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QT interval prolongation in obesity and metabolic syndrome: myth or fact?

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Dr. Christina Strack, Regensburg

Die Adipositas ist aufgrund ihrer kardiovaskulären und metabolischen Begleiterkrankungen von hoher sozio-ökonomischer Bedeutung. Die Lebenserwartung eines adipösen 40-jährigen Nichtrauchers ist um ca. 7 Jahre kürzer als die eines gleichaltrigen normalgewichtigen Menschen (Haslam 2005, Peeters 2003). Die Auswirkungen der Adipositas auf das Herz-Kreislauf-System und Folgeerkrankungen wie arterielle Hypertonie, Diabetes, Dyslipidämie und Koronare Herzerkrankung sind bekannt. Dass die Adipositas auch mit EKG-Veränderungen einhergeht, stand bisher weniger im Fokus der Aufmerksamkeit.

Einigen Studien zufolge treten bei Adipösen im Vergleich zu Normalgewichtigen Veränderungen der Repolarisation häufiger auf. Insbesondere wurde eine positive Korrelation zwischen QT Intervall und BMI bzw. Taille/Hüft-Umfang beschrieben (Corbi 2002, Esposito 2003, Mukerji 2012). Die Studienlage bleibt bisher jedoch kontrovers. Auch sind die Mechanismen, die für die verzögerte Repolarisation bei Adipositas verantwortlich sind, bisher nicht bekannt. Durch die erhöhte Körperzellmasse und Anpassungsprozesse im kardiovaskulären System, welche durch metabolische und endokrinologische Stoffwechselveränderungen ausgelöst werden und eine Sympathikusaktivierung beinhalten, ist die Adipositas mit einer erhöhten Herzfrequenz assoziert (Hall 2010, Engeli 2005). Da die QT Zeit abhängig von der Herzfrequenz ist, werden im klinischen Alltag Formeln zur Herzfrequenz-Korrektur verwendet. Ziel unserer Studie war es, den Einfluss der Herzfrequenz und der Herzfrequenz-Korrektur auf die korrigierte QT Zeit (QTc) bei Adipositas vor und nach Gewichtsreduktion zu untersuchen.

Insgesamt wurden in der prospektiven Studie 318 sehr adipöse Probanden zwischen 18-65 Jahren mit einem durchschnittlichen BMI von 41±8 kg/m² eingeschlossen. Die Probanden nahmen an einem multimodalen Gewichtsreduktionsprogramm teil, wodurch eine Gewichtsreduktion von durchschnittlich 16±12 kg innerhalb von 3 Monaten erreicht werden konnte. Als Kontrollen schlossen wir 45 normalgewichtige gesunde Probanden (Ø BMI 22±2 kg/m²) ein.

8 etablierte Formeln wurden zur Korrektur der Herzfrequenzabhängigkeit verwendet (Bazett, Ashman, Karajalainen, Friderica, Sages-Framingham, Hodges, Rautaharju und Pfeufer). Auch in unserem Studienkollektiv wiesen Adipöse eine höhere Herzfrequenz als Schlanke auf (72±14 vs. 64±12 bpm; p=0.001). Die nicht-korrigierte QT Zeit unterschied sich zwischen Adipösen und Schlanken nicht (389±32 vs. 399±33 ms; p=0.130). Legt man den Berechnungen der Herzfrequenz-korrigierten QTc Zeit die Bazett- und Karajalainen-Formeln zu Grunde, wiesen Adipöse eine längere QTc Zeit auf als Schlanke (QTcBazett 422±25 vs. 409±18ms; p< 0,001; QTcKarajalainen 415±27 vs 407±14 ms; p=0,008). Im Gegensatz dazu war die QTc Zeit nach Anwendung der Ashman-Korrektur bei Adipösen sogar kürzer als bei Schlanken (371±30 vs 389±30ms; p=0,001). Bei allen anderen Formeln nivellierte sich der Gewichtsunterschied, so dass bei Anwendung der 5 anderen Formeln Adipöse und Schlanke vergleichbare QTc Zeiten aufwiesen.

Der erfolgreiche Gewichtsverlust von durchschnittlich 16±12 kg ging mit einem signifikanten Absinken der Herzfrequenz einher (72±15 vs. 65±12 bpm, p<0.001). Die Herzfrequenz-abhängige QTc Zeit nach Gewichtsreduktion nahm nach den Bazett- und Karajalainen-Korrekturen signifikant ab (QTcBazett 422±25 vs. 416±25ms; p=0,007; QTcKarajalainen 415±27 vs 411±20 ms; p=0,049), während sie nach der Ashman-Korrektur signifikant zunahm (371±30 vs 386±26ms; p=0,001). Wiederrum zeigte sich nach Anwendung der 5 anderen Formeln keine Veränderung der QTc Zeit trotz signifikantem Herzfrequenzabfall nach Gewichtsreduktion.

Die verwendeten 8 mathematischen Formeln enthalten eine unterschiedliche Gewichtung der Herzfrequenz, welche zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Abweichung von der nicht-korrigierten QT Zeit führt. Wie eine mathematische Simulation belegt, welche die Abweichung von der nicht-korrigierten QT Zeit zeigt (Abbildung), ist diese gerade bei den Bazett- und AshmanFormeln sowie den Karajalainen Nomogramen deutlich größer als bei den 5 anderen verwendeten Formeln. Das Ausmaß dieser Abweichung fällt insbesondere bei den bei Adipositas häufig zu beobachteten höheren Herzfrequenzen ins Gewicht (Abbildung).

Aus unseren Daten lässt sich daher folgern, dass insbesondere bei der Verwendung von Bazett- und Ashman-Formeln und den Karajalainen Nomogramen die Assoziation zwischen Adipositas und Veränderung der QTc-Zeit durch die Herzfrequenzkorrektur zustande kommt.

Berücksichtigt man die erhöhte Herzrate bei Adipositas sollte die klinisch gängige Praxis der Verwendung der Bazett Formel zur Beurteilung von Repolarisationsveränderungen überdacht werden. Insbesondere bei Adipositas sollte im klinischen Alltag eine Formel zur QTc Zeit Berechnung Verwendung finden, welche keine signifikante Abweichung von der nicht-korrigierten QT Zeit in Abhängigkeit von der Herzfrequenz aufweist.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 9000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen, die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org