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Herzinsuffizienz-Epidemie – Mechanismen erforschen, Herzen heilen

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Zusammenfassung des Vortrags von Prof. Dr. Lars Maier, Regensburg, Tagungspräsident der 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V.

Die Herzinsuffizienz (oder Herzschwäche) ist die gemeinsame Endstrecke mehrerer Erkrankungen wie Koronare Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes aber auch Herzklappenerkrankungen oder Herzrhythmusstörungen. Dabei ist die Herzinsuffizienz eine der schwersten und tödlichsten Herzerkrankungen, die wir kennen. Die Überlebenswahrscheinlichkeit beläuft sich auf nur 50 Prozent innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnosestellung und ähnelt hierdurch vielen Krebserkrankungen. Mit dem Begriff Epidemie oder auch Volkskrankheit wollen wir ausdrücken, wie breit die Herzinsuffizienz in der Bevölkerung vertreten ist. Sie ist die häufigste Einzeldiagnose für eine Klinikeinweisung in Deutschland – Tendenz steigend. Das liegt vor allen Dingen an zwei Entwicklungen: Zum einen werden kardiovaskuläre Erkrankungen wie der Herzinfarkt heutzutage dank der Fortschritte in der Medizin immer häufiger überlebt. Die Folgeschäden, die diese Erkrankungen hinterlassen, begünstigen jedoch die Entwicklung einer Herzinsuffizienz. Zum anderen spielt der demografischen Wandel eine große Rolle: Ab einem Alter von 65 Jahren steigt das Risiko erheblich, an einer Herzinsuffizienz zu erkranken. Mit einer steigenden Anzahl von Bevölkerungsmitgliedern, die dieses Alter erreichen, steigt auch die Zahl der Patient:innen, die an einer Herzinsuffizienz erkranken.

Erfreulicherweise können wir aber gleichzeitig feststellen, dass die Sterblichkeit auf Grund der modernen medikamentösen Therapie und den interventionellen Behandlungsmethoden, beispielsweise bei der Koronaren Herzerkrankung, in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist. Dieser Erfolg ist auch darauf zurückzuführen, dass wir in der Vergangenheit durch Erkenntnisse aus der Grundlagenwissenschaft und aus klinischen Studien viele krankmachenden Mechanismen des Herzens besser verstanden haben. Wir wissen zum Beispiel, dass eine hohe Herzfrequenz bei Herzinsuffizienz nicht dazu führt, dass sich das Herz besser zusammenziehen und so mehr Blut in den Kreislauf pumpen kann. Diese Erkenntnis hat in den 1990er Jahren dazu geführt, dass Beta-Blocker entwickelt wurden, die den Herzschlag verlangsamen und das Herz vor schädlichen Stresshormonen (u.a. Adrenalin) schützen. Mit rund 110 Millionen Verordnungen pro Jahr gehören ß-Blocker gemeinsam mit Hemmern des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems zu den am häufigsten verordneten Medikamenten in Deutschland (rund 2 Milliarden Euro pro Jahr).

Heute gehören sogenannte SGLT2-Hemmer (Natrium/Glucose-Cotransporter), die eigentlich speziell für die Therapie des Diabetes entwickelt wurden, zu den aktuellsten Hoffnungsträgern der Herzinsuffizienz. Sie verbessern die Prognose und die Häufigkeit von Krankenhauseinweisungen dramatisch bei allen Formen der Herzinsuffizienz. Nach neuesten Erkenntnissen wirken sie auch auf den Natriumhaushalt und in der Folge auf den Calciumhaushalt der Herzmuskelzellen, der für die Kontraktionskraft entscheidend ist.

Diese Mechanismen haben bereits in der Vergangenheit einen positiven Einfluss auf die Behandlung gehabt und zukünftige Erkenntnisse werden den Erfolg der Therapien noch weiter verbessern. Hierzu gehören möglicherweise Hemmer der an der Entstehung der Herzinsuffizienz beteiligten Calcium/Calmodulin-abhängigen Proteinkinase II (CaMKII) oder ganz aktuell auch ein gentherapeutischer Ansatz (CRISPR-Cas9), um die CaMKII-Aktivierung zu inhibieren (Lebek et al., Science 2023).

In klinischer Erprobung im Rahmen einer Phase II Studie ist darüber hinaus bereits ein höchst innovativer Ansatz aus der Arbeitsgruppe um Prof. Thomas Thum aus Hannover, bei dem die sogenannte micro-RNA 132 inhibiert wird, um die Herzfunktion nach Herzinfarkt direkt zu stärken (u.a. Foinquinos et al., Nat Commun, 2020).

Wir sehen aktuell zwei gegenläufige Trends: Zum einen wird die Behandlung von Herzinsuffizienz besser, zum anderen wird die Zahl der an Herzinsuffizienz leidenden Patient:innen in Zukunft deutlich zunehmen. Sicher ist, dass Herzinsuffizienz für die nächsten Jahre oder sogar Jahrzehnte die größte Herausforderung in der Kardiologie und weiterhin der Hauptgrund für die Aufnahme in deutschen Krankenhäusern bleiben wird.

Mir ist es wichtig zu betonen, dass wir diese Krankheit dabei nicht isoliert betrachten sollten, sondern auch als die Folgeerscheinung anderer Herzerkrankungen verstehen müssen. Wenn wir es schaffen, die Koronare Herzerkrankung, Bluthochdruck, und Diabetes besser in den Griff zu bekommen, hat das auch positive Auswirkungen darauf, wie häufig Menschen an Herzinsuffizienz erkranken. In den Griff bekommen meint dabei ausdrücklich nicht nur die Behandlung durch Medikation oder interventionelle Eingriffe. Regelmäßige sportliche Betätigung und bewusste Ernährung können beispielsweise Bluthochdruck und Diabetes vorbeugen und somit auch der Entwicklung einer Herzinsuffizienz. Eigenverantwortliche Prävention sollte von jedermann früh gelernt und gelebt und nicht unterschätzt werden.

Wenn wir es uns als Kardiologen zum Ziel machen, Herzen zu heilen, wie ich es im Motto des Kongresses formuliert habe, dann ist das für mich an einige wesentliche Bedingungen geknüpft. An erster Stelle steht hier das Wissensmanagement. Es ist unabdingbar, dass Ärztinnen und Ärzte eine sehr gute Aus- und Weiterbildung erhalten. Das ist in einer Welt, die sehr ökonomisch denkt, nicht immer einfach. Heute müssen oft viele Patient:innen in kurzer Zeit behandelt werden. Gleichzeitig sind wir massiv von Personalmangel betroffen, nicht nur mit Blick auf Ärzt:innen, sondern auch was das Pflegepersonal betrifft. Wir brauchen also neue Konzepte, um diesem Zustand entgegenzuwirken. Ein solcher Weg könnte meines Erachtens im Beruf der Physician Assistants liegen – ein neuer Studiengang mit praktischem Anteil, der eine Art Mittelweg zwischen Pflegekraft und Arzt darstellt. Solche Physician Assistants könnten unter Supervision bestimmte ärztliche Tätigkeiten übernehmen und für Grenzbereiche in der medizinischen Behandlung eingesetzt werden, beispielsweise in der Echokardiographie oder im Katheterlabor. Dadurch sollen sowohl Ärzt:innen als auch Pflegekräfte gleichermaßen entlastet werden. Das Berufsbild gibt es in anderen Ländern bereits und wir haben seit kurzem ein solches Programm in Ostbayern. Wir erwarten, dass der erste Jahrgang seine Ausbildung im nächsten Jahr abschließt. Dabei sprechen wir von aktuell rund 100 potenziellen Absolventen. Das könnte für unsere Region bereits eine große Entlastung mit sich bringen.

Für die Patient:innen bedeutet es wiederum, dass sie besser versorgt und sich wieder auch mehr auf menschlicher Ebene um sie gekümmert werden kann. Das ist ein Faktor, den wir nicht vernachlässigen dürfen. Wir reparieren in unserem Beruf nicht nur Organe – wenn wir den Menschen als Ganzes heilen wollen, heißt das auch, ihn in unserer Obhut so gut wie möglich zu versorgen. Wir werden es nicht schaffen, jedes Herz zu 100 Prozent wieder funktionstüchtig zu machen. Aber wir können dafür sorgen, dass am Herzen oder Kreislauf erkrankte Menschen im Alltag wieder allein zurechtkommen und mehr Lebensqualität erhalten.

 

Auf der diesjährigen Jahrestagung empfehle ich folgende Sitzungen:

Sitzung des Tagungspräsidenten – Mittwoch, 15:30 Uhr, Saal 4: Heart Failure „Epidemic“ in Europe

Sitzung des Tagungspräsidenten – Donnerstag, 8:00 Uhr, Saal 4: Rolle der SGLT2-Hemmer bei der Therapie der Herzinsuffizienz

Sitzung des Tagungspräsidenten – Donnerstag, 11:00 Uhr, Saal 5: Arrhythmie-induzierte Kardiomyopathie (AIC)

Sitzung des Tagungspräsidenten – Donnerstag, 16:00 Uhr, Saal 4: Leitlinie Herzinsuffizienz 2021: Wissen wir es heute besser?

Sitzung des Tagungspräsidenten – Freitag, 08:30 Uhr, Saal 5: Komorbiditäten bei Herzinsuffizienz (Mechanismen, Therapeutische Besonderheiten)

Sitzung des Tagungspräsidenten – Freitag, 14:30 Uhr, Saal 5: Structural remodelling and novel mechanisms in heart failure

Sitzung des Tagungspräsidenten – Samstag, 08:30 Uhr, Saal 5: Cell and tissue-based strategies to heal heart failure

sowie der

BENEFIZLAUF für herzkranke Kinder – Jeder Schritt zählt! – Mittwoch, 19:00 – 20:30 Uhr in der Sportanlage „Unterer Luisenpark“