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Koronarangiographie nach Herzstillstand, Antikoagulation nach TAVI und die neue ESC-Leitlinie zu Herzklappenerkrankungen

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Statement Prof. Dr. Helge Möllmann, Tagungspräsident AGIK live 

Die Ergebnisse zweier Studien haben in der interventionellen Kardiologie in diesem Jahr für einige Klarheit gesorgt: Die TOMAHAWK-Studie, die Fragen zum initialen Vorgehen bei Patient*innen nach einem außerhalb des Krankenhauses erlittenen und überlebten Herzstillstand beantwortet, und die ENVISAGE-TAVI-AF-Studie zur Art der Antikoagulation nach TAVI. Außerdem ist die ESC-Leitlinie zum Management der Herzklappenerkrankungen erschienen, die Änderungen gerade beim interventionellen Vorgehen bereithält.

Die TOMAHAWK-Studie

Wie wir bei Patient*innen, die außerhalb des Krankenhauses einen Herzstillstand möglicherweise kardialer Ursache erlitten haben, nach ihrer Einlieferung in die Klinik vorgehen, hat uns bisher sehr beschäftigt. Ist es sinnvoll, direkt eine Koronarangiographie durchzuführen oder wartet man besser erst die weitere Diagnostik ab? Die COACT-Studie hat uns vor zwei Jahren bereits Hinweise darauf geliefert, dass die direkte Koronarangiographie keinen Vorteil mit sich bringt, und die TOMAHAWK-Studie hat dies nun bestätigt (1).

In der in Deutschland und Dänemark durchgeführten Studie wurden Daten von insgesamt 530 Patient*innen ausgewertet, von denen bei 265 eine sofortige Koronarangiographie durchgeführt wurde, ohne zunächst weitere diagnostische Maßnahmen zu ergreifen. Die anderen 265 Betroffenen wurden erst später beziehungsweise selektiv einer Koronarangiographie zugeführt. Dass sich bei der 30-Tage-Mortalität zwischen den beiden Gruppen kein statistisch signifikanter Unterschied zeigte, wird unser künftiges Vorgehen in solchen Fällen sicher dahingehend beeinflussen, nicht immer direkt eine Angiographie durchzuführen beziehungsweise ihr nicht die oberste Priorität einzuräumen.

Die ENVISAGE-TAVI-HF-Studie

Auch die Frage, welche Antikoagulationstherapie wir bei Patient*innen mit Vorhofflimmern nach TAVI einleiten sollten, konnte lange nicht klar beantwortet werden. In der beim ESC-Kongress präsentierten ENVISAGE-TAVI-HF-Studie wurde bei einem solchen Patientenkollektiv nun der Einsatz eines NOAKs – Edoxaban – mit dem eines Vitamin-K-Antagonisten verglichen. Das Ergebnis lässt uns die Fragestellung leider noch immer nicht eindeutig klären: Zwar gab es keinen Unterschied zwischen den Therapieregimen hinsichtlich der Wirksamkeit, doch unter NOAKs traten in der Studie statistisch signifikant häufiger schwerwiegende Blutungsereignisse auf (9,7 vs. 7,0 % pro Jahr). Dennoch kommt Edoxaban für die Antikoagulation bei einigen Patient*innen mit Vorhofflimmern nach TAVI infrage, denn erste Subgruppenanalysen zeigen, dass Patient*innen, die keine begleitende Medikation zur Plättchenhemmung einnahmen, unter Edoxaban nicht häufiger Blutungsereignisse erlitten. Weitere Untersuchungen hierzu werden folgen.

Die neue ESC-Leitlinie zum Management von Herzklappenerkrankungen 

Es ist sehr erfreulich, dass den interventionellen Verfahren zur Behandlung der Aortenklappenstenose sowie der Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz in der neuen Leitlinie (3) mehr Bedeutung zugemessen wird und die entsprechenden Studiendaten hinreichend berücksichtigt wurden.

Gerade bei der Behandlung der Aortenklappenstenose wurde das Heart Team gestärkt, was ganz besonders das von der DGK und der DGTHG gemeinsam herausgegebene Positionspapier (4) stärkt. Denn auch wenn die neue Leitlinie die Alterslinie für/gegen die TAVI-Entscheidung genau bei 75 Jahren zieht, werden wir in Deutschland die gelebte Praxis beibehalten, dass alle Patient*innen zwischen 70 und 75 Jahren ausgiebig im Heart Team diskutiert werden, wie es unser Positionspapier vorsieht.

Patientenwunsch als eines der wichtigsten Kriterien berücksichtigen

Die neuen Leitlinien betonen darüber hinaus ausdrücklich den Patientenwunsch als eines der wichtigsten Entscheidungskriterien, was wir dank des gemeinsamen Positionspapieres ebenfalls in Deutschland bereits so handhaben. Das bedeutet, dass wir mit den Ergebnissen unserer gemeinsamen Diskussion an die Patient*innen herantreten, damit sie unter Berücksichtigung aller Fakten eine mündige Entscheidung treffen können. Die Einbindung unserer Patientinnen und Patienten in den Entscheidungsprozess ist eine neue Herangehensweise in der Leitlinie und uns Kardiolog*innen ein großes Anliegen, weil im Sinne des Shared Decision Making ein Dialog auf Augenhöhe die Erwartungen schärft und die Bereitschaft der Betroffenen steigert, aktiv an ihrer Genesung mitzuwirken.

Literatur:

(1) https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2101909?query=featured_home

(2) https://www.nejm.org/doi/pdf/10.1056/NEJMoa2111016

(3) https://www.escardio.org/Guidelines/Clinical-Practice-Guidelines/2021-Valvular-Heart-Disease

(4) https://leitlinien.dgk.org/2020/konsensuspapier-der-deutschen-gesellschaft-fuer-kardiologie-dgk-und-der-deutschen-gesellschaft-fuer-thorax-herz-und-gefaesschirurgie-dgthg-zur-kathetergestuetzten-aortenklappenimplantation-tavi-2020/