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Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Patienten mit interventionellem Verschluss des linken Herzohrs – Ergebnisse aus dem Coburger LAA-Verschlussregister

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Dr. Steffen Schnupp, Prof. Dr. Johannes Brachmann, Dr. Christian Mahnkopf, Coburg

Hintergrund:

Geschlechtsspezifische Unterschiede haben das Potenzial, diagnostische und therapeutische Interventionen zu beeinflussen und Herzrhythmusstörungen sind keine Ausnahmen davon. Vorhofflimmern (AF) ist die am häufigsten anzutreffen Herzrhythmusstörung in der klinischen Praxis.

Die Inzidenz von Vorhofflimmern (pro 1000 Personenjahre) liegt in den aktuellen Studien zwischen 1,6 und 2,7 bei Frauen und zwischen 3,8 und 4,7 bei Männern. Damit betrifft VHF weltweit Millionen Patienten mit weitreichenden soziomedizinischen Folgen, da es unter anderem mit einem erhöhten Risiko für einen ischämischen Schlaganfall assoziiert ist. Die Prävalenz von VHF nimmt mit dem Alter zu, so beträgt diese bei über 60-jährigen etwa vier Prozent, bei über 70- jährigen sieben Prozent und bei der Altersgruppe der über 84-jährigen beträgt die Häufigkeit von Vorhofflimmern 17 Prozent. Zu den vielen negativen Auswirkungen von VHF zählt unter anderem eine Erhöhung der Mortalität auf das Doppelte, das vermehrte Auftreten von Schlaganfällen und anderen thrombembolisch bedingten Ereignissen, Herzversagen, häufigere Krankenhausaufenthalte und eine Minderung der Lebensqualität durch Palpitationen und Leistungsminderung.

Die orale Antikoagulation mit einem Vitamin K-Antagonisten oder mit einem direkten Faktor X/ Thrombininhibitor wird erfolgreich in der Schlaganfallprophylaxe bei VHF-Patienten eingesetzt.  Obwohl diese Therapie den Goldstandard darstellt, können und werden nicht alle VHF-Patienten oral antikoaguliert. Häufiger erleiden viele Patienten mit Vorhofflimmern, sowohl unter Vitamin K-Antagonisten als auch unter den neuen direkten oralen Antikoagulantien, als Komplikation mehr oder minder schwere Blutungsereignisse oder sind aufgrund von Komorbiditäten nicht in der Lage, eine orale Antikoagulation einzunehmen.

Aus diesem Grund haben alternative therapeutische Ansätze, die das Schlaganfallrisiko bei VHF  effektiv senken könnten, eine große und aufgrund des demographischen Wandels auch eine zunehmende klinische Bedeutung.

Da sich 90 Prozent der Thromben im linken Vorhofohr bilden, ist der interventionelle Vorhofohrverschluss (LAAC) für diese Patientengruppe eine Alternative zur Schlaganfallprophylaxe. Die Ergebnisse einer randomisierten Studie (Protect AF – Vergleich des Watchman Systems vs. orale Antikoagulation) haben gezeigt, dass der LAAC einer oralen Antikoagulation in Bezug auf die Verhinderung von Schlaganfällen vergleichbar ist. Im Trend traten sogar weniger Ereignisse in der Device-Gruppe auf und im Langzeitverlauf war hier sogar eine Reduktion der Mortalität zu verzeichnen. Die Rate an Blutungsereignissen ist bei den Patienten deutlich reduziert.

Alter und weibliches Geschlecht sind mit einem höheren Schlaganfallrisiko bei VHF assoziiert. Obwohl die altersadjustierte Prävalenz VHF  bei Männern relativ höher ist als bei Frauen, ist die absolute Zahl der Arrhythmiepatienten zwischen den Geschlechtern vergleichbar. Ausgehend von der Annahme, dass bei Frauen im Vergleich zu Männern höhere Komplikationsraten wie ischämische Schlaganfälle und Blutungen unter OAK auftreten, könnte die seltenere Indikationsstellung bei Frauen zum Vorhofohrverschluss in diesem Fall als möglicher Versorgungsmangel verstanden werden. In den bisher publizierten Studien zum Thema Vorhofohrverschluss wurde geschlechtsspezifischen Unterschieden keine wesentliche Bedeutung beigemessen. In unserer aktuellen Studie haben wir die klinischen Merkmale und Ergebnisse  von Männern und Frauen aus dem Coburger LAA verglichen.

Methoden:

Von Oktober 2016 bis März 2018 wurden insgesamt 201 konsekutive Patienten (115 Männer, 79,6 ± 6,4 Jahre) in das Register aufgenommen. Alle Patienten unterzogen sich erfolgreich dem LAA Verschluss mit dem Watchman-Device (Boston Scientific). Neben demographischen Daten, Komorbiditäten und aktueller Medikation wurden sämtliche prä- und periprozedurale Parameter erfasst. Eine transösophageale Echokardiographie wurde bei allen Patienten vor und 3 Monaten nach LAA-Verschluss (LAAC) zur Beurteilung des Einheilungserfolges durchgeführt.  Zusätzlich wurde eine EQ-5D Fragebögen (umfasst Mobilität, Selbstversorgung, Alltagsaktivitäten, Schmerzen / Unbehagen, Angst / Depression und Gesundheitszustand) bei allen Patienten vor und 3 Monate nach der Implantation ausgefüllt.

Ergebnisse:

Frauen waren signifikant älter (79,6 ± 6,5 vs. 77,0 ± 7,9; p = 0,01) als Männer. Eine koronare Herzkrankheit (KHK) war häufiger bei Männern (69,57% gegenüber 46,51%, p = 0,001), während der CHADS2-VASC-Score bei Frauen höher war (4,7 vs 4.1, p = 0.0009). Die Anatomie des LAA, die prozeduralen Daten und die Komplikationsrate waren vergleichbar (Tabelle 1). Die primäre Erfolgsrate war bei Männern und Frauen vergleichbar (96,2% vs. 98,8%, p = 0,307). Signifikante Unterschiede fanden sich bei der Auswertung des EQ5D Fragebogens. Frauen hatten eine höhere Punktzahl für Angst / Depression (1,41 vs 1,8; p = 0,01) vor der Implantation, während andere Parameter von EQ-5D vergleichbar waren. Drei Monate nach LAAC zeigten Frauen eine signifikante Verbesserung der Mobilität, der Selbstversorgung und der Alltagsaktivitäten, während alle Werte für Männer stabil blieben. Der Score für Angst / Depression war in beiden Gruppen nach LAAC vergleichbar. Die Selbstversorgung war bei Frauen nach LAAC im Vergleich zu Männern signifikant besser (Tabelle 1). Frauen hatten 3 Monate nach der Implantation eine signifikante Verbesserung im generellen, subjektiv bewerteten Gesundheitszustand. (54 ± 17 Vs. 63,4 ± 20,5; p = 0,03).

Männer Frauen p-Value
     
Anzahl 115 86  
Alter 77.0±7.9 79.6±6.4 0.01
KHK 80 40 0.001
CHADS2-Vasc 4,1 4,7 0,0009
Ejection fraction 49,1 48,9 <0.0001
     
Anatomie      
Cactus (n) 12 12 n.s.
Chickenwing (n) 42 31 n.s.
Windsock (n) 30 21 n.s.
Cauliflower (n)      
Opening zone (mm) 21,90 22,10 n.s
Landing zone (mm) 25,5 25,1 n.s.
Lobes (n) 1,7 1,5 n.s.
     
Implantation      
Erfolgsrate (%) 96,2 98,8 n.s.
Komplikationsrate (%) 4,8 5,1 n.s.
     
     
EQ-5D-3L      
Mobilität vor LAAC 1,79 1,9 n.s.
Mobilität nach LAAC 1,57 1,6 n.s.
p-Value n.s. 0.03  
Selbstversorgung vor LAAC 1,68 1,4 n.s.
Selbstversorgung nach LAAC 1,62 1,27 0.01
p-Value n.s. 0.04  
Alltagsaktivitäten vor LAAC 1,94 2 n.s.
Alltagsaktivitäten nach LAAC 1,87 1,7 n.s.
p-Value n.s. 0.02  
Schmerzempfinden vor LAAC 1,66 1,6 n.s.
Schmerzempfinden nach LAAC 1,7 1,77 n.s.
p-Value n.s. 0.33  
Angst/Depression vor LAAC 1,41 1,8 0.01
Angst/Depression nach LAAC 1,34 1,57 n.s.
p-Value n.s. 0.07  
Gesamt vor LAAC 8,36 8,7 n.s.
Gesamt nach LAAC 8,06 7,9 n.s.
p-Value n.s. 0.06  
Gesundheitsstatus vor LAAC 60 54 n.s.
Gesundheitsstatus nach LAAC 60 63,4 n.s.
p-Value n.s. 0.03  

Tabelle 1

Fazit:

Unsere aktuellen Daten zeigen, dass der interventionelle Vorhofohrverschluss bei Patienten mit VHF eine sichere und wirksame therapeutische Option für beide Geschlechter ist. Bemerkenswert ist die signifikante Verbesserung der Mobilität, der Selbstversorgung, der üblichen Aktivitäten und des allgemeinen Gesundheitszustands bei weiblichen Patienten nach LAAC im Vergleich zu männlichen Patienten. Diese möglichen Verbesserungen, die höchstwahrscheinlich durch das Absetzen der oralen Antikoagulation verursacht werden, sollten in der Indikationsstellung für einen LAAC insbesondere bei weiblichen Patienten berücksichtigt werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org