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Early versus delayed invasive strategies in patients with non ST-elevation acute coronary syndrome: A collaborative individual patient data-based meta-analysis of randomized trials

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Dr. Alexander Jobs, Lübeck

Die aktuellen europäischen Leitlinien zum akuten Koronarsyndrom ohne persistierende ST-Hebung empfehlen die invasive Koronarangiographie primär für jeden Patienten mit sehr hohem, hohem und intermediärem Risiko. Hinsichtlich des Zeitpunktes der invasiven Koronardiagnostik sind die Empfehlungen anhand des Risikoprofils gestaffelt. Für Patienten mit sehr hohem Risiko wie bei kardiogenem Schock, lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen oder persistierenden Beschwerden sollte die invasive Diagnostik innerhalb von 2 Stunden erfolgen. Die Leitlinienkommission erachtet das Risiko für alle stabile Patienten mit einem Myokardinfarkt ohne ST-Hebung (engl. non ST-segment elevation myocardial infarction; NSTEMI) als hoch und empfiehlt hier eine invasive Koronarangiographie innerhalb von 24 Stunden. Diese Empfehlung basiert auf Meta-Analysen von verschiedenen Studien die den optimalen Zeitpunkt der invasiven Koronarangiographie (frühe oder späte Strategie) untersucht haben. Keine Einzelstudie war gepowert, um einen Vorteil hinsichtlich harter klinischer Endpunkte (z.B. singulär Mortalität oder Myokardinfarkt) für eine der Therapiestrategien zu detektieren. Die größte Studie, TIMACS, randomisierte 3031 Patienten und zeigte einen Vorteil für die frühe Koronarangiographie in einer präspezifizierten Subgruppe. Patienten mit einem GRACE Risiko-Score >140 Punkten erreichten den kombinieren Endpunkt Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall signifikant seltener während der Nachbeobachtungszeit von sechs Monaten. Aber auch in dieser großen Studie gelang es nicht, einen Vorteil hinsichtlich der Mortalität für eine der Behandlungsgruppen nachzuweisen. Auch bisher publizierte Meta-Analysen, welche auf publizierten Daten basierten, gelang es nicht einen Vorteil hinsichtlich harter klinischer Endpunkte zu zeigen. Lediglich die Häufigkeit wiederkehrender/anhaltender Ischämiesymptome und die Dauer des Krankenhausaufenthaltes wurden nachweislich reduziert. Da nicht alle Studien einheitlich ihre Ergebnisse für Subgruppen publizierten, war es bisher nicht möglich solche in eine Meta-Analyse einfließen zu lassen. Um hier ein genaueres Bild über die optimale Behandlung von Patienten mit NSTEMI zu erhalten, initiierten wir eine kollaborative Meta-Analyse aller in Frage kommender Studien.

Durch eine systematische Literatursuche (EMBASE, CENTRAL, MEDLINE) wurden elf randomisierte, kontrollierte Studien, die den Zeitpunkt der Koronarangiographie bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne persistierende ST-Hebung untersucht haben, identifiziert. Die Studienleiter von acht Studien (zusammengenommen 5324 Patienten) stimmten der Teilnahme an der kollaborativen Meta-Analyse und der Bereitstellung von Individualdaten oder erweiterten, vorher nicht publizierten Aggregatdaten zu. Die Patientendaten wurden einheitlich kodiert und für jede Studie in einem Tabellendokument zur zentralen Analyse gespeichert. Analysiert wurden die Gesamtmortalität und Myokardinfarkt als time-to-event Endpunkt (Effektmaß: Hazard Ratio und dessen 95% Konfidenzintervall; HR bzw. 95% CI). Zunächst erfolgte die Analyse für jede Studie separat. Die individuellen Ergebnisse wurden dann in einem random effects Modell gepoolt.

Bei Analyse aller Patienten, die in die acht Studien eingeschlossen wurden, ergibt sich mit einer HR 0,81 (95% CI 0,64-1,03) kein signifikanter Vorteil hinsichtlich der Gesamtmortalität für eine frühe im Vergleich zu einer späteren Koronarangiographie. Die individuellen Patientendaten ließen Subgruppen-Analysen für Hochrisiko-Patienten mit positiven kardialen Biomarkern, Diabetes mellitus, einem Alter ≥75 Jahre und einem GRACE Risiko-Score >140 Punkten zu. In all diesen Subgruppen zeigte sich ein signifikanter Vorteil einer frühen Koronarangiographie hinsichtlich der Gesamtmortalität (siehe Tabelle 1). Damit ist dies die erste Meta-Analyse, die einen Mortalitätsvorteil für Hoch-Risiko-Subgruppen von Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne persistierende ST-Hebung zeigt. 

Subgruppe HR (95% CI) P-Wert
Kardiale Biomarker positiv 0,76 (0,58-1,00) 0,046
Diabetes mellitus 0,67 (0,45-0,99) 0,046
Alter ≥75 Jahre 0,65 (0,46-0,93) 0,017
GRACE Risiko-Score >140 Punkte 0,70 (0,52-0,95) 0,02

Tabelle 1

Bei der Interpretation der Ergebnisse muss man sich vergegenwärtigen, was frühe oder späte Koronarangiographie in den einzelnen Studien bedeutete. Dies ist in Abbildung 1 grafisch dargestellt. Während nahezu alle Patienten in der frühen Gruppe (rot) innerhalb von 24 Stunden invasiv dargestellt wurden, ist die Heterogenität in der späten Gruppe (blau) deutlich größer. In den meisten Studien wurden Patienten in der späten Gruppe erst nach 24 Stunden kathetert. Allerdings wurden in ABOARD, LIPSIA-NSTEMI und der Studie von Sciahbasi et. al die Mehrzahl von Patienten in der späten Gruppe auch innerhalb von 24 Stunden invasiv untersucht. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die statistische Heterogenität der Mortalitätsanalyse. So ist die Varianz zwischen den Studien, mit einem Higgins und Thompsons I2 von 0 sehr klein.

Da alle Studien vor der Ära hochsensitiver Troponin-Assays durchgeführt wurden, ist davon auszugehen, dass alle eingeschlossenen Patienten mit positiven kardialen Biomarkern nach heutiger Definition einen NSTEMI gehabt haben. Somit untermauert diese Meta-Analyse die aktuell gültige Leitlinienempfehlung, Patienten mit infarkttypischer Troponin-Dynamik (= NSTEMI) und einem GRACE Risiko-Score >140 Punkten innerhalb von 24 Stunden einer invasiven Koronardiagnostik zuzuführen.

Bisher ist die Nebendiagnose Diabetes mellitus in den aktuellen Leitlinien ein Marker für ein intermediäres Risiko, bei dessen Vorliegen empfohlen wird, die Koronarangiographie innerhalb von 72 Stunden durchzuführen. Das Alter wird bisher gar nicht als spezifischer Risikomarker angeführt. Die genannten Ergebnisse unserer Meta-Analyse weisen darauf hin, dass eine frühe Koronarangiographie innerhalb von 24 Stunden auch in diesen beiden Patientengruppen vorteilhaft in Bezug auf die Mortalität zu sein scheint.

Hinsichtlich des Endpunktes Myokardinfarkt gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den untersuchten Gruppen. Im Gegensatz zur Mortalität gab es eine erhebliche Heterogenität (I2 = 65,5%). Diese Heterogenität wird großteilig durch die unterschiedliche Definition des Endpunktes in den einzelnen Studien bedingt sein.

Zusammenfassend zeigte sich in unserer gemeinschaftlichen Meta-Analyse, dass bezogen auf die Gesamtkohorte von Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne persistierende ST-Hebung der Zeitpunkt der invasiven Koronarangiographie keinen signifikanten Einfluss auf die Gesamtmortalität hat, aber explorative Subgruppenanalysen darauf hindeuten, dass für spezifische Risikopatienten die frühe Koronarangiographie einen Überlebensvorteil bietet.

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