Obstruktion des LVOT bei hypertropher Kardiomyopathie (HCM): Risikomarker oder therapeutischer Angriffspunkt?
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Professor Lothar Faber, Bad Oeyenhausen
Maligne ventrikuläre Arrhythmien mit der Gefahr des (- durch einen ICD theoretisch verhinderbaren -) plötzlichen Herztodes (SCD) stellen eine besondere Herausforderung bei der Behandlung von Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie (HCM) dar. Unstrittig ist die ICD-Indikation bei anhaltender ventrikulärer Tachyarrhythmie oder überlebtem Herzkreislaufstillstand („Sekundärprophylaxe“ [1-5]). Kontrovers ist die Identifikation potentiell arrhythmiegefährdeter Patienten bzw. die primärprophylaktische ICD-Indikation. Gründe hierfür sind die Heterogenität der Erkrankung mit weitgehender Dissoziation von klinischer Symptomatik, Phänotyp und Rhythmusgefährdung sowie die niedrige krankheitsbezogene Sterblichkeit von etwa 1% pro Jahr [1]. Als Risikofaktoren für eine Rhythmusgefährdung wurden in größeren Beobachtungsstudien [6] fünf Merkmale identifiziert: Eine hinsichtlich des SCD belastete Familienanamnese, rezidivierende Synkopen, eine pathologische Belastungs-Blutdruckreaktion, nicht anhaltende ventrikuläre Tachyarrhythmien (NSVT) im Langzeit-EKG sowie eine exzessive Wandverdickung >30 mm. Weitere, in einzelnen Serien identifizierte und weniger gut dokumentierte Risikomarker betreffen ein frühes Manifestationsalter der Erkrankung, den Nachweis eines Ausstrom-Gradienten bzw. einer myokardialen Ischämie, intermittierendes oder anhaltendes Vorhofflimmern, eine linksatriale Dilatation, den Nachweis von intramyokardialen Fibrose-Zonen in der kontrastmittelverstärkten MRT, oder auch spezifische Mutationen bei der genetischen Analyse [6-12]. Patienten ohne diese Risikomarker zeigten eine von Normalpersonen nicht wesentlich abweichende Mortalität. Es gelang bisher jedoch nicht, einen einzelnen Risiko-Indikator zu etablieren, so dass die Risikoabschätzung am ehesten über eine Kombination verschiedener Kriterien möglich erscheint bzw. seit 2003 [2-4, 6] in den entsprechenden Konsensuspapieren empfohlen wird.
Vor diesem Hintergrund wurde 2014 seitens der ESC auf der Grundlage von 3675 verlaufsbeobachteten Patienten mit 24300 Pat.-Jahren eine Revision der Risiko-Einschätzung für erwachsene Patienten mit HCM vorgelegt [4]. Die wesentlichen Neuerungen dieses Algorithmus bestehen einerseits in der Einbeziehung von Vorhofdiameter und Höhe eines eventuell vorhandenen Ausstrom-Gradienten (- neben Alter und maximaler Wanddicke) in die Risikokalkulation, zum Anderen in der kontinuierlichen Bewertung der analogen Messgrößen sowie auch des errechneten Risikos in %, innerhalb der nächsten 5 Jahre eine maligne Arrhythmie zu erleiden. Zudem geht die Fehlregulation des Blutdrucks unter Belastungsbedingungen nicht mehr in die Risikobewertung ein.
Die Klinik für Kardiologie des HDZ NRW führt seit 1996 ein Register, welches alle in der Klinik behandelte HCM-Patienten erfasst. Von den knapp 1900 durch das Register erfassten Patienten wurde jetzt bei 513 Fällen mit der obstruktiven Form der Erkrankung (HOCM) das Langzeitüberleben nach perkutaner Septumablation (PTSMA) sowie die Prädiktoren der Gesamt- sowie der kardiovaskulären Mortalität untersucht. Die periprozedurale Sterblichkeit in dieser Gruppe betrug 1% (5 Pat.), die Schrittmacher-Quote 9% (45 Pat.), der mittlere CK-Gipfel betrug 513±249 U/l (Referenz: <80). Die klinische Symptomatik war nach Intervention rückläufig (NYHA-Klasse von 2,9±0,5 auf 1,7±0,7); der maximal provozierte Ausstrom-Gradient verringerte sich von 121±36 auf 28±36 mm Hg, der Diameter des linken Vorhofs von 49±7 auf 46±7 mm (- alle Angaben mit p<0,0001; Abb. 1). Während einer mittleren Beobachtungsdauer von 67±56 (0,1-236) Monaten (2828 Pat.-Jahre) verstarben 56 Patienten, davon 22 an nicht-kardialen, und 34 an kardiovaskulären Erkrankungen incl. einem plötzlichen Herztod. Das Gesamtüberleben nach 5 Jahren betrug 93%, nach 10 Jahren 90%.
Bei multivariabler Analysis erwiesen sich die folgenden Parameter als prädiktiv für die Gesamtmortalität („hazard ratio“/p-Wert) des untersuchten Kollektivs:
Basaler enddiastolischer LV-Diameter (1,06/0,03), Alter zum Zeitpunkt der Erstevaluation (1,07/0,0001), max. basale Wanddicke (1,12/0,004), applizierte Ethanoldosis (1,37/0,0001) und Synkopen nach der PTSMA (2,73/0,02).
Der kumulative Endpunkt „kardiovaskuläre Mortalität und adäquate ICD-Therapie“ wurde vorhergesagt durch:
Max. basale Wanddicke (1,10/0,01), Ethanoldosis (1,32/0,03), NYHA Klasse (1,84/0,01) sowie Synkope während der Nachbeobachtung (3,56/0,0005).
Die binären Risikomarker “NSVT” und “positive SCD-Familienanamnese” spielten im untersuchten Kollektiv keine Rolle, ebenso wenig die Höhe des LVOT-Gradienten oder der LA-Diameter. Bei Anwendung des ESC-Rsikoscore [4] ergab sich eine signifikante Abnahme von 3,5 % bei Erstevaluation auf 2,4% bei letzter Kontrolle (p<0,0001).
Schlussfolgerung:
Bei Patienten mit HOCM, die sich einer PTSMA unterziehen, scheinen andere Risikomarker von Bedeutung als in der HCM-Gesamtpopulation. Ausstrombahn-Gradient und Vorhofgröße als durch die Intervention direkt beeinflusste Parameter waren zur Risikoabschätzung ohne Bedeutung. Als stärkster Einzelprädiktor imponiert in dieser Population das Auftreten von Synkopen trotz normalisierter Ausstrom-Verhältnisse. Zudem wird die negative Rolle hoher Ethanol-Dosen für den Langzeit-Verlauf bestätigt. Eine multizentrische Initiative zur Langzeitbeobachtung von HOCM-Patienten nach Septumablation analog der für das HCM-Gesamtkollektiv erscheint geboten.
Literatur:
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