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Beim Raucherbein geht es auch um Herz und Hirn: Neue Behandlungsleitlinien für die PAVK

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Statement Prof. Dr. Christiane Tiefenbacher (Wesel), Tagungspräsidentin der Herztage 2017 der Deutschen Kardiologischen Gesellschaft (DGK); DGK-Pressekonferenz 12. Oktober 2017

Mehr als 2.000 Kardiologinnen und Kardiologen tagen zurzeit in Berlin und diskutieren aktuelle Entwicklungen ihres Fachgebiets. Bei den Herztagen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie stehen praxisrelevante Fragen im Mittelpunkt. Ein Thema ist beispielsweise: Soll man vor einer Operation noch rasch eine Abklärung des Herzens durchführen? Wie lange soll man sich nach einer Herzmuskelentzündung schonen? Oder: Ist die Wiederbelebung bei Herzattacken gut gelöst? Zwar hängen in Deutschland überall Defibrillatoren, aber kaum jemand weiß, wie eine Herzdruckmassage durchgeführt werden soll. Zurzeit wächst unter den Fachleuten das Bewusstsein, dass diese Sofortmaßnahme viel wichtiger wäre. Oft überleben Menschen zwar den plötzlichen Herztod, sind aber danach hirngeschädigt, weil aus Unkenntnis oder Scheu niemand sofort mit einer Herzdruckmassage begonnen hat. Hier bedarf es entsprechender Aufklärung, aber auch strukturierter Angebote, um diese Technik zu erlernen.

Hohes kardiovaskuläres Risiko bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit 

Eines der Hauptthemen bei den Herztagen ist die Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK), umgangssprachlich als „Raucherbein“ bezeichnet: Einer chronischen Erkrankung, bei der sich die Blutgefäße verengen und dadurch der Blutfluss in den Extremitäten gestört ist.

In der Bundesrepublik leiden rund 4,5 Millionen Menschen unter einer PAVK. Versicherungsdaten aus Deutschland zeigen jährlich 500 bis 600 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner. Nach Schätzungen liegt die Zahl der über 40-Jährigen, die an einer PAVK leiden, mittlerweile bei fünf bis zehn Prozent.

PAVK ist eine Krankheit, vor der die Öffentlichkeit leider oft die Augen verschließt. Das liegt einerseits daran, dass niemand gerne hinsieht, wenn die Füße bei einem „Raucherbein“ buchstäblich abfaulen. Andererseits hat diese Krankheit etwas Anrüchiges, weil sie nur Personen mit geringem sozialem Status zugeschrieben wird. In einer älter werdenden Gesellschaft steigt jedoch der Prozentsatz der PAVK-Fälle in allen Bevölkerungsschichten.

Nicht nur die Anzahl der Fälle ist alarmierend, sondern auch die Tatsache, dass PAVK-Patienten eine hohe Sterblichkeit aufweisen, weil sie ein hohes Risiko haben, zusätzliche kardiovaskuläre Krankheiten zu bekommen. Bei etwa einem Drittel der PAVK-Patienten besteht auch eine koronare Herzerkrankung, jeder Dritte hat Veränderungen an der Halsschlagader und somit ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Die Sekundärprophylaxe gewinnt daher immer mehr an Bedeutung, denn es geht bei PAVK nicht nur um die Beine, sondern auch um das Herz und das Gehirn.

ESC-Behandlungsleitlinien für Therapie und Sekundärprophylaxe 

Im September 2017 präsentierte die European Society of Cardiology (ESC) neue Behandlungsleitlinien. Diese empfehlen für PAVK-Patienten eine lipidsenkende Therapie, in erster Linie mit Cholesterinsenkern vom Typ der Statine. Studiendaten zeigen, dass damit auch die Gehstrecke verbessert werden kann. Das stellt einen wichtigen Therapieerfolg dar, wird doch die PAVK auch „Schaufensterkrankheit“ genannt: Die Betroffenen müssen beim Gehen wegen der auftretenden Schmerzen immer wieder anhalten und bleiben vor Schaufenstern stehen, um sich nichts anmerken zu lassen.

Ausführlich gehen die Leitlinien auch auf die geeigneten Mittel zur Thrombozytenaggregations-Hemmung bzw. Antikoagulation ein, also die Verklumpung von Blutplättchen hemmende Medikamente. Neu für Europa ist, dass diesbezüglich Clopidogrel als besser wirksam angesehen wird als Aspirin, wie die CAPRIE-Studie zeigt. Auch wird empfohlen, dass PAVK-Patienten, die Marcumar oder andere Medikamente zur Hemmung der Blutgerinnung bekommen, wegen des erhöhten Blutungsrisikos nicht zusätzlich noch Thrombozytenaggregations-Hemmer gegeben werden sollen.

Als Behandlungsmethode der Halsschlagader (Karotis) wurde die Katheter-gestützte Stent-Implantation gegenüber chirurgischen Eingriffen aufgewertet. So sollte bei asymptomatischen Karotisstenosen (Verengungen der Herzschlagader ohne Beschwerden) ein Stent bevorzugt werden, wenn das Operationsrisiko hoch ist. Daten zum Langzeitverlauf haben gezeigt, dass zwischen den beiden Methoden kein Unterschied beim Outcome besteht, allerdings ist die Stent-Implantation weit schonender.

Bei der Behandlung der Beine hingegen wird ein differenziertes Vorgehen empfohlen. Viele Engstellen können mittels moderner Kathetertechnologie für den Patienten schonend behandelt werden. In komplexen Situationen, etwa bei starkem Verkalkungsgrad, sollten aber auch operative Verfahren zum Zuge kommen, raten die neuen Leitlinien. Per Katheter sollte nur in Zentren behandelt werden, die über sehr erfahrene Fachleute verfügen. Ist der Zustand der Venen im Unterschenkel gut, kann auch eine Bypassoperation, bei der Venen als Überbrückung der verschlossenen Arterien dienen, durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind hier besser geworden.

PAVK multidisziplinär behandeln 

Neu ist auch die Empfehlung, dass bei Patienten mit PAVK systematisch auch darauf geachtet werden sollte, ob Anzeichen für eine koronare Herzerkrankung oder eine Herzinsuffizienz bestehen. Umgekehrt wird empfohlen, bei Patienten mit solchen Herzerkrankungen zu untersuchen, ob auch eine PAVK vorliegt.

Die PAVK sollte am besten von einem „Gefäßteam“ aus Kardiologen, Angiologen und Gefäßchirurgen behandelt werden. Dieses Team sollte – ähnlich wie die bewährten „Herz-Teams“ – eine multidisziplinäre Behandlung ermöglichen. Das Gefäßteam eines Gefäßzentrums sollte auch entscheiden, welche Behandlungsmethode für individuelle Patientinnen und Patienten am besten geeignet ist. 

Informationen:

Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
Pressesprecher: Prof. Dr. Eckart Fleck (Berlin)
Hauptstadtbüro der DGK: Leonie Nawrocki, Tel.: 030 206 444 82
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B&K–Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung, Dr. Birgit Kofler, Tel.: 030 700159676
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Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org