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EKG-Veränderungen bei Methamphetamin-assoziierter Kardiomyopathie (MACM)

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Stephan Schürer, Leipzig 

Der Drogenmissbrauch und seine Konsequenzen sind weltweit eine große gesellschaftliche Herausforderung und Belastung. Der UN World Drug Report aus dem Jahre 2015 (1) schätzte die globale Zahl von Drogenkonsumenten im Alter zwischen 15 und 64 Jahren für das Jahr 2014 auf 250 Millionen (globale Prävalenz 5,2%). Methamphetamin (MA) und zugehörige Substanzen haben sich zu der weltweit am zweithäufigsten genutzten Substanzgruppe entwickelt, 2013 gab es etwa 34 Millionen Methamphetaminkonsumenten.

Bei den MA-assoziierten Komorbiditäten spielen die kardiovaskulären eine wichtige Rolle. Zu diesen gehören vor allem hypertensive Krisen, Herzrhythmusstörungen, Aortendissektionen, Myokardinfarkte, Schlaganfälle und die MA-assoziierte Kardiomyopathie (MACM). Kardiovaskuläre Komorbiditäten sind neben akuten Intoxikationen die häufigste Todesursache bei Methamphetaminkonsumenten (2). Es wird vermutet, dass vor allem der Katecholaminüberschuß und/oder direkte toxische Effekte des MA auf die Myozyten ursächlich für die kardialen Folgeschäden und im Besonderen für die Entwicklung einer MACM sind.

In einer kürzlich von unserer Arbeitsgruppe publizierten Arbeit untersuchten wir 30 Patienten mit einer MACM (3).

Einschlusskriterien für die Studie waren ein chronischer Methamphetaminabusus, eine eingeschränkte linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) kleiner als 40% und eine im Rahmen der Erstdiagnostik erfolgte Endomyokard-Biopsie. Der primäre Endpunkt war zusammengesetzt aus Tod, nicht tödlichem Schlaganfall und Rehospitalisierung bei Herzinsuffizienz. Die Patienten waren im Mittel 30.3±1.9 Jahre alt, überwiegend männlichen Geschlechts (93,3%) und 83% litten unter einer hochsymptomatischen Herzinsuffizienz NYHA III/IV. Echokardiographisch zeigten sich eine deutliche LV-Dilatation mit einem mittleren linksventrikulären enddiastolischen Durchmesser von 67.1±7.4mm und eine hochgradig eingeschränkte LVEF mit einer mittleren LV-EF von 19±6%. Zudem waren bei einem Drittel der Patienten linksventrikuläre Thromben nachweisbar. Histologisch zeigten sich in den Biopsiepräparaten Entzündung und Fibrose sowie eine Myozytenschädigung. Es ergab sich eine signifikante Korrelation zwischen der Dauer des Methamphetamin-Abusus und der Ausprägung der Fibrose/Myozytenschädigung. Zum Follow-up (FU) nach 35±22 Monaten zeigte sich, dass eine Beendigung des Methamphetamin-Abusus und eine medikamentöse Herzinsuffizienztherapie zu einer signifikanten Verbesserung sowohl der kardialen Funktion (LVEF:19±6 vs. 43±13%, p<0.001) als auch der Symptomatik (P=0,056) führten. Die Erholung der kardialen Funktion war hier abhängig vom Ausmaß der Fibrose. Im Gegensatz dazu zeigte sich bei Patienten mit fortgesetztem Methamphetamin-Abusus keine Verbesserung der kardialen Funktion beziehungsweise der Symptomatik. Der primäre Endpunkt ereignete sich häufiger bei Patienten mit fortgesetzten Methamphetamin-Abusus (57.1% vs. 13.0%, p=0.037).

Ziel der aktuellen Arbeit war die Analyse der EKGs von 18 Patienten (Alter: 29±6 Jahre, männlich 94,4%, mittlere Dauer des Methamphetamin-Abusus 5±3 Jahre, mittlere LV-EF 19±7%) aus der oben genannten Kohorte. Von diesen 18 Patienten lag jeweils ein EKG bei Erstdiagnose und eines zum Follow-up (zwischen 6 und 60 Monaten nach Erstdiagnose) vor. Die EKGs wurden anhand der American College of Cardiology Guidelines ausgewertet (4-7).

Bei Erstdiagnose hatten alle 18 Patienten mindestens eine EKG-Veränderung. Am häufigsten waren eine verlängerte QTc-Zeit (mittlere 461±39ms) bei 72%, T-Negativierungen v.a. in V5 und 6 bei 66% und eine Sinustachykardie bei 50% der Patienten (exemplarisches EKG Abb. 1) nachweisbar.

Zum Zeitpunkt des Follow-up hatten 5 Patienten (28%) den Methamphetamin-Abusus fortgesetzt. Die mittlere linksventrikuläre Pumpfunktion zum Zeitpunkt des Follow-up lag bei 36±13%. Bei beendetem Abusus und gleichzeitiger medikamentöser Herzinsuffizienztherapie zeigte sich eine verbesserte mittlere linksventrikuläre Pumpfunktion von 41±11%. Auf der anderen Seite führte die Herzinsuffizienztherapie bei fortgesetzten Abusus zu keiner Verbesserung der mittleren linksventrikulären Pumpfunktion (22±7%, Abb.2). Die häufigsten EKG-Veränderungen zum Follow-up waren T-Negativierungen v.a. in V5-6 bei 44% und QTc-Zeit-Verlängerungen (mittlere QTc 433±29ms) bei 28% Patienten. Bei fortgesetztem Abusus hatten 60% der Patienten T-Negativierungen v.a. in V5-6 und bei beendeten Abusus 38%. Alle Patienten mit fortgesetztem Abusus hatten eine verlängerte QTc-Zeit (mittlere QTc 473±16ms). Auf der anderen Seite hatte keiner der Patienten mit beendeten Abusus eine verlängerte QTc-Zeit (QTc 419±16ms; p<0.0001. Abb. 3).

Fazit
Mit der weltweiten Zunahme des Methamphetamin-Abusus ist in Konsequenz ebenfalls mit einer Zunahme der assoziierten kardiovaskulären Folgeschäden, und im Speziellen mit einer Zunahme der MACM rechnen. Es ist bekannt, dass junge Patienten erst relativ spät eine klinische Symptomatik oder andere Zeichen einer Herzinsuffizienz entwickeln. Ein Patient aus der o.g. Kohorte mit einer hochgradig eingeschränkten LVEF von 10% hatte keinerlei klinische Dekompensationszeichen und erreichte auf der Ergometrie eine Leistung von 220 Watt.

Wie unsere Arbeit zeigt, könnte das Ruhe-EKG ein gutes Screening-Tool für eine MACM bei Patienten mit chronischen Methamphetamin-Abusus sein. Besonderes Augenmerk sollte auf QTc-Zeit-Verlängerungen, T-Negativierungen v.a. in V5-6 und eine Sinustachykardie gelegt werden.

 

 

Literatur:

  1. United Nations Office on Drugs and Crime. World Drug Report 2015. United Nations publication, sales No. E.15.XI.6. New York, NY: United Nations; 2015.
  2. Paratz ED, Cunningham NJ, MacIsaac AI. The cardiac complications of methamphetamines. Heart Lung Circ 2016;25:325–32.
  3. Schürer S, Klingel K, Sandri M, et al. Clinical characteristics, histopathological features, and clinical outcome of methamphetamine-associated cardio- myopathy. J Am Coll Cardiol HF 2017;5:435–45
  4. Surawicz B, Childers R, Deal BJ, Gettes LS, AHA/ACCF/HRS recom- mendations for the standardization and interpretation of the electrocardiogram: part III: intraventricular conduction disturbances: a scientific statement from the American Heart Association Electrocardiography and Arrhythmias Committee. Council on Clinical Cardiology; the American College of Cardiology Foundation; and the Heart Rhythm Society: endorsed by the International Society for Computerized Electrocardiol- ogy. Circulation 2009;17;119(10):e235–40.
  5. Rautaharju PM, Surawicz B, Gettes LS. AHA/ACCF/HRS recommen- dations for the standardization and interpretation of the electrocardio- gram: part IV: the ST segment, T and U waves, and the QT interval: a scientific statement from the American Heart Association Electrocardi- ography and Arrhythmias Committee, Council on Clinical Cardiology; the American College of Cardiology Foundation; and the Heart Rhythm Society. Circulation 2009;17;119(10):e241–50.
  6. Hancock EW, Deal BJ, Mirvis DM, Okin P, Kligfield P, Gettes LS, et al. AHA/ACCF/HRS recommendations for the standardization and interpretation of the electrocardiogram part V: electrocardiogram changes associated with cardiac chamber hypertrophy: a scientific statement from the American Heart Association Electrocardiography and Arrhythmias Committee. Council on Clinical Cardiology; the American College of Cardiology Foundation and the Heart Rhythm Society Circulation 2009;17;119(10):e251–61.
  7. Wagner GS, Macfarlane P, Wellens H, Josephson M, Gorgels A, Mirvis DM, et al. AHA/ACCF/HRS recommendations for the standardization and interpretation of the electrocardiogram: part VI: acute ischaemia /infarction: a scientific statement from the American Heart Association Electrocardiography and Arrhythmias Committee. Council on Clinical Cardiology; the American College of Cardiology Foundation; and the Heart Rhythm Society Circulation 2009;17;119(10):e262–70.

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