Grafenberger Allee 100
40237 Düsseldorf
Tel.: + 49 211 600692-0
Fax: + 49 211 600692-10
info@dgk.org

Wo Rauch ist, da ist auch Feuer? Studie zur Bedeutung von Vorhofflimmern bei jungen Patienten

Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial

Priv.-Doz. Dr. Alexander Wutzler, Berlin

Vorhofflimmern (VHF) ist eine Erkrankung des höheren Lebensalters. Gelegentlich kommt VHF allerdings auch bei jungen Patienten vor. Während bei älteren Patienten kardiovaskuläre Erkrankungen die Entstehung von VHF und von Komplikationen des VHF begünstigen, sind die Ursachen und der Verlauf von VHF bei jungen Patienten weniger klar. Insbesondere für Patienten ohne kardiale oder sonstige Komorbiditäten existieren kaum Daten. Die Prävalenz von VHF in der Gruppe der unter 40jährigen beträgt 0,5 %, folglich ist diese Altersgruppe in Studien und Registern deutlich unterrepräsentiert. Ziel unserer Studie war die Untersuchung des Verlaufs von VHF bei Patienten unter 35 Jahren. Hierbei wurden Patienten, welche keinerlei Begleiterkrankungen aufwiesen mit einer Gruppe von Patienten mit kardialer Grunderkrankung verglichen.

Hierzu wurden von 11.888 Patienten mit VHF, die sich zwischen 2001 und 2014 in unserer Klinik vorgestellt hatten, 124 (1,04 %) identifiziert, die bei Erstvorstellung 35 Jahre alt oder jünger waren. VHF Typ, EHRA Klasse, Komorbiditäten, Behandlungsstrategie (Frequenz- vs. Rhythmuskontrolle), Antikoagulation, CHA2DS2-VASc- und HAS-BLED-Score wurden bei Einschluss dokumentiert.

Primärer Endpunkt war ein kombinierter Endpunkt aus Schlaganfall/TIA, systemischer Embolie, Blutung und Tod. Sekundäre Endpunkte waren Schlaganfall/TIA, systemische Embolie, Blutung, Tod, VHF und sonstige Arrhythmie bei Follow-Up.

Insgesamt wurden 84 Patienten über 48.4 ± 39.8 Monate nachverfolgt. Bei 34 (40,5 %) lagen bei Erstvorstellung kardiale Komorbiditäten vor, bei 50 (59,5 %) bestanden keine bekannten Begleiterkrankungen. Hinsichtlich des primären Endpunktes, der Behandlungsstrategie und der Antikoagulation unterschieden sich die Gruppen nicht (Tabelle). Zwei Patienten mit kardialen Begleiterkrankungen verstarben im Verlauf (terminale Herzinsuffizienz bzw. Pneumonie). Das Vorliegen weiterer Arrhythmien neben VHF war signifikant häufiger in der Gruppe ohne Begleiterkrankungen (36% vs. 14.7%, p=0.032). Eine supraventrikuläre Tachykardie (SVT) lag bei 57 % der Patienten ohne Begleiterkrankungen, welche einer elektrophysiologischen Untersuchungen unterzogen wurden, vor. Diese wurde in jedem Fall erfolgreich mittels Katheterablation behandelt. Bei den wegen einer SVT abladierten Patienten wurde keine zusätzliche Pulmonalvenenisolation durchgeführt. Im Verlauf traten bei diesen Patienten weder SVT noch VHF auf.

Fazit
VHF kommt bei jungen Patienten mit und ohne strukturelle Herzerkrankung vor. In der Gruppe der jungen VHF-Patienten ohne Begleiterkrankung liegt bei einem überraschend großen Anteil eine SVT vor. Nach definitiver Behandlung der SVT mittels Katheterablation kam es bei keinem der Patienten im Zeitraum der Nachverfolgung zum erneuten Auftreten von VHF.

Obwohl unser Studiendesign keine kausalen Schlüsse zulässt, legen unsere Daten nahe, dass VHF bei jungen Patienten ohne Begleiterkrankung häufig durch eine SVT getriggert wird. Junge Patienten mit VHF könnten von einer frühzeitigen elektrophysiologischen Untersuchung zur Diagnose und ggf. Ablation einer SVT profitieren.

Tabelle  
     
  VHF mit Begleiterkrankung

(n=34)

 

VHF ohne Begleiterkrankung

(n=50)

 

CHA2DS2VASc 1±1.1 0.3±0.6 <0.001*
HAS-BLED 0.7±0.7 0.4±0.5 0.023*
Begleiterkrankung
KHK (%) 2 (5.9)
Hypertonus (%) 13 (38.2)
Klappenersatz (%) 6 (17.6)
HCM (%) 7 (20.6)
DCM (%) 3 (8.8)
TTC (%) 2 (5.9)
ARVD (%) 1 (2.9)
Andere Kardiomyopathie (%) 7 (20.6)
Antikoagulation (%) 17 (50) 17 (34) 0.14
Vitamin K Antagonist 15 (44.1) 13 (26)
Faktor Xa Inhibitor 2 (5.9) 4 (8)
Rhythmuskontrolle (%) 20 (58.8) 34 (68) 0.39
Elektrische Kardioversion 13 17
Antiarrhythmika 11 8
Katheterablation 8 21
Endpunkte
Kombinierter Endpunkt (%) 5 (14.7) 3 (6) 0.18
Schlaganfall/TIA (%)
SE (%)
Blutung (%) 2 (5.9) 2 (4) 0.69
Tod (%) 2 (5.9) 0.049*
VHF bei follow up (%) 13 (38.2) 10 (20) 0.66
Sonstige Arrhythmie (%) 5 (14.7) 18 (36) 0.032*
Typisches Vorhofflattern (ambulantes EKG) 3 (8.8) 6 (12) 0.64
Ventrikuläre Tachykardie (ambulantes EKG) 1 (2.9) 0.22
Induzierte SVT während EPU 1 (2.9) 12 (24) 0.009*
AV-Reentry-Tachykardie 1 4
AV-Knoten-Reentry-Tachycardie 8

Outcome während des Nachverfolgungszeitraums verglichen zwischen Patienten mit und ohne Begleiterkrankungen. ARVD = Arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie, EPU = elektrophysiologische Untersuchung, KHK = Koronare Herzerkrankung, SE = systemische Embolie, SVT = supraventrikuläre Tachykardie, TIA = transitorische ischämische Attacke, TTC = Tako-Tsubo-Kardiomyopathie, VHF = Vorhofflimmern.
*statistisch signifikant

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 9000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen, die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org