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Verwendung von 1 oder 2 Clips? Die Patienten unterscheiden sich, die Ergebnisse auch. Ergebnisse aus dem deutschen TRAMI-Register, der weltweit größten MitraClip-Kohorte

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Prof. Dr. Wolfgang Schillinger, Göttingen 

Die Mitralklappeninsuffizienz ist der zweithäufigste Herzklappenfehler des Erwachsenen. Man unterscheidet primäre (degenerative) Formen, bei denen das Klappensegel und die Sehnenfäden erkrankt sind, von sekundären (funktionellen) Formen, bei denen der Halteapparat der Klappe wie Klappenring, Papillarmuskeln und Herzwand betroffen ist. Die Mitralklappenchirurgie hat in den vergangen Jahrzehnten hohe qualitative Standards erreicht. Trotzdem wird jeder 2. bis 3. Patient mit einer schweren, symptomatischen Mitralinsuffizienz der Operation nicht zugeführt. Gründe hierfür sind eine eingeschränkte linksventrikuläre Funktion, relevante Begleiterkrankungen und ein fortgeschrittenes Lebensalter. Aufgrund steigender Lebenserwartung und Prävalenz der Herzinsuffizienz wird die Mitralklappenchirurgie diese Behandlungslücke in den kommenden Jahren voraussichtlich nicht schließen können.

In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl katheterbasierter Verfahren zur Mitralklappenreparatur bei symptomatischer Mitralinsuffizienz entwickelt. Viele davon sind experimentell, die Edge-to-Edge-Repair-Technik mit MitraClip® (Abbott Vascular) hat jedoch große Verbreitung gefunden. MitraClip® hat im Jahre 2008 die CE-Zulassung erhalten und wurde in Europa erstmals im September desselben Jahres in Deutschland eingesetzt. Bis heute wurden weltweit über 12.000 Patienten einem Clip-Eingriff unterzogen. Über die Hälfte dieser Behandlungen wurde in Deutschland an über 80 Zentren vorgenommen (Mitteilung Abbott Vascular). Das ursprüngliche Konzept von MitraClip sah die Platzierung eines einzelnen Clips am Ursprung der Mitralinsuffizienz – bei der primären Mitralinsuffizienz an einem prolabierenden Segel bzw. einem abgerissenen Sehnenfaden, bei der sekundären Mitralinsuffizienz meist zentral – vor. Rasch zeigte sich aber, dass mehr als nur ein einzelner Clip technisch möglich und oft nötig ist, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen.

 Das deutsche TRAMI (TRAcatheter Mitral Valve Interventions) –Register hat zwischen August 2009 und Juli 2013 803 Patienten prospektiv eingeschlossen. 1 einzelner Clip wurde bei 461 (57,4%) Patienten, 2 Clips bei 312 (38,9%) Patienten, 3 oder mehr Clips bei nur 30 (3,7%) Patienten verwendet. Wir haben die Basischarakteristika und kurzfristigen Ergebnisse bei Patienten verglichen, die 1 oder 2 Clips erhalten haben. Patienten mit 2 Clips waren häufiger männlich (68,9 vs. 54,7%,) und größer (172±9 vs. 168±9 cm). Die Prävalenz der dilatativen Kardiomyopathie (14,1 vs. 8,2%), eine kürzlich notwendige Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz (61,6 vs. 51,0%) und das Vorhandensein eines implantierten Kardioverter-Defibrillators (45,2 vs. 32,7%) waren signifikant häufiger. Die Gruppe der Patienten mit 2 Clips hatte größere linksventrikuläre Dimensionen (linksventrikulärer enddiastolischer Diameter 60 [54-68] mm vs. 58 [51-65] mm) und der Anteil an Patienten mit einer erhaltenen linksventrikulären Ejektionsfraktion war geringer (26,4 vs. 33,6%). Die Allokation zur nicht-chirurgischen Therapie wurde häufiger durch das Herzteam vorgenommen (65,1 vs. 56,4%), was ein Hinweis auf das komplexere Patientenkollektiv sein könnte. Der Prozedurerfolg, der als erfolgreiche Clip-Platzierung mit allenfalls mittelgradiger Restinsuffizienz definiert war, wurde seltener bei Patienten mit 2 Clips erreicht (80,5 vs. 89,1%). Die Prozedurdauer (115±52 vs. 91±51 min) und die Durchleuchtungszeiten (32±31 vs. 26±71 min) waren länger. Außerdem war bei Patienten mit 2 Clips häufiger eine frühe herzinsuffizienzbedingte Re-Hospitalisierung innerhalb einer medianen Nachbeobachtungsdauer von 8 Wochen nötig (9,0 vs. 3,4%). Darüber hinaus war die kurzfristige Therapiesicherheit bei beiden Gruppen aber vergleichbar. 

Die Auswahlkriterien für eine 2-Clip-Strategie werden daher offenbar von konstitutionellen (männliches Geschlecht, Körpergröße) und Kardiomyopathie-assoziieren Faktoren (Ätiologie, linksventrikuläre Dimensionen) beeinflusst. Diese Patienten sind anfälliger für ein prozedurales Versagen und eine frühe Re-Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz und weisen möglicherweise ein weiter fortgeschrittenes Stadium der Herzinsuffizienz auf. Diese Befunde sollten daher Anlass zu einer sorgfältigen und engmaschigeren Nachsorge geben. Die Ergebnisse werden auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim vorgestellt (Sitzung MitraClip: Technische Aspekte: Mittwoch, 23.04.2014, Saal 17 von 15:30 bis 17:00 Uhr). 

Das TRAnscatheter Mitral valve Interventions (TRAMI) Register wurde im Jahre 2010 an der Stiftung Institut für Herzinfarktforschung (Ludwigshafen) eingerichtet, um Sicherheit und Wirksamkeit von Verfahren zur perkutanen Mitralklappentherapie in Deutschland zu erfassen und um die basisdemographischen Charakteristika und die Entscheidungsfindung für die nicht-chirurgischen Verfahren zu dokumentieren. Die Einschlussphase endete im Juli 2013. Nachkontrollen sind nach 30 Tagen, 1, 3 und 5 Jahren vorgesehen. Außerdem konnten Patienten retrospektiv ohne streng vorgegebene Kontrollintervalle eingeschlossen werden. 21 deutsche Zentren nehmen teil (Tabelle 1) und haben insgesamt 1365 Patienten (843 prospektiv/522 retrospektiv) eingeschlossen, die sich einer MitraClip®-Implantation unterzogen haben. TRAMI stellt damit die größte MitraClip®-Kohorte weltweit dar und repräsentiert ein Abbild der Behandlungsrealität in Deutschland. Vorläufige Ergebnisse hatten gezeigt, dass vorwiegend ältere Patienten mit hohem operativem Risiko dieser Therapie unterzogen worden sind. Das 30-Tage-Follow-Up bzw. die Erfassung des Vitalstatus liegt mittlerweile für 793 der prospektiven und 290 der retrospektiven Patienten vor. Das 1-Jahres-Follow-up wird voraussichtlich im September 2014 beendet sein. Weitere Auswertungen und Publikationen sind im Laufe dieses Jahres geplant. Solange randomisierte Studien in der untersuchten Hochrisiko-Kohorte fehlen, liefert TRAMI wichtige Informationen zur Beurteilung von Sicherheit und Wirksamkeit der MitraClip®-Therapie. Mit diesen Daten lassen sich Hypothesen für randomisierte Studien generieren. TRAMI ist eine wichtige Maßnahme zur Qualitätssicherung nach perkutaner Mitralklappentherapie in Deutschland. 

TABELLE

Tabelle 1. Teilnehmende Zentren (in alphabetischer Reihenfolge)
Zentrum Ort Principal Investigator
Universitätsklinikum Aachen Aachen Prof. Dr. Hoffmann
Kerckhoff-Klinik GmbH Bad Nauheim Prof. Dr. Möllmann
Charité Campus Benjamin Franklin Berlin PD Dr. Gross
Herzzentrum Brandenburg Bernau PD Dr. Butter
Universitätsklinikum Bonn Bonn Prof. Dr. Nickenig
Universitätsklinikum Essen Essen Dr. Plicht
Cardio Vasculäres Centrum (CVC) Frankfurt Frankfurt Prof. Dr. Sievert
Cardioangiologisches Centrum Bethanien – CCB Frankfurt Prof. Dr. Eggebrecht
Universitätsklinikum Freiburg Freiburg Prof. Dr. Hehrlein
Universitätsmedizin Göttingen Göttingen Prof. Dr. Schillinger
Asklepios Klinik St. Georg Hamburg Prof. Dr. Kuck
Medizinisches Versorgungszentrum Hamburg Prof. Dr. Schofer
Universitäres Herzzentrum Eppendorf Hamburg Dr. Lubos
Universitätsklinikum Heidelberg Heidelberg Prof. Dr. Bekeredjian
Städtisches Klinikum Karlsruhe Karlsruhe Dr. Schymik
Universitätsklinikum Köln Köln Prof. Dr. Baldus
Herzzentrum Ludwigshafen Ludwigshafen Prof. Dr. Zahn
Universitätsmedizin Mainz Mainz PD Dr. Hink
Universitätsklinik Rostock Rostock Prof. Dr. Ince
Klinikum Siegburg Siegburg Prof. Dr. Boekstegers
Universitätsklinikum Tübingen Tübingen Prof. Dr. May

 

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org