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Infektiöse Endokarditis nach isoliertem Aortenklappenersatz: Vergleich zwischen katheterinterventionellem (TAVI) und operativem (AKE) Klappenersatz

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Isabelle Ried und Prof. Dr. Cornelia Piper, Bad Oeynhausen 

Einleitung
Die Prothesen-Endokarditis (PIE) stellt die prognostisch ungünstigste Komplikation nach jedwedem Aortenklappenersatz dar. Daten zu Risikofaktoren, Behandlungsstrategien und Outcome sind limitiert.

Methoden
Analysiert wurden alle Patient*innen (Pat.), die zwischen 01/2012 – 12/2018 einen primären isolierten Aortenklappenersatz mittels AKE (n = 3.447) oder TAVI (n = 2.269) im HDZ NRW erhalten hatten. Die Diagnose einer postoperativen PIE erfolgte anhand der 2015 modifizierten DUKE-Kriterien. Inzidenz, Risikofaktoren, pathogene Mikroorganismen, Einfluss von Komplikationen, Erregern und PIE-Therapie auf die Mortalität wurden analysiert und zwischen den beiden Therapiearmen verglichen.

Ergebnisse
In dem untersuchten Zeitraum erkrankten mit 37 von 3.447 Pat. nach AKE (4,9 Fälle / 100 Pat.jahre) im Vergleich zu 20 von 2.269 Pat. nach TAVI (2,4 Fälle / 100 Pat.jahre) nicht signifikant mehr Pat. nach AKE als nach TAVI an einer PIE (p = 0,49).  Obwohl TAVI-Pat. signifikant älter (mittleres Alter: 80 Jahre vs. 67 Jahre) und multimorbider (mittlerer STS-Score: 5,9 vs. 1,6) waren (p < 0,001), hatten sie kein signifikant höheres Risiko eine PIE zu entwickeln.
Im Gesamtkollektiv erfolgte mit 12,9 % (293/2269) nach TAVI gegenüber 5,6 % (194 /3447) nach AKE signifikant häufiger eine postprozedurale Schrittmacherimplantation (PM) (p<0,001). Von den 9 Pat. mit PIE nach PM war nur einer nach TAVI aber 8 nach AKE (5 % vs. 21,6 %) betroffen (p=0,14). Eine PM war nur nach AKE ein unabhängiger PIE-Risikofaktor (OR 4,98; p<0,001). TAVI-Prothesen mit Polymeranteilen zeigten ein 4,3-fach höheres PIE-Risiko als TAVI-Prothesen ohne Polymeranteile (HR 4,3; p = 0,004). Häufigste Erreger waren Staphylokokken (AKE-PIE: 35 %, TAVI-PIE: 50 %) gefolgt von Enterkokken (AKE-PIE: 30 %, TAVI-PIE 40 %). In beiden Therapiegruppen war eine Staphylokokken-PIE mit einer 5-fach höheren Sterblichkeit (HR 5,3; p = 0,001), ein septischer Krankheitsverlauf oder ein Organversagen mit einem 3- bis 4-fach höheren Mortalitätsrisiko assoziiert.
Die rein antibiotische Therapie führte bei TAVI-PIE-Pat. gegenüber der zusätzlichen operativen zu einem signifikant besseren 1-Jahres-Überleben und einer signifikant längeren Überlebenszeit. Bei AKE-PIE-Pat. hingegen war das 1-Jahres-Überleben nach Operation im Vergleich zur rein medikamentösen Behandlung nicht signifikant unterschiedlich, aber die Überlebenszeit ab dem Zeitpunkt der PIE-Diagnose war nach Operation im Mittel 20 Monate länger (Abb. 1, Tab. 1).

Wurde bei AKE-PIE trotz leitlinienkonformer Indikation die operative Therapie nicht durchgeführt, hatten diese Pat. ein signifikant schlechteres 1-Jahres-Überleben als leitliniengerecht nur medikamentös behandelte AKE-PIE-Patient*innen. Andererseits war das Überleben von nicht leitliniengerecht nur medikamentös therapierten TAVI-PIE-Pat. besser (Tab. 1).

37 AKE-PIE-Pat. n Hospital-sterblichkeit

(n)

1-Jahres-Überleben (%) Mittleres Überleben nach PIE
(Mon)
p

(log-rank)

AKE-PIEoperativ 21 6 † 75,1 57 ± 9 0,861
AKE-PIEmedikamentös 16 2 † 80,8 40 ± 6
ESC-leitlinienkonform 11 0 † 100 49 ± 0 0,004
nicht ESC-leitlinienkonform3), da keine Operation erfolgte 5 2 † 40 18 ± 9
20 TAVI-PIE-Pat. n Hospital-sterblichkeit

(n)

1-Jahres-Überleben (%) Mittleres Überleben nach PIE (Mon) p

(log-rank)

TAVI-PIEoperativ 9 4 † 33,3 9 ± 3 0,005
davon TAVI mit Polymer Typ 11) 6 3 †    
davon TAVI mit Polymer Typ 22) 1 1†    
TAVI-PIEmedikamentös 11 1 † 90,9 36 ± 5
davon  TAVI mit Polymer Typ 11) 7 1 †    
ESC-leitlinienkonform 7 1 † 85,7 n.a. 0,45
davon  TAVI mit Polymer Typ 11) 4 1 †    
nicht ESC-leitlinienkonform3),
da keine Operation erfolgte
4 0 † 100 n.a.
davon  TAVI mit Polymer Typ 11) 3 0 †    

AKE = Operativer Aortenklappenersatz; TAVI = Katheterinterventioneller Aortenklappenersatz; PIE = Prothesen – Endokarditis; = verstorben; n.a. = not adjustable 1)&2)in dieser Studie implantierte TAVI-Prothesen mit Polymeranteilen; 3)nach den gültigen ESC-Leitlinien
Tabelle 1: Vergleich des Überlebens der PIE-Pat. abhängig vom Therapieverfahren und der Leitlinienkonformität im Hinblick auf die Operationsindikation

Insgesamt war das 1-Jahres-Überleben nach PIE-Diagnose mit 61 % für TAVI- signifikant schlechter als mit 77 % für AKE-Pat. (p = 0,018), passend zu dem besseren 1-Jahres-Überleben der Nicht-PIE-Pat. von 93 % nach AKE und 76 % nach TAVI (p < 0,001).

Schlussfolgerung
Gemäß der Literatur fanden wir keine signifikant höhere PIE-Inzidenz nach TAVI als nach AKE. Eine postoperative PM nach AKE erwies sich erstmalig als unabhängiger PIE-Risikofaktor, mutmaßlich da größere Wundflächen und multiple Zugänge ein höheres Bakteriämie-Risiko darstellen als nach TAVI. Bei TAVI-PIE-Pat. war das 1-Jahres-Überleben nach rein medikamentöser Therapie signifikant besser als nach operativer, sogar wenn leitliniengerecht eine Operation indiziert gewesen wäre, sodass zukünftig die Indikation zur Operation bei TAVI-PIE-Pat. sehr zurückhaltend gestellt werden sollte. Andererseits profitieren AKE-PIE-Pat. von einer leitliniengerechten operativen Therapie, da eine rein medikamentöse Therapie trotz leitliniengerechter Indikation zur Operation zu einer signifikanten Verschlechterung der Prognose führte (Tab. 1); mutmaßlich, da AKE-Prothesen einen eingenähten Polymerring besitzen, in den sich grampositive Kokken einnisten und durch Bildung eines Biofilms vor körpereigenen Abwehrmechanismen und der antibiotischen Therapie schützen können. Entsprechendes scheint für TAVI-Prothesen mit Polymeranteilen nicht zuzutreffen. Zu beachten ist aber, dass TAVI-Prothesen mit Polymeranteilen in unserer Studie ein 4,3-fach höheres PIE-Risiko hatten, sodass Pat. mit erhöhtem Bakteriämierisiko zukünftig möglicherweise bevorzugt TAVI-Prothesen ohne Polymeranteile erhalten sollten. 

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