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Wenn weniger mehr ist: Einkammer-Defibrillator im Vergleich zum Zweikammer-Defibrillator

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Dr. Harilaos Bogossian, Lüdenscheid 

Aus den Daten des deutschen Device Registers wurde das Outcome von Patienten analysiert, die einen Ein- bzw. Zweikammer Defibrillator (ICD) erhalten haben.

Die europäischen Leitlinien zur Schrittmacher- und CRT-Implantation (2013) bieten einen Algorithmus für die Wahl des Schrittmacher-Systems in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Herzrhythmusstörung. So ergibt sich hierüber meist die Indikation zur Zweikammer-(DDD)-Schrittmacher Implantation (Abb.2). Nur bei bestehender Schrittmacher-Indikation und Vorliegen von persistierendem Vorhofflimmern wird die Implantation eines Einkammer-(VVI)-Schrittmachers empfohlen.

Die europäischen Leitlinien zum Management von Patienten mit ventrikulären Tachykardien und zur Prävention des plötzlichen Herztodes (2015) befassen sich vorwiegend mit der Indikationsstellung zur Defibrillator (ICD) Implantation. Es wird keine Hilfestellung zur Wahl des Systems (Ein- vs. Zweikammer-ICD) geboten. Bis zur Veröffentlichung der MADIT-RIT Daten bestand durch einzelne kleinere Studien die Hoffnung, dass der DDD-ICD (gegenüber dem VVI-ICD) zur Reduktion der inadäquaten ICD-Therapie führen kann. Nachdem 2012 die Ergebnisse der MADIT-RIT Studie zeigen konnten, dass die inadäquate ICD-Therapie allein durch Umprogrammieren der Defibrillatoren vermieden werden können, ist auch die Indikation zur Implantation eines DDD-ICD weiter in den Hintergrund gerückt.

Aus den Daten des deutschen „Device Registers“ wurden gemeinsam mit dem Institut für Herzinfarktforschung, Ludwigshafen die Implantations-Daten aus 45 deutschen Zentren (im Zeitraum Januar 2007 bis März 2011) untersucht. Neben Patientencharakteristika wurden periprozedurale und 1-Jahres Follow-Up Daten erhoben.

Patientencharakteristika
In dem prospektiven Register wurden 2242 Patienten eigeschlossen. Einen VVI-Defibrillator erhielten1630 Patienten; gegenüber 612 Patienten, die ein DDD-System erhielten. Letztere waren signifikant älter (66 ± 11 Jahre vs. 63 ± 13 Jahre; p<0.001) litten aber seltener an Vorhofflimmern (11.5% vs. 21.1%; p<0.001). Auch die Implantationsindikation „Primärprophylaxe“ war bei der Gruppe mit den Zweikammer-Systemen geringer (46.6% vs. 57.5%; p<0.001). Wie zu erwarten boten in der Gruppe der DDD-ICDs mehr Patienten eine Leitungsstörung [pathologische AV Leitung: 26.5% vs. 7.1%; p<0.001 und Linksschenkelblock (LSB): 13.8% vs. 9.8%; p=0.008]. Trotz dieser signifikanten Unterschiede ist der Anteil der Patienten, die mit einem Zweikammersystem versorgt wurden – aber keine bradykarden Herzrhythmusstörungen vorwiesen – sehr hoch.

Überraschend ist auch der hohe Prozentsatz mit LSB in beiden Gruppen. Patienten mit primär elektrischen Erkrankungen wurden in beiden Gruppen nur zu ca. 3% eingeschlossen. Somit waren die führenden Grunderkrankungen 1.) die ischämische Kardiomyopathie mit ca. 65% der Patienten und 2.) die dilatative Kardiomyopathie mit etwas über 30% der Patienten. Somit bestand bei dem Großteil der Patienten eine fortgeschrittener Herzinsuffizienz mit hochgradiger linksventrikulärer Dysfunktion (EF=34%±13% in der VVI Gruppe und EF=35%±14% in der DDD Gruppe). Offensichtlich wurde bei den Patienten mit LSB die Indikation zur Cardialen Resynchronisations-Therapie (CRT) sehr restriktiv gestellt.

Implantationen, Komplikationen Follow Up
Die Entscheidung für oder gegen den DDD-ICD gewinnt unter Betrachtung der Komplikationen an Bedeutung. Diese sind nämlich bei den Systemen mit zwei Sonden signifikant häufiger im Vergleich zu den Einkammer-Systemen. Während Gerätekomplikationen mit „postoperativer Revisionsnotwendigkeit“ nur in 1,2% der Fälle nach Implantation eines VVI-ICD auftreten, bedarf es bei 3% der Patienten nach DDD-ICD-Implantation (noch vor der Krankenhausentlassung) einer Revision. Erschwerend kommt hinzu, dass neben den peri-operativen Komplikationen in der DDD-ICD-Gruppe auch die hospitale Mortalität signifikant höher ist (1,0% vs. 0,0% in der VVI-ICD Gruppe; p<0.001).

Die 1-Jahres-Mortalität nach Prozedur unterscheidet sich in den zwei Gruppen nicht signifikant, ist aber tendenziell höher in der Gruppe nach Implantation des Zweikammer Defibrillators (7,6% vs. 5,9% in der VVI-ICD Gruppe).

Weniger ist mehr
Die Auswertung der Daten des deutschen Device Registers zeigen, dass hierzulande Patienten mit einer ICD-Indikation (CRT ausgenommen) zu ca. 30% mit einem DDD ICD und zu ca. 70% mit einem VVI-ICD versorgt werden. Unter Berücksichtigung der vergleichsweise hohen peri-prozeduralen Komplikations- und Mortalitäts-Raten ist der Anteil an DDD-ICDs zu hoch. Der Algorithmus der „ESC Pacing Leitlinien“ kann eine Hilfestellung für die richtige Systemwahl bieten, da sich die Indikation für den Zweikammer Defibrillator meist über das gleichzeitige Auftreten einer bradykarden Herzrhythmusstörung ergibt.

Die Notwendigkeit einen Zweikammer Defibrillator zu implantieren, muss stets sehr kritisch bedacht werden, da die Patienten im Vergleich zur VVI-ICD Implantation einem höheren Risiko ausgesetzt werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org