Behandlungsergebnis, Patientencharakteristika und Qualitätsindikatoren der akuten Herzinfarktversorgung in Thüringen: Einblicke des Thüringer Infarkt Netzwerkes (ThIN)
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PD Dr. Sylvia Otto und Prof. Dr. P. Christian Schulze, Jena
Hintergrund / Problemstellung
In der Bundesrepublik Deutschland erleiden ca. 200.000 Menschen jährlich einen akuten Myokardinfarkt. Der jährliche Deutsche Herzbericht bestätigt das bekannt hohe Risikoprofil der Thüringer Bevölkerung für kardiovaskuläre Krankheitsbilder. Dies spiegelt sich auch in einer höheren Herzinfarktmorbidität und -mortalität in Thüringen (23,1 Prozent über dem Bundesdurchschnitt) im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt wider. Aktuelle Leitlinien empfehlen regionale Herzinfarkt Netzwerke und die Teilnahme an Qualitätsmanagement-Programmen, um die Behandlungsqualität des akuten Herzinfarkts zu sichern und zu verbessern. Thüringen ist eher ländlich als durch Großstädte geprägt. Deswegen könnte eine zeitnahe Behandlung von akuten Herzinfarkten eine Herausforderung darstellen. Bisher fehlen aktuelle und belastbare Daten über die Qualität der Herzinfarktversorgung in ganz Thüringen.
Die lokalen Vor-Analysen zeigen, dass in ländlichen, strukturschwachen Regionen Patienten signifikant schlechter und später im Vergleich zu städtischen Regionen behandelt werden. Kernursachen hierfür sind u.a.: eine schlechte außerklinische Diagnosestellung mit nachfolgender Fehllogistik und verspäteter Zuweisung des Patienten in ein Krankenhaus mit PCI-Bereitschaft.
Ziele
Unser Ziel ist es das Outcome, die Mortalität und die Verteilung von Komorbiditäten und kardiovaskulären Risikofaktoren in Thüringen durch eine valide Datenbasis zu analysieren.
Daneben soll durch Einführung einer unabhängigen, prospektiven und bundeslandweiten Infarkt-Datenbank die Behandlungsqualität kontinuierlich überwacht und hierüber Strategien zur Qualitätsverbesserung abgeleitet werden.
Methoden
Alle Herzinfarktpatient*innen in teilnehmenden Krankenhäusern werden anonymisiert und prospektiv in der Datenbank aufgenommen. Wichtige administrative, prozedurale, therapeutische und klinische Parameter werden für jeden Patienten-Fall detailliert erfasst. Die prä- und innerklinische Behandlungszeiten (z.B. Symptombeginn, erster Kontakt mit medizinischem Fachpersonal, wann wurde das erste EKG geschrieben und Zeiten zwischen der Aufnahme im Krankenhaus und dem Behandlungsbeginn) werden dabei vorrangig in „Echtzeit“ während der Herzkatheteruntersuchung dokumentiert.
Ergebnis
Zwischen Januar 2018 und Juni 2021 wurden insgesamt 1.125 Herzinfarktpatienten (Durchschnittliches Alter 65 Jahre, 71 % männlich) von 9 teilnehmenden Krankenhäusern in der Datenbank registriert. Wir haben eine hohe Rate an aktiven Rauchern festgestellt (54 %) und einen noch höheren prozentualen Anteil an Personen, die entweder noch aktiv Rauchen oder dies in der Vergangenheit getan haben (65 %). Etwa ein Drittel der Patienten ist an Diabetes erkrankt. In diesem Zusammenhang wurde mittels des Laborparameter HbA1c zusätzlich festgestellt, dass der Diabetes bisher oft unzureichend behandelt war. Auch die Sekundärprävention von Patient*innen mit bekannter kardiovaskulärer Vorerkrankung oder Diabetes war nicht zufriedenstellend (LDL 2.80 ± 1.24 mmol/l und 3.03 ± 1.25 mmol/l).
Fast alle Patient*innen erhielten eine akute Reperfusions-Behandlung mittels Herzkatheter (pPCI) mit einer medianen Zeit von medizinischem Erstkontakt bis zur Behandlung von 87 min und einer medianen Zeit von der Aufnahme im Krankenhaus bis zur Behandlung von 46 min. Diese Zeiten liegen innerhalb den von der Leitlinie vorgegebenen Zeiten (90 min, bzw. 60 min).
Die Pumpleistung des Herzens war bei Entlassung bei 49 % der Patienten ohne signifikante Einschränkungen und nur bei 10% erheblich beeinträchtigt. Etwa 12% der Patient*innen sind in sehr kritischem Zustand in die Krankenhäuser gekommen, dem so genannten kardiogenen Schock. Von dieser Patientengruppe ist etwa die Hälfte (48 %) verstorben, was internationalen Vergleichen entspricht. Insgesamt lag die Krankenhaus-Sterblichkeit bei 12.6 %. Wenn sich die Patienten bei Ankunft im Krankenhaus jedoch nicht in einem kritischen Zustand (kardiogener Schock) befand, war die Sterblichkeit mit 7.4 % deutlich niedriger.
Die Anschluss Behandlung nach dem Herzinfarkt als Teil der Sekundärprävention war insgesamt gut und entspricht den aktuellen Leitlinien. Fast alle Patient*innen erhalten eine Cholesterin-senkende Therapie (89 %).
Zusammenfassung
Die akute Behandlung von Herzinfarktpatient*innen ist von hoher Qualität in den teilnehmenden Krankenhäusern in Thüringen. Die Krankenhaussterblichkeit ist vergleichbar mit Werten aus europäischen Herzinfarkt Registern. Trotzdem ist die Verteilung von Risikofaktoren, besonders ungesunde Angewohnheiten wie Rauchen, und Komorbiditäten wie Diabetes und hohe Blutfettwerte, hoch und sie sind medizinisch schlecht kontrolliert. Das könnte die Abweichung zwischen hoher akuter Versorgungsqualität gegenüber generell höheren Mortalitäts- und Morbiditätsraten (jährlicher Deutscher Herzbericht) erklären und spricht für die Notwendigkeit, zielgerichteter Primär- und Sekundärpräventionsprogramme.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit fast 11.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org