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Erhöhte intra-hospitale Mortalität bei Frauen mit STEMI im Vergleich zu Männern trotz des gleichen technischen Erfolges bei der PCI – Ergebnisse des Koronarangiographie- und PCI-Registers der DGK

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Dr. Tobias Heer, München

Im Deutschen Herzreport von 2013 wurde berichtet, dass die Mortalität nach akutem Herzinfarkt bei Männern seit 1980 und bei Frauen seit 1995 deutlich abgenommen hat (1). Bei Männern war der Rückgang mit etwa 50% stärker ausgeprägt als bei Frauen, welche eine um 35% reduzierte Sterblichkeit zeigten. Ganz ähnliche Ergebnisse fanden sich in einer Analyse von Daten der WHO, in welcher die Mortalität aufgrund einer koronaren Herzerkrankung (KHK) in europäischen Ländern verglichen wurde (2). Innerhalb der letzten 25 Jahre zeigte sich in Europa ein Rückgang der altersadjustierten KHK-Mortalität bei beiden Geschlechtern, um durchschnittlich 49% bei Männern und 39% bei Frauen. Die Gründe für diese Geschlechtsunterschiede konnten noch nicht eindeutig geklärt werden. Es wurde spekuliert, ob Frauen mit Herzinfarkt schlechter behandelt werden als Männer, d. h. sie weniger Herzkatheter erhalten, weniger perkutane koronare Interventionen (PCI), weniger Bypass-Operationen, sie weniger häufig eine leitliniengerechte medikamentöse Therapie bekommen oder sie mehr Komplikationen bei invasiven Eingriffen erleiden. Interessanterweise war sowohl im Deutschen Herzreport 2013, als auch in den Untersuchungen der WHO-Daten die altersadjustierte Infarkt-Sterblichkeit bei Männern im Vergleich zu Frauen in Europa etwa doppelt so hoch, was bisweilen divergent dargestellt wird, insbesondere in der Laienpresse („weibliche Todesseuche“).

Ziel der vorliegenden Auswertung war es, Geschlechtsunterschiede bei der Primär-PCI bei ST-Hebungsinfarkt (STEMI-PCI) in einem großen Koronarangiographie- und PCI-Register in Deutschland im Hinblick auf primäre Erfolgsrate, intra-hospitalen Verlauf und intra-hospitale Mortalität zu untersuchen. Patienten im kardiogenen Schock wurden nicht in die Analyse eingeschlossen.

Von 2007 bis einschließlich 2009 wurden Daten von 185.312 PCIs aus 218 Krankenhäusern in ganz Deutschland im Rahmen des Koronarangiographie- und PCI-Registers der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) prospektiv erfasst. Es handelt sich dabei um Daten der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS) und der Arbeitsgemeinschaft Leitende Kardiologische Krankenhausärzte (ALKK). 27,9% aller PCIs wurden bei Frauen durchgeführt. Eine STEMI-PCI erfolgte bei 9156 Frauen (4,9% aller PCIs, 27,8% der STEMI-PCIs) und 23 830 Männern (12,9% aller PCIs, 72,2% der STEMI-PCIs). Das Durchschnittsalter bei der STEMI-PCI lag bei Frauen 7 Jahre über dem von Männern (74 versus 67 Jahre). Frauen hatten seltener als Männer eine PCI oder eine aortokoronare Bypass-Operation in der Vorgeschichte.

Die primäre Erfolgsrate (TIMI-Fluss >2, Stenose nach Stent <20%, Stenose nach Ballondilatation ohne Stent <50%) einer STEMI-PCI war bei beiden Geschlechtern statistisch nicht unterschiedlich (Frauen 93,5%, Männer 94,7%) mit etwa gleich hohem Stentanteil (Frauen 91,1%, Männer 92,4%, Unterschied ebenfalls nicht signifikant). Es gab keine Geschlechtsunterschiede im Anteil einer STEMI-PCI bei komplettem Gefäßverschluss, bei PCI in mehreren Gefäßen oder bei PCI einer ostialen Stenose. Die STEMI-PCI eines aortokoronaren Bypasses war bei Männern häufiger als bei Frauen (2,2% versus 1,1%). Frauen mit STEMI mussten häufiger als Männer im Herzkatheterlabor reanimiert werden (1,4% versus 1,0%). In der Subgruppenanalyse von Prädiktoren der hospitalen Mortalität fanden sich allenfalls geringe Geschlechtsunterschiede (siehe Abbildung)

Die intra-hospitale Sterblichkeit von Frauen mit STEMI-PCI lag etwa 20% über der von Männern. Ebenso waren schwerwiegende intra-hospitale kardiale oder cerebrovaskuläre Komplikationen (major adverse cardiac or cerebrovascular events (MACCE) = Tod, nicht-tödlicher Myokardinfarkt, nicht-tödlicher Schlaganfall, transitorische ischämische Attacke) bei Frauen mit STEMI-PCI um etwa 20% häufiger als bei Männern. Komplikationen am Gefäßzugang waren bei Frauen mehr als doppelt so hoch (siehe Tabelle).

  Frauen mit STEMI-PCI
ohne kardiogenen Schock
n= 9156 (27,8 %)
Männer mit STEMI-PCI
ohne kardiogenen Schock
n= 23830 (72,2 %)
Alters-adjustierte
Odds Ratio (95%-CI)
Hospitaler Tod 6.3 % (581/9156) 3.6 % (854/23830) 1.19 (1.06-1.33)
Hospitale MACCE 6.8 % (621/9156) 3.9 % (924/23830) 1.20 (1.08-1.34)
Komplikationen am Gefäßzugang 2.2 % (201/9142) 0.8 % (201/23808) 2.32 (1.89-2.85)

 

Zusammenfassend konnten wir zeigen, dass 28% aller STEMI-PCIs bei Frauen durchgeführt wurden. Es gab keinen Unterschied bei der primären Erfolgsrate (= technischer Erfolg) der STEMI-PCI bei Frauen und Männern. Die intra-hospitale Mortalität und die intra-hospitale MACCE-Rate nach STEMI-PCI lagen nach Altersadjustierung bei Frauen jeweils 20% über der von Männern. In einer Subgruppenanalyse konnte keine Erklärung für diesen Unterschied gefunden werden. Komplikationen am Gefäßzugang nach STEMI-PCI waren bei Frauen mehr als doppelt so häufig wie bei Männern. Die Gründe für diese Geschlechtsunterschiede müssen weiter untersucht werden.

Literatur

  1. Meinertz T, Diegeler A, Stiller B, Fleck E, Heinemann MK, Schmaltz AA, et al. German heart report 2013. Clinical research in cardiology : official journal of the German Cardiac Society. 2015;104:112-23.
  2. Nichols M, Townsend N, Scarborough P, Rayner M. Trends in age-specific coronary heart disease mortality in the European Union over three decades: 1980-2009. European heart journal. 2013;34:3017-27.

Anmerkung
Die vorgestellten Daten sind Teil eines Manuskripts mit dem Titel „Sex differencens in percutaneous coronary intervention – insights from the coronary angiography and PCI registry of the German Society of Cardiology“, das am 24. Januar 2017 zur Publikation im “Journal of the American Heart Association” (JAHA) angenommen wurde.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org