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Bei Frauen verdoppelt sich die erhöhte 30-Tage-Mortalität nach notfallmäßiger Myokardrevaskularisation

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Dr. Ina Schade, Priv.-Doz. Dr. Constanze Bening, et. al. Würzburg 

Einleitung

Da die Rate der kardiovaskulären Erkrankungen stetig ansteigt und bekannt ist, dass Frauen und Männer deutlich differente Symptome bei der gleichen kardiovaskulären Erkrankung wie der koronaren Herzerkrankung zeigen, stellt sich die Frage nach den geschlechts-spezifischen Risiken. Wir wissen aus Studien, dass Frauen zum Zeitpunkt der Operation älter sind und mehr Komorbiditäten, wie Diabetes, Niereninsuffizienz und höhere NYHA-Klassifikation mitbringen (1; 2). In der prospektiven Studie von Lehmkuhl et al. wurde gezeigt, dass die Frauen in der Gesamtgruppe gegenüber den Männern eine signifikant erhöhte Mortalität hatten (3). Was jedoch in vielen Studien unbeantwortet geblieben ist: wie stark ist die Mortalität durch die Dringlichkeit der Operation beeinflussbar? Was wir darüber hinaus wissen ist: Frauen zeigen bei der koronaren Herzerkrankung unspezifische Symptome aus dem vegetativen Bereich, wie Übelkeit, Oberbauchbeschwerden, Schweißausbruch und allgemeine Schwäche. Somit ist der diagnostische Weg vom Symptomauftreten bis zur endgültigen Diagnosestellung bei Frauen verzögert und läuft über Umwege. Resultierend daraus stellten sich die Patientinnen nicht als stabile Angina pectoris Patientinnen vor, die eine Diagnostik im elektiven Programm indizieren, sondern mit instabiler Angina pectoris oder NSTEMI-Geschehen, was dann im Umkehrschluss zur Notfalldiagnostik und zur Operation als Notfalleingriff führen kann. Wir haben diese Notfalleingriffe näher analysiert.

Methoden

Die 30-Tage-Mortalität ist ein frühpostoperativer Erfolgsmarker nach herzchirurgischer Myokardrevaskularisation und wird seit vielen Jahren als Routineparameter im Rahmen der externen Qualitätssicherung der herzchirurgischen Kliniken erfasst. Wir erfassten in der Klinik und Poliklinik für Thorax-, Herz- und thorakale Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Würzburg diesbezüglich bei allen Patient*innen (n = 4655) den 30-Tage-Status vollständig, die sich zwischen 01/2007 und 12/2015 einer Myokardrevaskularisation in unserer Klinik unterzogen haben. Waren die Patient*innen zum Zeitpunkt der Erfassung bereits entlassen, so wurden telefonisch die Daten erhoben und dokumentiert. Neben dem 30-Tage-Status erfassten wir darüber hinaus prä-, intra- und postoperative Parameter für alle Patient*innen. Präoperative Kriterien waren das Patientenalter zum Zeitpunkt der Operation und die Dinglichkeit des Eingriffs. Wir unterschieden vier Dringlichkeitsstufen (elektiv, dringlich, notfallmäßig und ultima ratio Eingriff). Alle bypassoperierten Patient*innen wurden postoperativ routinemäßig vollständig nachverfolgt. Wir haben die 30-Tage-Mortalität in Abhängigkeit der OP-Dringlichkeit ausgewertet. Die Auswertung erfolgte mittels des Statistikprogramms „R“. Statistisch signifikant war p < 0,05.

Ergebnisse

Die Gesamtmortalität des Patientenkollektivs nach 30 Tagen lag bei 4,1 %. Wird die Mortalität geschlechtsspezifisch ausgewertet, so hatten weibliche Patientinnen in der Gesamtgruppe eine signifikant höhere Mortalität gegenüber männlichen Patienten (5,8 % vs. 3,7 %, p=0,004). Die 30-Tage-Mortalität in den einzelnen Dringlichkeitsstufen fiel wie folgt aus: elektiv (Frauen 2,4 % vs. Männer 1,7 %); dringlich (Frauen 4,3 % vs. Männer 4,5 %); notfallmäßig (Frauen 12,4 % vs. Männer 6,6 %; p=0,008). Die ultima ratio Eingriffe sind wegen der geringen Fallzahlen statistisch nicht verwertbar.

Darüber hinaus wurden Frauen im Vergleich zu Männern mit 21,3 % vs. 15,7 % signifikant häufiger als Notfall operiert (p<0,001, Abb. 2). Es bestand eine signifikante Abhängigkeit zwischen dem weiblichen Geschlecht und der OP-Dringlichkeit.

Zusammenfassung

Die 30-Tage-Mortalität bei Frauen war in unserer Auswertung signifikant von der OP-Dringlichkeit des Eingriffs abhängig. Da bei Frauen häufig eine typische Symptomatik wie der klassische Brustschmerz fehlt, wurde in Studien belegt, dass auch Diagnostik und Therapie erst zeitverzögert zu männlichen Vergleichsgruppen erfolgt (4; 5; 6). Aus dieser Tatsache heraus werden Frauen signifikant häufiger einem Notfalleingriff zugeführt, bei dem sich die Mortalität der Frauen im Vergleich zu den Männern allein durch die Dringlichkeitsstufe – notfallmäßig – nahezu verdoppelt. Bei elektiven und dringlichen Eingriffen war der Unterschied in der 30-Tage-Mortalität zwischen den Geschlechtern nicht signifikant different. Im Resümee unsere Studie ist somit festzustellen, dass das Augenmerk auf das frühzeitige Erkennen der kardialen Genese und der unverzüglichen Diagnostik zu legen ist. Trotz Fehlen der typischen Herzsymptome einer koronaren Erkrankung muss bei Frauen an diese gedacht werden, um so die Gesamtmortalität auch bei Frauen infolge operativer Myokardrevaskularisation senken zu können.

Literatur

1   Aldea, G. S.; Gaudiani, J. M.; Shapira, O. M.; Jacobs, A. K.; Weinberg, J.; Cupples, A. L.; et al. (1999): Effect of gender on postoperative outcomes and hospital stays after coronary artery bypass grafting. In: Ann Thorac Surg 67 (4): 1097-1103.

2   Blankstein, R.; Ward, R. P.; Arnsdorf, M.; Jones, B.; Lou, Y. B.; Pine, M. (2005): Female gender is an independent predictor of operative mortality after coronary artery bypass graft surgery: contemporary analysis of 31 Midwestern hospitals. In: Circulation 112 (9 Suppl): I323-327.

3   Lehmkuhl, E.; Kendel, F.; Gelbrich, G.; Dunkel, A.; Oertelt-Prigione, S.; Babitsch, B.; et al. (2012): Gender-specific predictors of early mortality after coronary artery bypass graft surgery. In: Clin Res Cardiol 101 (9): 745-751.

4   Daly, C.; Clemens, F.; Lopez Sendon, J. L.; Tavazzi, L.; Boersma, E.; Danchin, N.; et al. (2006): Gender differences in the management and clinical outcome of stable angina. In: Circulation 113 (4): 490-498.

5   Mehta, L. S.; Beckie, T. M.; DeVon, H. A.; Grines, C. L.; Krumholz, H. M.; Johnson, M. N.; et al. (2016): Acute Myocardial Infarction in Women: A Scientific Statement From the American Heart Association. In: Circulation 133 (9): 916-947.

6   Regitz-Zagrosek, V. ; Lehmkuhl, E.; Hocher, B.; Goesmann, D.; Lehmkuhl, H. B.; Hausmann, H.; Hetzer, R. (2004): Gender as a risk factor in young, not in old, women undergoing coronary artery bypass grafting. In: Journal of the American College of Cardiology 44 (12): 2413-2414.

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