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Risikofaktoren für eine chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) – Bedeutung von Schilddrüsenerkrankungen und deren Behandlung

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Valentin Krieg, Mainz

Die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) ist gekennzeichnet durch polymorphe fibrinöse Obstruktionen der Pulmonalarterien, einer Vaskulopathie der kleinen Gefäße und Entwicklung einer Prognose-bestimmenden Rechtsherzinsuffizienz infolge des ansteigenden pulmonalvaskulären Widerstands und pulmonalarteriellen Druckes. Nach aktuellem pathophysiologischen Verständnis entsteht eine CTEPH durch die unvollständige Auflösung von Thromben in der pulmonalarteriellen Strombahn gefolgt von Umbauprozessen mit Entstehung der fibrinösen Obstruktionen. Eine ineffektive Fibrinolyse, gestörte Angiogenese und inflammatorische Prozesse tragen zur verzögerten Thrombusauflösung bei. Durch methodisch stark heterogene Studien wurden darüber hinaus verschiedene (klinische) Risikofaktoren wie u.a. eine Hypothyreose / Substitution von Schilddrüsenhormonen (Levothyroxin) beschrieben [1,2] (aufgeführt in Tabelle 1); die Bedeutung von Schilddrüsenerkrankungen und -funktionsstörungen als Risikofaktor für eine CTEPH und ihre prognostische Bedeutung ist jedoch unzureichend untersucht.

In der als „best poster“ bei der Jahrestagung der European Society of Cardiology (ESC) 2017 in Barcelona angenommenen Studie (Abstract Nr. 87429) wurden 228 Patienten mit operabler CTEPH eingeschlossen, welche in den Jahren 2014 und 2015 an der Kerckhoff Klinik in Bad Nauheim, dem größten chirurgischen CTEPH Zentrum in Deutschland [3], elektiv zur Durchführung einer pulmonalen Endarteriektomie (PEA) aufgenommen wurden.

Die klinischen Charakteristika der Studienpatienten inklusive Begleiterkrankungen, Symptomen und hämodynamischen Status sind in Tabelle 1 dargestellt. Insgesamt berichteten 209 (91,7%) Patienten über eine stattgehabte venöse Thromboembolie (davon hatten 93,8% der Patienten eine Lungenembolie; insgesamt hatte 32,5% aller Patienten rezidivierende Lungenembolien und nur 6,2% eine tiefe Beinvenenthrombose ohne Lungenembolie). Klinisch relevante thrombophile Diathesen waren bei 18,4% der Patienten bekannt; davon hatten 35,7% der Patienten ein Antiphospholipid-Syndrom. Weitere Risikofaktoren sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Bei allen Patienten wurde zum Zeitpunkt der Aufnahme die Plasmakonzentration von TSH (Median: 1,7 [IQR: 1,0 – 2,6] µU/ml) gemessen, sowie bei 136 Patienten zusätzliche laborchemische Bestimmungen von fT3 (2,8 [2,6 – 3,0] pg/ml), fT4 (1,1 [1,0 – 1,3] ng/dl) und anti-Thyreoperoxidase (TPO)-Antikörper (4,3 [0,7-44,7] IU/ml) durchgeführt. Bei 18,9% der Patienten war eine Hypothyreose bekannt und bei 5,3% der Patienten eine Hyperthyreose. Die mediane Levothyroxin-Dosis lag bei 82 (50-106) µg/Tag; 16,4% der Patienten mit bekannter Schilddrüsenerkrankung erhielten keine medikamentöse Therapie.

Für die aktuelle Studie reklassifizierten wir alle Patienten anhand der laborchemisch bestimmten Schilddrüsenparameter (TSH-Plasmakonzentration) bezüglich ihrer Schilddrüsenfunktion zum Zeitpunkt der Aufnahme (dargestellt in Abbildung 1). Insgesamt hatten 55 Patienten (24,1%) eine bekannte Schilddrüsenerkrankung. Während 76,4% dieser Patienten eine adäquate medikamentöse Therapie erhielten und so laborchemisch eine euthyreote Stoffwechsellage aufwiesen, wurde bei 23,6% der Patienten trotz bekannter Schilddrüsenerkrankung und Therapie eine hypo- oder hyperthyreote Stoffwechsellage beobachtet. Darüber hinaus wurde bei 6,4% der Patienten ohne vorbekannte Schilddrüsenerkrankung eine Schilddrüsenfunktionsstörung nachgewiesen. Zusammenfassend hatte somit mehr als jeder zehnte Patient keine euthyreote Stoffwechsellage, und insgesamt hatten 66 von 228 (28,9%) Patienten eine Schilddrüsenerkrankung oder -funktionsstörung.

In weiterführenden Analysen der Patienten mit und ohne Schilddrüsenfunktionsstörung zeigte sich, dass Patienten mit einer hypothyreoten Stoffwechsellage im Vergleich zu Patienten mit Euthyreose einen niedrigeren Herzindex aufwiesen (1,7 [1,7 – 2,1] l/min/m² vs. 2,3 [1,9 – 3,0] l/min/m²; p=0,019), häufiger in der WHO Funktionsklasse III und IV waren  (92,9% vs. 76,0%; p<0,001) und höhere NT-proBNP-Plasmakonzentrationen aufwiesen (1878 [1524 – 3378] pg/ml vs. 744 [183 – 2121] pg/ml; p=0,020).

Während des Krankenhausaufenthaltes verstarben 6 Patienten (2,6%) und in der medianen Verlaufsbeobachtung von 486 (338 – 688) Tagen weitere 7 Patienten (3,2%; Gesamtmortalität:  5,9%). Mittels ROC Analyse konnte eine Fläche unter der Kurve von 0,78 (95% Konfidenzintervall: 0,60-0,96, p=0,014) für fT4 in Bezug auf Gesamtmortalität berechnet werden. Patienten mit erhöhten fT4-Plasmakonzentrationen (Assay-spezifischer Grenzwert) hatten ein 9,7-fach erhöhtes Risiko (95% Konfidenzintervall: 2,1 – 44,1; p=0,003) zu versterben; der prognostische Wert erhöhter fT4-Spiegel blieb auch nach Adjustierung für Alter erhalten (Odds Ratioadj: 8,1; 95% Konfidenzintervall: 1,8 – 36,5; p=0,007). Wie in Abbildung 2A dargestellt, waren erhöhte fT4-Plasmakonzentration mit einer reduzierten Wahrscheinlichkeit für Langzeitüberleben in der Kaplan-Meier-Analyse assoziiert. Interessanterweise war eine Hormonersatztherapie (mit Levothyroxin) nicht mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko (Odds Ratio: 0,8; 95% Konfidenzintervall: 0,2 – 3,7; p=0,782) oder reduzierten Wahrscheinlichkeit für Langzeitüberleben (Abbildung 2B) verbunden. Darüber hinaus konnten TPO-Antikörper-Plasmakonzentrationen >5,61 IU/ml (Odds Ratio: 5,1; 95% Konfidenzintervall: 1,0 – 25,3; p=0.046) und ein mittlerer pulmonalarterieller Druck >51,5 mmHg (optimaler Grenzwert ermittelt mittels ROC-Analyse; Odds Ratio: 4,1; 95% Konfidenzintervall: 1,4 – 12,2; p=0,011) als Prädiktoren für Gesamtmortalität identifiziert werden.

Zusammenfassend konnte bei 228 operablen CTEPH-Patienten eine venöse Thromboembolie als häufigster Risikofaktor identifiziert werden; insgesamt berichteten 86,0% aller Patienten über eine akute Lungenembolie in der Anamnese. Erstmalig wurden in dieser Studie (und medizinischen Dissertationsarbeit von Valentin Krieg) die Prävalenz und prognostische Bedeutung von Schilddrüsenerkrankungen und -funktionsstörungen bei operablen Patienten mit CTEPH systematisch untersucht. Insgesamt hatten 28,9% aller Patienten eine bekannte Schilddrüsenerkrankung oder -funktionsstörung und eine bekannte Hypothyreose und hypothyreote Stoffwechsellage wurde häufiger beobachtet als bisher in der Literatur angegeben. Patienten mit hypothyreoter Stoffwechsellage waren hämodynamisch und funktionell eingeschränkter als euthyreote Patienten. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass erhöhte fT4-Plasmakonzentrationen mit einer reduzierten Wahrscheinlichkeit für Langzeitüberleben nach PEA assoziiert waren. Allerdings waren eine bekannte Schilddrüsenerkrankung, eine laborchemisch definierte Schilddrüsenfunktionsstörung oder eine Schilddrüsenhormonersatztherapie (mit Levothyroxin) nicht von prognostischer Bedeutung.

Literatur

[1] Irene M. Lang, Gérald Simonneau, Joanna W. Pepke-Zaba, Eckhard Mayer, David Ambrož, Isabel Blanco, Adam Torbicki, Sören Mellemkjaer, Azzedine Yaici, Marion Delcroix. Factors associated with diagnosis and operability of chronic thromboembolic pulmonary hypertension. Thromb Haemost 2013; 110: 83-91.

[2] Joanna Pepke-Zaba, Marion Delcroix, Irene Lang, Eckhard Mayer, Pavel Jansa, David Ambroz, Carmen Treacy, Andrea M. D’Armini, Marco Morsolini, Repke Snijder, Paul Bresser, Adam Torbicki, Bent Kristensen, Jerzy Lewczuk, Iveta Simkova, Joan A. Barberà, Marc de Perrot, Marius M. Hoeper, Sean Gaine, Rudolf Speich, Miguel A. Gomez-Sanchez, Gabor Kovacs, Abdul Monem Hamid, Xavier Jaïs, Gérald Simonneau. Chronic Thromboembolic Pulmonary Hypertension (CTEPH). Results from an International Prospective Registry. Circulation 2011; 124: 1973-1981.

[3] Mareike Lankeit, Valentin Krieg, Lukas Hobohm, Sebastian Kölmel, Christoph Liebetrau, Stavros Konstantinides, Christian W. Hamm, Eckhard Mayer, Christoph B. Wiedenroth, Stefan Guth. Pulmonary Endarterectomy in Chronic Thromboembolic Pulmonary Hypertension. J Heart Lung Transplant 2017; epub ahead of print.

Tabelle 1. Klinische Charakteristika der Studienpatienten

  Studienpopulation (n=228)
Geschlecht (weiblich) 108 (47,7%)
Alter (Jahre) 63 (52 – 72)
Zeit von Diagnose CTEPH bis PEA (Tage) 129 (85 – 250), n=226
Begleiterkrankungen
Aktive Krebserkrankung 6 (2,6%)
Koronare Herzkrankheit 42 (18,4%)
Chronische Lungenerkrankung 64 (28,1%)
Symptome und hämodynamischer Status
WHO Funktionsklasse III-IV 176 (77,1%)
Gehstrecke im 6-Minuten Gehtest (m) 387 (289 – 435), n=119
Mittlerer pulmonalarterielle Druck (mmHg) 43,0 (34,0 – 50,5), n=223
Pulmonalvaskulärer Widerstand (WU) 6,9 (5,0 – 9,9), n=213
Herzindex (l/min/m²) 2,3 (1,9 – 2,7), n=211
NT-proBNP (pg/ml) 780 (196 – 2251), n=199
Risikofaktoren
Venöse Thromboembolie 209 (91,7%)
Lungenembolie 196 (86,0%)
Rezidivierende Lungenembolie 74 (32,5%)
Thrombophilie 42 (18,4%)
Systemisch inflammatorische Erkrankung

Chronisch entzündliche Darmerkrankung

Rheumatische Erkrankung

24 (10,5%)

3 (1,3%)

18 (7,9%)

Splenektomie 10 (4,4%)
Kardialer Schrittmacher 5 (2,2%)
Ventrikulo-atrialer Shunt 0
Blutgruppe A, B, AB 184 (80,7%)

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