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Prävalenz und prognostische Bedeutung von Krebserkrankungen bei Patienten mit Takotsubo Kardiomyopathie

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 Dr. Christian Möller, Lübeck

Hintergrund:

Die Takotsubo Kardiomyopathie (TTC) ist durch eine akute, transiente myokardiale Dysfunktion mit typischen linksventrikulären Wandbewegungsstörungen charakterisiert. Das klinische Erscheinungsbild, welches typischerweise mit akuter Dyspnoe und thorakalen Schmerzen einhergeht, ist dabei nicht von dem eines akuten Koronarsyndroms zu unterscheiden. In Abgrenzung zum klassischen Myokardinfarkt sind angiographisch in der Regel keine signifikanten Koronarstenosen im Bereich der von der Wandbewegungsstörung betroffenen Myokardareale nachweisbar. Die zugrunde liegenden Ursachen sind bisher nicht vollständig aufgeklärt. Es wird vermutet, dass eine gesteigerte Aktivität des sympathischen Nervensystems einhergehend mit der Ausschüttung von Katecholaminen eine zentrale Rolle in der Pathogenese spielt. Darüber hinaus gibt es Hinweise für einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer TTC und dem Vorhandensein von Krebserkrankungen. Zum aktuellen Zeitpunkt sind jedoch weder die klinische Relevanz noch die pathophysiologischen Zusammenhänge hinreichend geklärt. Ziel dieser Studie war es daher, die genaue Prävalenz von malignen Erkrankungen in einer großen TTC-Kohorte zu ermitteln sowie die klinische Relevanz und Langzeitprognose zu untersuchen.

Methoden:

Zwischen Februar 2004 und November 2014 wurden insgesamt 286 Patienten mit TTC in 2 Kliniken der Maximalversorgung in Deutschland erfasst. Die Diagnosestellung erfolgte gemäß der überarbeiteten Mayo Clinic Kriterien. Anschließend wurden die Patienten in beiden Kliniken in prospektive Register eingeschlossen. Darüber hinaus wurde die Krankengeschichte systematisch auf maligne Erkrankungen hin untersucht. Im Anschluss erfolgte ein systematisches Follow-up inklusive einer echokardiographischen Verlaufskontrolle der linksventrikulären systolischen Funktion. Die Langzeitprognose wurde mittels eines standardisierten Telefoninterviews ermittelt.

Ergebnisse:

Wir identifizierten 52 (18%) TTC-Patienten mit malignen Grunderkrankungen. Die häufigsten Krebserkrankungen waren dabei Brustkrebs (n=11; 21%), Darmkrebs (n=7; 13%) und Lungenkrebs (n=5; 10%). Follow-up-Daten waren für insgesamt 271 Patienten (95%) verfügbar. Der Nachbeobachtungszeitraum betrug 4.0 ± 2.5 Jahre.

Abgesehen von einem arteriellen Hypertonus, welcher in der Gruppe mit Krebserkrankungen etwas häufiger auftrat (90.4% versus 77.4%, p=0.04) ergaben sich zwischen den beiden Gruppen (TTC-Patienten mit Krebserkrankungen versus ohne Krebserkrankungen) keine signifikanten Unterschiede. Dies betraf insbesondere klinische Charakteristika, Ballooningmuster, linksventrikuläre Ejektionsfraktion sowie die Länge des Krankenhausaufenthaltes. Darüber hinaus gab es keinen Unterschied hinsichtlich der 28-Tages- (4% versus 6%, HR 0.67, 95% CI 0.15 to 2.96; p=0.60), 1 Jahres- (10% versus 13%, HR 0.73, 95% CI 0.28 to 1.87; p=0.51) und Langzeitmortalität (34% versus 23%, HR 1.36, 95% CI 0.78 to 2.35, p=0.28) zwischen TTC-Patienten mit versus ohne maligne Grunderkrankung. Betrachtet man jedoch die Landmarkanalyse für die Mortalität nach 1 Jahr, zeigt sich eine signifikant höhere Langzeitmortalität in der Gruppe der TTC-Patienten mit maligner Grunderkrankung (27% versus 11%, HR 2.17, 95% CI 1.07 to 4.41; p=0.03). Darüber hinaus zeigte sich in der Gruppe der TTC-Patienten mit Krebserkrankung ein signifikant erhöhter Anteil nicht-kardiovaskulärer Todesursachen (24% versus 6%.HR 3.34.95% CI 1.54 to 7.22; p < 0.01). Dies ist hauptsächlich auf die zugrunde liegenden Krebserkrankungen zurückzuführen, welche 75% aller nicht-kardiovaskulären Todesfälle in dieser Gruppe ausmachten.

Schlussfolgerung:

Die Prävalenz von Krebserkrankungen bei Patienten mit TTC ist hoch. Dies ist konsistent zu den Ergebnissen vorangegangener Arbeiten. Für Patienten mit Krebserkrankungen scheint ein erhöhtes Risiko zu bestehen eine TTC zu entwickeln. Umgekehrt ist es denkbar, dass eine TTC einen Risikomarker für eine bislang nicht diagnostizierte Krebserkrankung darstellt. Betrachtet ab dem 1. Jahr nach Diagnosestellung ist die Langzeit-Mortalität der TTC-Patienten mit Krebserkrankungen gegenüber denen ohne Krebserkrankungen signifikant erhöht. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse halten wir es für sinnvoll bei TTC-Patienten eine „kleine Tumorsuche“ (Röntgen-Thorax, Abdomensonographie, großes Blutbild, allgemein empfohlene altersabhängige Krebsvorsorge) durchzuführen. Die Ursache für die Koinzidenz von Krebserkrankungen und TTC sowie deren pathophysiologische Hintergründe bleiben jedoch weiterhin unklar. Hier sind weiterführende Studien erforderlich.

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