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Deutsche Gesellschaft der Kardiologie präsentiert digitale Apps, die mit interaktiven Leitlinien die Behandlungsqualität verbessern sollen

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Statements Prof. Dr. Peter Radke, Chefarzt Schön Klinik Neustadt, und Prof. Dr. Martin Möckel, Ärztlicher Leiter Notfallmedizin/Rettungsstellen und Chest Pain Units CVK/CCM, Charité – Universitätsmedizin Berlin

 

Prof. Dr. Peter Radke

Fast zehn Jahre lang haben Professor Möckel und ich mit einer Gruppe von Kollegen daran gearbeitet. Deshalb freue ich mich besonders, dass wir Ihnen heute exklusiv – und noch bevor wir es auf der 84. Jahrestagung der Deutsche Gesellschaft für Kardiologie präsentieren – einen Einblick in das Ergebnis unserer Bemühungen präsentieren können: Eine Reihe von Apps für den Krankenhausbetrieb, mit der die leitlinienbasierten Behandlungspfade für die wichtigsten akuten kardiologischen Erkrankungen dargestellt werden.

Dass die Besucher der Jahrestagung das Kongressprogramm auf einer Handy-App präsentiert bekommen, ist mittlerweile selbstverständlich. Im Medizinbetrieb sind digitale Orientierungshilfen aber nach wie vor eher die Ausnahme. Sie erinnern sich: Noch vor wenigen Jahren war die Benutzung eines Mobiltelefons im Krankenhaus absolut tabu, weil viele meinten, allfällige Interferenzen könnten die empfindlichen Geräte stören. Dieser skeptische Umgang mit den modernen Kommunikationsmöglichkeiten hat dazu geführt, dass heute deutschlandweit zwar Leitlinien von 177 medizinischen Fachgesellschaften existieren, davon aber gerade erst 15 in interaktiver Form verfügbar sind. Das ist der Grund, warum die DKG eine eigene Task Force „Medical Apps in der Kardiologie“ etabliert hat.

Mit den dort entwickelten Clinical Decision Support Tools (CDS Tools) betreten wir gleich in mehrfacher Hinsicht Neuland. Sie ist die erste, die auf klaren, allgemein akzeptierten und vor allem publizierten Regeln beruht, auf individueller Patientenbasis arbeitet, auch parallel ablaufende Prozesse berücksichtigt und perspektiv den gesamten Entscheidungsprozess zur Patientendokumentation hinzufügen kann.

Die Applikation bildet sechs kardiologische Notfälle ab – Leitsymptom akuter Brustschmerz, ST- Hebungsinfarkt, Akutes Koronarsyndrom, infarktbedingter kardiogener Schock, akutes Aortensyndrom und die Lungenarterienembolie – und führt Ärztinnen und Ärzte Schritt für Schritt durch die sensible Phase der Akutbehandlung.

 

 

Statement Prof. Dr. Martin Möckel

Wie Sie eben gesehen haben, bilden ganz konkrete Ereignisprozessketten das Rückgrat unserer Apps. Jede davon beruht auf gültigen Leitlinien, die in der bisherigen Form leider oft schwer auf die konkrete Arbeitssituation umsetzbar waren. Unser Ansatz war, diese in eine realitätsnahe, einfach verständliche und für jedermann nachvollziehbare Form zu bringen.

Die Checklisten zeigen, ähnlich wie wir das im Flugverkehr schon lange kennen, mit wenigen Abfragen rasch und übersichtlich, welche Patienten akut besonders gefährdet sind und welche Prozesse wann eingeleitet werden müssen. So soll beispielsweise sichergestellt werden, dass bei akutem Thorax-Schmerz innerhalb von zehn Minuten ein EKG abgeleitet wird oder ein Infarktpatient im Krankenhaus binnen 60 Minuten einer Katheteruntersuchung- und -behandlung zugeführt wird.

Eine an den Leitlinien der Fachgesellschaften orientierte Behandlung von Patienten mit akuten Erkrankungen des Herzens führt zu besseren Ergebnissen. Es ist jedoch leider auch bekannt, dass die Leitlinienadhärenz in Krankenhäusern sehr unterschiedlich sein kann und an vielen Stellen zumindest verbesserungswürdig ist.

Wir gehen davon aus, dass der Einsatz der Apps zu einer Verbesserung der Leitlinientreue und in der Folge auch der klinischen Ergebnisse in der kardiologischen Versorgung bringen wird. Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass die penible Einhaltung von Leitlinien ganz entscheidenden Einfluss auf die Behandlungsqualität hat. In einer großen Studie unter Einschluss von fast 40.000 Patienten zeigt sich beispielsweise eine klare Korrelation zwischen einer hohen Leitlinientreue und einer niedrigen Sterblichkeitsrate aber auch weniger Blutungskomplikationen bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom.

Wir hoffen sehr, dass die demnächst verfügbare digitale Hilfestellung auf breiter Basis angenommen wird. Schließlich zeigt auch der kürzlich vorgestellte Digitalisierungsreport der Deutschen Ärztekammer, dass sich jeder zweite Arzt die schnelle Verbreitung medizinischer Erkenntnisse auf digitalem Weg wünscht. Bei mehr als 600 befragten Ärztinnen und Ärzten standen digitale Lösungen für Leitlinien sogar auf Platz eins.

Was uns im gesamten Entstehungsprozess besonders wichtig war, ist größtmögliche Transparenz. Das betrifft nicht nur die Offenlegung der Finanzierung durch die Fachgesellschaft, wir haben auch alle hinterlegten Prozesse vorab publiziert und zur Diskussion gestellt. Wir sind sicher, dass dies sowie aber auch die intuitive Bedienbarkeit die Akzeptanz der Apps weiter erhöhen wird und diese zu mehr Sicherheit und besseren Behandlungsergebnissen von akut herzkranken Patienten beitragen können.

Quelle: Mehta RA, et al. Circulation. 2015;131:980-987