Neue Erkenntnisse zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen
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Statement Prof. Dr. Martin Borggrefe, Mannheim, Präsident der 83. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie: Pressekonferenz, 19. April 2017
Wenn das Herz aus dem Takt gerät, kann das lebensbedrohliche Folgen haben. Die diesjährige Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie steht aus gutem Grund unter dem Motto „Rhythmus des Lebens“: Herzrhythmusstörungen gehören zu den häufigsten kardialen Erkrankungen – und sie werden schon aufgrund der steigenden Lebenserwartung zu einem immer wichtigeren Thema. Wie der aktuelle Deutsche Herzbericht zeigt, ist sowohl bei der Erkrankungshäufigkeit als auch bei der Sterblichkeit ein Anstieg zu verzeichnen. Waren im Jahr 1995 Herzrhythmusstörungen noch für 282 Fälle einer stationären Krankenhausaufnahme pro 100.000 Einwohner verantwortlich, lag dieser Wert 2015 bereits bei 560 Fällen. Wir rechnen damit, dass sich die Zahl der Betroffenen in den nächsten 50 Jahren zumindest weiter verdoppeln wird.
Sechs Millionen Menschen leiden in Europa unter Vorhofflimmern, der häufigsten unter den vielfältigen Formen von Herzrhythmusstörungen. Diese gut behandelbare supraventrikuläre Rhythmusstörung betrifft vor allem ältere Menschen: Laut dem aktuellen Deutschen Herzbericht sind rund ein Prozent der Gesamtbevölkerung von Vorhofflimmern betroffen. Bei über 70-Jährigen sind es aber bis zu zehn Prozent.
Mit neuen Erkenntnissen zu diesen verbreiteten Herzerkrankungen werden wir uns bei der 83. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie intensiv beschäftigen. Wir erwarten rund 8.500 Expertinnen und Experten aus ganz Europa. Die finnische Kardiologengesellschaft ist in diesem Jahr Partner der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie wird von ihrem Präsidenten, Prof. Jeroen Bax von der Universität Leiden, Niederlande, vertreten.
Plötzlicher Herztod: Risikopatienten identifizieren
Eine besonders dramatische Folge von Herzrhythmusstörungen ist der plötzliche Herztod, an dem in Deutschland schätzungsweise etwa 200.000 Menschen jährlich sterben. In den meisten Fällen ist eine strukturelle Herzerkrankung verantwortlich, etwa in der Folge eines überstandenen Herzinfarkts oder einer Herzinsuffizienz.
In seltenen Fällen sind aber auch Menschen mit scheinbar gesundem Herzen betroffen: Fünf Prozent der Todesfälle gehen auf das Konto einer genetisch bedingten Störung der Erregbarkeit von Nerven- oder Muskelzellen, den Ionenkanal-Erkrankungen. Eine solche Ionenkanal-Erkrankung, das Brugada Syndrom, steht im Mittelpunkt der „2017 Lecture on Clinical Science“ unserer Jahrestagung: Der namensgebende Experte, Prof. Pedro Brugada von der Universitätsklinik Brüssel, der die Erkrankung gemeinsam mit seinem Bruder Josep in den 1990er Jahren erstmals beschrieben hat, wird über aktuelle Entwicklungen zu Diagnose und Therapie dieses seltenen und meist angeborenen Syndroms berichten.
Es gibt inzwischen erhebliche Fortschritte, wie Risikopatienten für einen plötzlichen Herztod identifiziert und behandelt werden können. Wir wissen zum Beispiel aus Langzeitdaten der Framingham Heart Studie, dass Männer um die 45 Jahre mit hohem Blutdruck oder Raucher über 65 Jahre besondere Risikogruppen für den plötzlichen Herztod sind. Wünschenswert wären neue Biomarker oder Gendiagnostik, um Risikoträger noch besser identifizieren zu können.
Auf der DGK-Jahrestagung werden auch neue Therapiemöglichkeiten wie subkutane oder tragbare Defibrillatoren diskutiert: Diese dürften bei der Prävention des plötzlichen Herztodes künftig eine wichtige Rolle spielen, in den aktuellen europäischen Leitlinien werden jetzt erstmals auch Empfehlungen für diese abgegeben. Allerdings fehlen derzeit noch kontrollierte randomisierte Studien.
Fortschritte gibt es auch auf dem Gebiet der Schrittmacher-Technologie: Angesicht der Tatsache, dass es etwa bei einem Fünftel von Patienten mit herkömmlichen Herzschrittmachern innerhalb von fünf Jahren zu Problemen mit den Sonden kommt, sind neue Technologien, die ohne Sonden und Kabel auskommen, vielversprechend. Bei kabellosen Schrittmachern handelt es sich um kleine zylinderförmige Geräte, die über Katheter in die rechte Herzkammer eingebracht und dort fixiert werden. Welche Erfahrungen bisher mit diesen Systemen gewonnen wurden, ist für die klinische Praxis und die weitere Forschung von Interesse.
Programmschwerpunkt Vorhofflimmern
Ein wichtiger Schwerpunkt des Kongressprogramms ist der Volkskrankheit Vorhofflimmern gewidmet. Diese Erkrankung ist multifaktoriell, eine genetische Prädisposition kann mit eine Rolle spielen. In Zukunft dürften uns hier neue Möglichkeiten der Prävention zur Verfügung stehen: Neue Studien zeigen, dass in der Arrhythmie-Genese neben der genetischen Veranlagung auch die Interaktion zwischen Fibroblasten, also Bindegewebszellen, und Muskelfaserzellen des Vorhofs (Atrium-Myozyten) eine Rolle spielt.
Neu ist auch der Forschungsfokus epikardiales Fett, also das Fettgewebe, das Herz und Herzkrankgefäße umgibt. Wie inzwischen bekannt, ist es ebenfalls an der Genese von Vorhofflimmern beteiligt, und zwar indem es Entzündungsreize am Vorhof setzt. Dazu gibt es einige neue Arbeiten, die wir auf dem Kongress diskutieren werden.
Die Katheter-Ablation sowohl atrialer als auch ventrikulärer Tachyarrhythmien hat sich in den letzten Jahren als ein Standardverfahren der Elektrophysiologie etabliert und wird in aktuellen Leitlinien zum Teil auf die gleiche Empfehlungsstufe wie die medikamentöse Rezidivprophylaxe gestellt. Auf dem Gebiet der Katheter-Ablation werden neue Studien vorgestellt, die sich mit Kathetern befassen, deren Wandandruck messbar und dadurch kontrollierbar ist. Ein zusätzlicher Sensor erfasst, ob der Katheter in einem optimalen Kontakt mit der Herzwand steht. Damit lassen sich die Ablationsergebnisse verbessern.
Quellen: Deneke, Borggrefe et al. Kommentar zu den ESC-Leitlinien 2015 „Ventrikuläre Arrhythmien und Prävention des plötzlichen Herztodes“. Kardiologe Jänner 2017; Bogle et al. Lifetime risk for sudden cardiac death in the community. J Am Heart Assoc. June 2016
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Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org