöglichkeiten ist die (kardiale) stereotaktische Strahlentherapie (engl. Stereotactic Arrhythmia Radioablation = STAR), die in der klinischen Routine häufig zur Behandlung von Krebstumoren und funktionellen Erkrankungen in ganzen Körper eingesetzt wird, nun eine neue vielversprechende Therapieoption [2].

Stereotactic Arrhythmia Radioablation

STAR-Behandlungen basieren auf einem komplexen, interdisziplinären Zusammenspiel verschiedener diagnostischer Verfahren und Methoden der Qualitätssicherung [3]. Zunächst findet eine Vorplanung statt, bei der ein Elektrophysiologe das entsprechende VT-Substrat auf der Grundlage eines elektroanatomischen Mappings (EAM), z.B. aus früheren Katheterablationen oder aus speziellen nicht-invasiven EAM-Systemen, und anatomischer Narbenbildgebung, z.B. durch kontrast-mittelverstärkte CT, MRT und/oder PET, lokalisiert. Das VT-Substrat (Zielvolumen) muss dann von den Radioonkologen für die strahlentherapeutische Behandlungsplanung auf das Planungs-CT übertragen werden und neue Methoden hierfür wurden ebenfalls auf der DGK Jahrestagung vorgestellt [4]. Die anschließende Bestrahlungsplanung durch Medizinphysik-Experten erfolgt in der Regel mit einer Verschreibungsdosis von 25 Gy unter Schonung benachbarter extra- und intrakardialer Risikoorgane und -strukturen wie Lunge, Magen, Speise- und Luftröhre, Koronararterien und Herzklappen [5]. Abschließend wird die Dosisapplikation unter Berücksichtigung der Atem- und Kontraktionsbewegungen des Zielvolumens mittels bildgeführter Strahlentherapietechniken in einer einzigen Behandlungssitzung durchgeführt [6]. Über akute und späte strahlenbiologische Wirkungen der STAR-Behandlung ist derzeit nur wenig bekannt. Neuere präklinische und klinische Daten deuten darauf hin, dass Dosen von 20-25 Gy eine Hochregulation der Expression von membranständigen Ionenkanal-Proteinen (schneller Natriumkanaleinstrom) und Zellverbindungskomplexen (Connexine) bewirken. Hierdurch kommt es zu einer Beschleunigung der myokardialen Erregungsausbreitung, sodass Zonen langsamer Leitung als notwendiger Bestandteil von Reentry-Kreisläufen, die VT auslösen können, gezielt behoben werden [7]. Höhere Dosen (> 30 Gy) bewirken scheinbar eine Narbenbildung bzw. homogenisieren vorbestehende Infarktnarben, die Grundlage der Herzrhythmusstörungen sind [8].

Klinische Daten und Studien

Die erste prospektive klinische Studie aus den USA (ENCORE-VT) untersuchte an 19 Patient:innen die frühe Machbarkeit, Sicherheit und Wirksamkeit der neuen Behandlung. Es wurden nur wenige schwerwiegende akute, eindeutig auf die Behandlung zurückzuführende Nebenwirkungen beobachtet. Die Ein-Jahres-Überlebensrate war vergleichbar mit Patientengruppen, die noch Interventionsmöglichkeiten gehabt hätten, und die STAR-Behandlung ging mit einer Verbesserung der Lebensqualität und mit einer mehr als 75%igen Verringerung der VT-Last einher [9]. In Deutschland wurde der erste STAR-Patient 2018 in Kiel behandelt [10] und die weltweit erste multizentrische Studie zur „RAdiochirurgie für VENtrikuläre TAchykardien“ (RAVENTA, NCT03867747) wird derzeit in Deutschland an sieben universitären Zentren in Kiel, Lübeck, Mannheim, Berlin, München, Hannover und Dresden durchgeführt [11]. Primärer Endpunkt der RAVENTA-Studie ist die Durchführbarkeit und Sicherheit des Verfahrens mit einer geplanten Inzidenz ≤ 5% von schweren (Grad ≥ 3) behandlungsbedingten Nebenwirkungen innerhalb 30 Tage nach Therapie zu zeigen. Auf der 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) wurde nun eine Zwischenanalyse für 10 der 20 geplanten Patient:innen präsentiert. Zwischen 10/2019 und 10/2022 konnten an vier Behandlungszentren insgesamt zehn Patient:innen in die RAVENTA-Studie eingeschlossen werden. Die STAR-Behandlung wurde bei allen Patient:innen komplikationslos durchgeführt. Akute (≤ 30 Tage) und späte (>30 Tage bis ein Jahr nach Therapie) schwere (Grad ≥ 3) therapieassoziierte Nebenwirkungen traten bislang nicht auf. Beim überwiegenden Teil der Patient:innen kam es zu einer deutlichen Reduktion der VT-Ereignisse und ICD-Interventionen. Bei 7/10 (70%) der Patient:innen konnte eine anhaltende VT-Freiheit bis zur letzten Nachsorge erzielt werden.

Zusammenfassung

Die kardiale stereotaktische Strahlentherapie (engl. STAR) hat sich in ersten monozentrischen Fallserien als vielversprechende Behandlungsoption für therapierefraktäre ventrikuläre Tachykardien (VT) erwiesen. Die deutsche RAVENTA-Studie ist die weltweit erste multizentrische Studie zur STAR-Behandlung von therapierefraktären VT ohne weitere Behandlungsoption. In der aktuellen Zwischenauswertung zeigten sich weiterhin keine schweren therapieassoziierten Nebenwirkungen. Die Mehrheit der behandelten Patient:innen profitierte von der neuen Behandlung mit einer deutlichen Reduktion der VT-Last. Weitere Daten aus prospektiven klinischen Studien können mit Spannung erwartet werden.

Literatur

[1] Zeppenfeld K, et al. 2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death. Eur Heart J. 2022;43(40):3997-4126.

[2] Grehn M, et al. STereotactic Arrhythmia Radioablation (STAR): The Standardised Treatment and Outcome Platform for Stereotactic Therapy Of Re-entrant Tachycardia by a Multidisciplinary Consortium (STOPSTORM.eu) and Review of Current Patterns of STAR Practice in Europe. Europace. 2023. In Press.

[3] Krug D, et al. Recommendations regarding cardiac stereotactic body radiotherapy for treatment refractory ventricular tachycardia. Heart Rhythm. 2021;18(12):2137-2145.

[4] Hohmann S, et al. Zielübertragung vom elektroanatomischen Mapping auf Strahlentherapie-Planungssysteme für die kardiale Radioablation – Kreuzvalidierung zweier Ansätze für die RAVENTA-Studie. DGK Jahrestagung. 2023.

[5] Kluge A, et al. Treatment Planning for Cardiac Radioablation: Multicenter Multiplatform Benchmarking for the RAdiosurgery for VENtricular TAchycardia (RAVENTA) Trial. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2022;114(2):360-72.

[6] Lydiard S, et al. A Review of Cardiac Radioablation (CR) for Arrhythmias: Procedures, Technology, and Future Opportunities. Int J Radiation Oncol Biol Phys. 2020;109(3):783-800.

[7] Zhang DM, et al. Cardiac radiotherapy induces electrical conduction reprogramming in the absence of transmural fibrosis. Nat Commun. 2021;12:5558.

[8] Kim JS, et al. Impact of High-Dose Irradiation on Human iPSC-Derived Cardiomyocytes Using Multi-Electrode Arrays: Implications for the Antiarrhythmic Effects of Cardiac Radioablation. Int J Mol Sci. 2021;23(1):351.

[9] Robinson CG, et al. Phase I/II Trial of Electrophysiology-Guided Noninvasive Cardiac Radioablation for Ventricular Tachycardia. Circulation. 2019;139(3):313-21.

[10] Krug D, et al. Stereotactic body radiotherapy for ventricular tachycardia (cardiac radiosurgery): First-in-patient treatment in Germany. Strahlenther Onkol. 2020;196(1):23-30.

[11] Blanck O, et al. Radiosurgery for ventricular tachycardia: preclinical and clinical evidence and study design for a German multi-center multi-platform feasibility trial (RAVENTA). Clin Res Cardiol. 2020;109(11):1319-1332.

 Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 12.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen, die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org