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COVID-19 und das Herz: Mehr Lücken als Wissen

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Statement Prof. Dr. Dirk Westermann, Hamburg

Die ersten Anzeichen für eine Beteiligung des Herzens bei einer SARS-CoV-2 Infektion konnten bereits zu Beginn der Pandemie festgestellt werden. Bei vielen Patientinnen und Patienten mit einer schweren COVID-19 Erkrankung wurde beispielsweise ein Anstieg des Troponins im Blut festgestellt. Im Juli 2020 konnten wir in unserer Autopsiestudie (1) zeigen, dass das Virus bei an 16 von 39 an COVID-19 verstorbenen Patientinnen und Patienten im Herzgewebe nachweisbar ist. Im Vergleich von Patienten mit kardialer Infektion und Patienten ohne kardiale Infektion ließ sich allerdings keine Myokarditis (Herzmuskelentzündung) nachweisen. Arbeiten anderer Arbeitsgruppen konnten unsere Ergebnisse in der Zwischenzeit replizieren und zeigen ebenfalls, dass SARS-CoV-2 im Herzen verstorbener Patientinnen und Patienten nachzuweisen ist. Der Anteil der Verstorbenen mit SARS-CoV-2 war in diesen Arbeiten ähnlich hoch. Trotz dieser Erkenntnisse aus dem letzten Jahr gibt es derzeit immer noch mehr Lücken als Wissen über die Auswirkungen einer COVID-19-Erkrankung auf das Herz.

Fehlende Daten bei überstandener Infektion

Wir konnten in noch unveröffentlichten Arbeiten unsere eigene Studie insofern weiter bestätigen, dass wir die Ergebnisse bei jetzt 95 verstorbenen Patientinnen und Patienten replizieren konnten. Dabei zeigt sich jetzt auch, dass diejenigen mit einer kardialen Infektion schneller an COVID-19 verstorben sind als die Patientinnen und Patienten ohne kardiale Infektion. Eventuell kann diese Studie außerdem die Frage beantwortet, ob es Besonderheiten bezüglich des Geschlechts und des Alters der Betroffenen gibt.

Es gibt bisher leider keine Daten für überlebende Patientinnen und Patienten, da eine Herzmuskelbiopsie im Rahmen der COVID-19 Erkrankung nicht routinemäßig durchgeführt wird. Biomarker können bisher nicht valide vorhersagen, ob es zu einer kardialen Infektion gekommen ist. Dass hieran weiter geforscht wird, ist wichtig. So könnte auch die Frage geklärt werden, ob das Herz bei schweren Verläufen auch besonders schwer betroffen ist oder ob es auch bei milden Verläufen einen langfristigen Einfluss von SARS-CoV-2 auf das kardiovaskuläre System gibt.

Mögliche Langzeitfolgen

Die kardialen Langzeitfolgen einer COVID-19 Erkrankung sind noch nicht ausreichend geklärt. Es gibt aber mittlerweile viele Studien an verschiedenen Kliniken in Deutschland, die genau das herausfinden wollen. Dazu ist es wichtig, eine gute Kontrollgruppe zu untersuchen. Denn alleine ein Aufenthalt auf der Intensivstation während einer schweren Erkrankung ist schon häufig mit Langzeitfolgen verbunden. Daher ist es wichtig – aber methodisch schwierig – dies für COVID-19 zu untersuchen.

Die ersten validen Daten zu Langzeitfolgen nach COVID-19 werden aus dem Bereich der MRT Forschung erwartet, da man hier relativ einfach und vor allem nicht-invasiv Folgeuntersuchungen bei Patientinnen und Patienten nach einer COVID-19 Erkrankung durchführen kann. An der Uniklinik in Frankfurt konnte kürzlich gezeigt werden, dass sehr kurz nach der COVID-19 Erkrankung Veränderungen in der kardialen MRT nachweisbar sind. Langzeit-Daten sind bisher aber noch nicht im großen Stil verfügbar und es werden Daten aus vielen Kliniken benötigt, um genaue Aussagen über mögliche Folgen zu treffen. Hier ist sicherlich eine internationale Zusammenarbeit nötig. Nur so können die komplexen Veränderungen am Herzen von an COVID-19 erkrankten Patientinnen und Patienten verstanden werden.

Bisher sind keine validen Daten gezeigt worden, die belegen, dass man nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 an einer Herzinsuffizienz, also einer Herzschwäche, erkrankt. Das ist wichtig und erstmal ein gutes Zeichen. Ob sich die häufig beschriebenen Erschöpfungssyndrome nach COVID-19 durch eine von SARS-CoV-2 ausgelöste kardiale Erkrankung erklären lassen, ist ebenfalls noch völlig unklar.

Nachsorge und Prävention

Für Patientinnen und Patienten nach überstandener COVID-19 Erkrankung bedeutet das, kardiale Symptome immer rasch mit der richtigen Diagnostik abklären zu lassen. Sollten hierbei kardiovaskuläre Erkrankungen diagnostiziert werden, müssen diese umgehend Leitlinien-gerecht therapiert werden. Allerdings brauchen nach momentanem Wissensstand nicht alle Patientinnen und Patienten nach einer COVID-19 Erkrankung eine kardiologische Untersuchung. Dieses gilt nur für Patientinnen und Patienten mit spezifischen Symptomen. Präventiv ist es wichtig, kardiovaskuläre Komorbiditäten weiter optimal zu behandeln, da diese die Schwere einer COVID-19 Erkrankung negativ beeinflussen können. Gerade am Anfang der Pandemie gab es unbegründete Ängste, dass einige Medikamente einen schweren COVID-19-Verlauf begünstigen könnten. Dies ist klar widerlegt worden.

Literatur

  1. Diana Lindner, PhD; Dirk Westermann, MD; et.al. Association of Cardiac Infection With SARS-CoV-2 in Confirmed COVID-19 Autopsy Cases. JAMA Cardiol. 2020;5(11):1281-1285. doi:10.1001/jamacardio.2020.3551 https://jamanetwork.com/journals/jamacardiology/fullarticle/2768914