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Analyse der 1-Jahres-Überlebensraten von vergleichbaren Patientenkollektiven mit “klassischer” und “low-flow low-gradient” Aortenklappenstenose nach TAVI

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Priv.-Doz. Dr. Ulrich Fischer-Rasokat, Bad Nauheim

Patienten, bei denen trotz hochgradiger Aortenklappenstenose (AS) nur niedrige oder mittelgradige transvalvuläre Gradienten (mittlerer transvalvulärer Gradient, TG) gemessen werden, stellen ein Hochrisiko-Kollektiv dar. Der zugrundeliegende Pathomechanismus ist eine manifeste oder nur subklinisch bestehende systolische oder diastolische Dysfunktion des linken Ventrikels, die zu einem reduzierten Schlagvolumen (Schlagvolumenindex, SVI) führt. Der niedrige SVI wiederum kann nur einen niedrigen TG erzeugen. Bei diesen Patienten mit niedrigem SVI und niedrigem TG spricht man von einer low-flow low-gradient AS (LFLG-AS) – im Gegensatz zu einer „klassischen“ high-gradient AS (HG-AS) mit einem TG ≥ 40 mmHg. Eine LFLG-AS „trotz“ normaler Ejektionsfraktion (EF) bezeichnet man als paradoxe LFLG-AS (pLFLG-AS).

Patienten mit LFLG-AS, die einer TAVI zugeführt werden, haben eine deutlich höhere peri- aber auch postinterventionelle Sterblichkeit als Patienten mit HG-AS, was zum einen an der kritischen LV-Funktion, zum anderen an der wesentlich höheren Anzahl von kardialen und nicht-kardialen Begleiterkrankungen liegt. Alle bisherigen Studien konnten nicht unterscheiden, ob die durchweg schlechtere Prognose von Patienten mit low-gradient AS „per se“ durch noch unbekannte intrinsische Faktoren, oder schlicht durch die höhere Rate an begleitenden Komorbiditäten bedingt ist.

Wir bildeten daher aus den 2282 Patienten unserer Datenbank mittels propensity-score matching vergleichbare Kollektive von Patienten mit LFLG-AS (TG < 40 mmHg, EF ≤ 40%, SVI ≤ 35 ml/m2) und HG-AS (TG ≥ 40 mmHg) bzw. pLFLG-AS (TG < 40 mmHg, EF ≥ 50%, SVI ≤ 35 ml/m2) und HG-AS, bei denen eine maximale Übereinstimmung folgender Patientencharakteristika erzielt werden sollte: Alter, Geschlecht, body mass index, Nierenfunktion, EF, Vorkommen von Diabetes mellitus, Vorhofflimmern, COPD und gewählter Zugangsweg (transfemoral vs. transapikal). Durch diese Angleichung wollten wir die Unterschiedlichkeit der Patientenkollektive alleine auf den TG beschränken und somit erstmals die Prognose von Patienten mit low-flow low-gradient AS, unabhängig von weiteren Einflüssen, untersuchen. Endpunkt war die Sterblichkeit nach 1 Jahr.

Zunächst betrachteten wir das gesamte Patientenkollektiv. Es wurden 1052 Patienten mit HG-AS, 166 Patienten mit LFLG-AS und 244 Patienten mit pLFLG-AS klassifiziert. Es zeigten sich wie erwartet signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Kollektiven. Z. B. war zwischen den Patientenkollektiven mit HG-AS und LFLG-AS die Geschlechterverteilung (60 vs. 25 % Frauen) die Rate an Dialysepatienten (1.5 vs. 4.8 %), Diabetes mellitus (29 vs. 44%), 3-Gefäß-KHK (21 vs. 51%), vorangegangenem Myokardinfarkt (12 vs. 34 %) oder Vorhofflimmern (33 vs. 59%) und natürlich die EF (59 ± 10 vs. 30 ± 7%) signifikant unterschiedlich. Die Überlebenskurven sind in Abb. 1 aufgeführt. Die Sterberaten nach einem Jahr betrugen: HG-AS vs. LFLG-AS vs. pLFLG-AS) 135 (12.8%) vs. 49 (29.5%) vs. 49 (20.1%). Insgesamt zeigte sich in dem Gesamtkollektiv, dass die 1-Jahres-Sterblichkeit mit dem hämodynamischen Typus der AS und dem Ausmaß der Begleiterkrankungen assoziiert waren.

Nun führten wir das Patienten-matching durch und identifizierten 68 Patienten mit HG-AS und 68 Patienten mit LFLG-AS mit gleichartigen Basischarakteristika inklusive EF (32 ± 9 vs. 33 ± 6%; p=0.678). Entsprechend hatten die Patienten beider Kollektive (HG-AS vs. LFLG-AS) einen im Mittel gleich hohen STS score von 7.9 ± 5.8 vs. 8.3 ± 6.9% (p=0.657). Die mediane Nachverfolgungszeit betrug 365 [132; 365] vs. 323 [78; 365] Tage (p=0.082). Die Kaplan-Meier-Überlebenskurven waren signifikant (p=0.039) unterschiedlich (siehe Abb. 2) mit Sterberaten von 11 vs. 21 Patienten (HR 2.12; 95% CI 1.02 – 4.39, p=0.044). Die Sterberate von Patienten mit LFLG-AS war zu allen drei Zeitpunkten gegenüber Patienten mit HG-AS erhöht: intrahospital (11.8 vs. 4.4 %; p=0.116), nach 30 Tagen (13.2 vs. 5.9%; p=0.145) und nach einem Jahr (30.9 vs. 16.2 %; p=0.050). Die Ergebnisse blieben für die Berechnung des alleine kardiovaskulär bedingten Todes unverändert.

113 Patienten mit HG-AS und 113 gleichartige Patienten pLFLG-AS wurden identifiziert. Der STS-score betrug 6.1 ± 3.9 vs. 5.4 ± 3.7% (p=0.168), die EF war 61 ± 9 vs. 59 ± 7% (p=0.162), die mediane Nachverfolgungszeit 365 [162; 365] vs. 352 [85; 365] Tage (p=0.152). Die Überlebenskurven beider Patientenkollektive waren identisch (p=0.468, siehe Abb. 3) mit Sterberaten von 18 vs. 21 Patienten (HR 1.12; 95% CI 0.82 – 1.54; p=0.469).

Wir verglichen schließlich den SVI von Überlebenden und Toten in den Studienkollektiven. In dem Kollektiv HG-AS plus LFLG-AS war der mittlere SVI von Überlebenden (27.3 ± 7.6 ml/m2) und gestorbenen Patienten (26.8 ± 8.4 ml/m2) nicht unterschiedlich (p=0.786). Gleichermaßen ergaben sich in dem Kollektiv HG-AS plus pLFLG-AS keine Unterschiede (33.4 ± 8.8 vs. 34.1 ± 16.7 ml/m2; p=0.457).

In dieser Studie haben wir uns bemüht, die Prognose von Patienten mit HG-AS, LFLG-AS und pLFLG-AS möglichst ohne den Einfluss begleitender Faktoren wie EF, Geschlecht, kardiovaskuläres Risiko und Begleiterkrankungen zu vergleichen. Während die 1-Jahres-Sterberate von Patienten mit LFLG-AS etwa doppelt so hoch war im Vergleich zu Patienten mit HG-AS, zeigte sich kein Unterschied in der Sterblichkeit von Patienten mit pLFLG-AS und HG-AS. Es bleibt aktuell völlig unklar, welche Faktoren diese unterschiedlichen Prognosen bedingen.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org