Einfluss des Apple iPhone 12 Pro auf implantierte Herzschrittmacher/ Defibrillatoren
Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial
Dr. Christian Fräbel, Dr. Shibu Mathew, et al. Gießen
Hintergrund und Ziele der Studie
Smartphones haben in den letzten Jahren eine deutliche technische Evolution erfahren. Sie sind Terminkalender, Telefon, Bezahlmittel, Laptopersatz, Taschenlampe, Maßband, Spielekonsole und bieten viele weitere Funktionen. So nutzen Smartphones für ihre volle Funktionalität elektromagnetische Felder. Diese können theoretisch die Funktion von implantierten Herzschrittmachern/ Defibrillatoren beeinflussen, da diese ebenfalls mit diesen physikalischen Prinzipien arbeiten.
Es werden vornehmlich elektromagnetische Felder erzeugt, welche zu Fehlinterpretationen und Fehlfunktionen der implantierten Geräte führen können. So kann auch die Gefahr bestehen, dass Herzschrittmacher sich ausschalten oder ein Defibrillator einen Elektroschock (ICD-Schock) abgeben könnte. Auch mögliche Einflüsse auf die Programmierung der Geräte sind über die Induktion von elektromagnetischen Feldern möglich.
Das iPhone 12 mit der MagSafe Technologie weist im Vergleich zu vorhergehenden Geräten mehr zentral und zirkulär verbaute Magnete auf. Diese erlauben ein schnelles kabelloses Laden des Smartphones. Hierdurch könnte die Funktionsweise von Herzschrittmachern und Defibrillatoren stärker als bisher beeinträchtigt werden, so dass aus Sicherheitsgründen Smartphone-Hersteller empfehlen, dass die Geräte bei Personen mit Herzschrittmachern / Defibrillatoren in mindestens 15 cm Entfernung getragen und benutzt werden sollten. Auch das Tragen des Smartphones in der Brusttasche sollte demnach vermieden werden. Gerätehersteller von Herzschrittmachern und Defibrillatoren haben Filter und Algorithmen in ihre Medizinprodukte integriert, um mögliche Störsignale abzufangen.
Bisher stehen nur limitierte wissenschaftliche Daten zum Einfluss von Smartphones der neuesten Generation auf Herzschrittmacher und Defibrillatoren zur Verfügung. Daher können keine zuverlässigen Prognosen zu möglichen Risiken getroffen werden. Es gibt jedoch vereinzelte Fallberichte, die Interferenzen zwischen neuen Smartphones und implantierten Herzschrittmachern / Defibrillatoren zeigten.
Methodik der Studie
Aus diesem Grund wurde im Rahmen einer prospektiven Beobachtungsstudie am Universitätsklinikum Gießen, Klinik für Kardiologie & Angiologie, eine Untersuchung des Einflusses des Apple iPhone 12 Pro auf Herzschrittmacher und Defibrillatoren bei Verwendung der verschiedenen Funktionen des Apple iPhone 12 Pro mittels eines standardisierten Protokolls durchgeführt. Die Patient*innen wurden im Rahmen einer routinemäßigen Vorstellung zur Gerätekontrolle in die Studie eingeschlossen. Zu Beginn der Untersuchung wurden die Geräte und Sonden auf ihre korrekte Funktionalität getestet. Um sicherzustellen, dass auch das Smartphone ausreichend funktionsfähig ist, wurden die Untersuchungen in einem Raum mit guter Mobilfunk- und Internetverbindung durchgeführt. Das Smartphone wurde anschließend direkt auf den Brustkorb der Patient*in über dem implantierten Medizinprodukt platziert. Mithilfe eines intrakardialen Elektrokardiogramms (EGM) wurden über die jeweiligen Programmiergeräte der Herzschrittmacher- und Defibrillatorhersteller mögliche Interferenzen erfasst. Es wurden vier verschiedene Funktionen des Smartphones getestet: 1. Standby-Auflage (zum Testen des Einflusses der MagSafe-Technologie), 2. Aufbau einer Verbindung (Mobilfunk, WLAN und Bluetooth), 3. Empfang eines Anrufs, 4. NFC (near field communication) mittels „Apple Pay“. Bei Auffälligkeiten wurde das Smartphone anschließend an das ipsilaterale Ohr der Patient*in gehalten und dieselben Tests wurden wiederholt.
Störsignale (elektromagnetische Interferenzen), Verlust der Telemetrieverbindung, Veränderungen in den programmierten Grundeinstellungen und Fehlinterpretation der Signale des intrakardialen Elektrogramms wurden als Auffälligkeiten systematisch erfasst. Zudem wurden auch klinische Symptome, wie z.B. Herzstolpern, Schwindel und Ohnmachtsanfälle, erfasst. Zur Sicherstellung der adäquaten Schrittmacher- / Defibrillatorfunktion wurde nach Abschluss der Untersuchung nochmals die Funktion der Geräte sichergestellt.
Seit Beginn der Studie konnten bereits 70 Patient*innen eingeschlossen werden, hiervon 36 % weiblichen Geschlechtes, Alter im Median 73,5 Jahre (42-93 Jahre). Mehr als die Hälfte der überprüften Herzschrittmacher / Defibrillatoren wurden innerhalb der letzten 12 Monate implantiert. Die Geräte und Sonden stammten von fünf verschiedenen Herstellern (71 % Biotronik, 13 % Abbott,
10 % Boston Scientific, 4 % Medtronic, 1 % Vitatron) und bestanden aus Schrittmachern (50 %), transvenösen Defibrillatoren (24 %), kardialer Resynchronisationstherapie mit Defibrillation (20 %), kardialer Resynchronisationstherapie mit Schrittmacherfunktion (4 %) und subkutan-implantierten Defibrillatoren (1,4 %).
Ergebnisse der Studie
Einflüsse des iPhones konnten bei 11 % der Patient*innen detektiert werden. Die Geräte von drei Herstellern (Abbott, Biotronik, Boston-Scientific) waren in dieser Studie betroffen. Die meisten Einflüsse entstanden bei der NFC-Nutzung (6/8 der betroffenen Geräte).
Ein Verlust des intrakardialen EKGs trat bei 1/8 Geräten auf. Störsignale konnten bei 6/8 Geräten detektiert werden, Fehlinterpretationen des EGM zeigten sich bei 2/8 Geräten und 2/8 Geräte verloren zeitweise die Telemetrieverbindung zum Programmiergerät. Die Aktivierung des Magnet-Schutzmodus trat nicht ein. Einflüsse bei Nutzung der Funktionen am Ohr konnten nicht beobachtet werden.
Fazit
Zusammenfassend ist zu beobachten, dass bei verschiedenen Herstellern von Herzschrittmachern und Defibrillatoren Störeinflüsse des Apple iPhone 12 Pro auftraten, ohne dass sich hieraus eine akute Gefährdung der Patient*innen ergeben hätte. Eine dauerhafte Beschädigung der implantierten Geräte konnte bei dieser einmaligen Testung nicht beobachtet werden. Die im Rahmen dieser Untersuchung erhobenen Daten bestätigen, dass das iPhone 12 Pro entsprechend der Empfehlung nicht direkt über den implantierten Herzschrittmachern bzw. Defibrillatoren getragen oder benutzt werden und ein Sicherheitsabstand eingehalten werden sollte.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie –Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit fast 11.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter-und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org
Wichtige Informationen für Nicht-Mediziner*innen stellt die DGK auf den Seiten ihres Magazins „HerzFitmacher“ zusammen: www.herzfitmacher.de