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Prävalenz von komorbider Depression, Häufigkeit von antidepressiver Pharmakotherapie und Überleben bei systolischer Herzinsuffizienz

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Dr. Julia Wallenborn, Würzburg 

Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung tritt eine Depression bei herzinsuffizienten Patienten bis zu fünf Mal häufiger auf und ist mit einer schlechteren Prognose, erhöhten Krankheitskosten und reduzierter Lebensqualität assoziiert. Einfluss und Wirksamkeit einer antidepressiven Therapie bei Herzinsuffizienz und komorbider Depression werden derzeit kontrovers diskutiert. Ziele der vorliegenden Studie über Patienten mit dekompensierter systolischer Herzinsuffizienz waren die Beschreibung der Prävalenz einer Depression sowie deren Behandlungshäufigkeit mit Antidepressiva und die Untersuchung der prognostischen Bedeutung von depressiven Symptomen, der Anamnese früher stattgehabter depressiver Episoden sowie einer antidepressiven Pharmakotherapie.

 Der PHQ-9 Fragebogen ist ein weithin verwendetes und validiertes Instrument zur Detektion einer depressiven Stimmungslage. Von 864 wegen einer akuten kardialen Dekompensation hospitalisierten Patienten (69.1±12.5 Jahre; 72% männlich; linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) 30.4±8.2%, NYHA Klasse III-IV 42%) wurde vor Entlassung der PHQ-9-Fragebogen ausgefüllt. Patienten mit Werten ≥11 bzw. <11 wurden als ‚depressiv‘ bzw. ‚nicht depressiv‘ klassifiziert. Zudem wurde erfasst, ob Patienten bereits in der Vergangenheit depressive Episoden durchgemacht hatten und, wenn ja, ob diese derzeit mit Antidepressiva therapiert wurden. Insgesamt wurde die Kohorte nach Vorliegen einer depressiven Stimmungslage bzw. einer vorbekannten Depression in vier Gruppen eingeteilt: Patienten ohne depressive Stimmung ([1] ohne und [2] mit vorbekannter Depression) und Patienten mit depressiver Stimmung ([3] ohne und [4] mit vorbekannter Depression). Der Beobachtungszeitraum betrug 18 Monate (Nachverfolgung bzgl. Überleben 100% vollständig).

Bei 29% aller Patienten konnte eine depressive Stimmungslage festgestellt werden: 28% dieser Subgruppe hatten eine vorbekannte Depression, wovon nur 50% antidepressiv therapiert wurden. Abbildung 1 stellt die Verteilung der Patienten und die Häufigkeit der Einnahme antidepressiver Substanzen innerhalb der einzelnen Subgruppen dar.

 In der Gruppe mit PHQ-9<11 waren insgesamt 83 (14%) Patienten nach 18 Monaten verstorben: 67 (10,9%) in Subgruppe [1], und 16 (2,6%) in Subgruppe [2], davon 8 (1,3%) unter antidepressiver Medikation. In der Gruppe mit einem PHQ-9≥11 verstarben insgesamt 68 (27%) Patienten, und davon 40 (15,8%) in Subgruppe [3] und 28 (11%) in Subgruppe [4], davon 17 (6,7%) unter antidepressiver Medikation.

Subgruppe [4] zeigte im Vergleich zur Subgruppe [1] das schlechteste Überleben in der univariablen Überlebensanalyse (HR 3,9; 95%-KI 2,5-6,1; P<0,001; Abb.2), gefolgt von Subgruppe [2] (HR 2,7; 95%-KI 1,6-4,7; P<0,001) und Subgruppe [3] (HR 1,8; 95%-KI 1,3-2,8; P=0,002). Auch nach Adjustierung für potenzielle Confounder (u.a. Alter, Geschlecht, NYHA Klasse, LVEF, NT-proBNP) änderten sich die Assoziationen nur geringfügig. In einer weiteren Analyse zeigte sich, dass Patienten mit vorbekannter Depression unter antidepressiver Therapie auch nach Adjustierung das schlechteste Überleben aufwiesen (HR 3,0, 95%-KI 1,8-5,1; P<0,001).

Zusammengefasst zeigen unsere Daten, dass Patienten, die mit dekompensierter systolischer Herzinsuffizienz hospitalisiert werden, vor der Entlassung noch häufig an depressiven Symptomen leiden. Nur etwa ein Drittel dieser Patienten unserer Studie hatte eine Anamnese früherer depressiver Episoden, und nur die Hälfte dieser Untergruppe war antidepressiv behandelt. Ein erhöhter PHQ-Score erwies sich als unabhängiger Prädiktor für ein erhöhtes Mortalitätsrisiko.

Die Anamnese früherer depressiver Episoden war – unabhängig vom aktuellen PHQ-Score – mit einer schlechteren Prognose assoziiert als die erstmalige Fest-stellung depressiver Symptome. Patienten mit erhöhtem PHQ-Score trotz antidepressiver Behandlung und Patienten mit vorbekannter, aktuell erfolgreich behandelter Depression wiesen innerhalb unserer Kohorte die schlechteste Prognose auf.

Das Screening nach depressiven Symptomen bzw. einer depressiven Vorgeschichte liefert somit wichtige prognostische Informationen bei Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz und sollte als Routinemaßnahme in die klinische Versorgung aufgenommen werden. 

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