Welche Rolle spielt der Schulabschluss bei der Effektivität von Präventionsmaßnahmen nach einem Herzinfarkt?
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Dr. Tina Backhaus, Bremen
Niedriges Einkommen – häufigere Infarkte
Registerstudien haben gezeigt, dass ein niedriger sozioökonomischer Status mit einer erhöhten Inzidenz für einen Myokardinfarkt (MI) einhergeht. Zudem ist das Risiko für das Auftreten eines erneuten Herzinfarktes invers mit der Höhe des Einkommens assoziiert. Es ist zu vermuten, dass der Schulabschluss eine wichtige Rolle in der Effektivität von Sekundärprävention nach MI spielt und möglicherweise Präventionsmaßnahmen bei niedrigerem Schulabschluss schwieriger umzusetzen sind.
Um Effekte der Prävention in verschiedenen Kollektiven zu überprüfen, wurde das Patientenkollektiv der randomisierten, multizentrischen IPP (Intensive Prevention Program) Studie in drei Gruppen (Hauptschulabschluss, Realschulabschluss und Abitur) in Abhängigkeit des Schulabschlusses unterteilt.
Langzeit-Präventions-Programm nach Myokardinfarkt – die IPP-Studie
In der IPP Studie des Bremer Instituts für Herz- und Kreislaufforschung (BIHKF) wurde 2013 bis 2017 ein modernes intensives Präventionsprogramm über 12 Monate versus Standardversorgung bei Patienten nach akutem Myokardinfarkt getestet. Die Randomisation IPP versus Standardversorgung erfolgte einen Monat nach Entlassung, nach Beendigung der 3-wöchigen Rehabilitation, die im Anschluss an einen MI in der Regel in Deutschland erfolgt.
Das Langzeit-Präventionsprogramm wurde von Präventionsassistenten koordiniert und beinhaltete intensive persönliche Fortbildungen, Telefonvisiten und telemedizinische Kontrolle der Risikofaktoren.
Die globale Einstellung der Risikofaktoren wurde durch den IPP-Präventions-Score erfasst – ein Summenscore aus den Risikofaktoren Rauchen, LDL-Cholesterin, körperliche Aktivität, Blutdruck, body mass index und HbA1c. Der minimale Wert von 0 Punkten entspricht einer insuffizienten Einstellung aller Risikofaktoren, der maximale Wert von 15 Punkten einer leitliniengerechten Einstellung aller Risikofaktoren.
Die Studie wies nach 12 Monaten eine hochsignifikante Verbesserung der kardiovaskulären Risikofaktoren durch IPP im Vergleich zur Standardversorgung nach.
Je niedriger der Bildungsstand, desto mehr Risikofaktoren
In der Subanalyse der Schulabschlüsse zeigte sich, dass zum Zeitpunkt der Infarkte signifikante Unterschiede in der Ausprägung der Risikofaktoren zwischen den einzelnen Schulabschlüssen bestanden. Eindrücklich war insbesondere, dass die Patienten mit Abitur im Gegensatz zu den anderen zwei Gruppen das niedrigste LDL-Cholesterin mit 115 ± 38 mg/dl (versus Hauptschulabschluss 134 ± 33 mg/dl und Realschulabschluss 137 ± 42 mg/dl) aufwiesen. Patienten mit einem Hauptschulabschluss waren zudem weniger körperlich aktiv und häufiger Raucher.
Präventionsmaßnahmen insbesondere bei niedrigerem Schulabschluss effektiv
Zum Zeitpunkt der Randomisation, nach der 3-wöchigen Rehabilitation, war es in allen 3 Gruppen von Schulabschlüssen bereits zu einer deutlichen Verbesserung der Einstellung der Risikofaktoren gekommen. Durch IPP konnte im 12-monatigen Verlauf eine weitere signifikante Verbesserung der Einstellung der Risikofaktoren in allen 3 Schulabschluss-Gruppen erreicht werden. Besonders bei den Hauptschulabsolventen, die initial mit einer schlechteren Einstellung der Risikofaktoren in die Präventionsmaßnahmen gestartet waren, zeigte sich eine eindrucksvolle Verbesserung der Risikofaktoren (IPP-Präventions-Score Hauptschulabschluss: ∆ 4,0 ± 2,4; Realschulabschluss: ∆ 3,7 ± 2,3; Abitur: ∆ 2,5 ± 3,1; p=0,046).
Fazit
Bei Patienten mit verschiedenem Schulabschluss und MI bestanden deutliche Unterschiede bezüglich des Vorhandenseins von Risikofaktoren. Durch die 3-wöchige Rehabilitationsmaßnahme direkt nach dem Krankenhausaufenthalt und das anschließende 12-monatige intensive Präventionsprogramm IPP konnten bei allen Patienten signifikante Verbesserungen der Risikofaktoren bewirkt werden. Entgegen der Studienhypothese war der Effekt des Präventionsprogrammes bei Patienten mit niedrigem Schulabschluss besonders deutlich.
Die Daten unterstreichen die Bedeutung intensiver Langzeit-Präventionsmaßnahmen nach MI und zeigen, dass sie insbesondere auch bei niedrigerem Bildungsstand effektiv und essentiell sind.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org