Grafenberger Allee 100
40237 Düsseldorf
Tel.: + 49 211 600692-0
Fax: + 49 211 600692-10
info@dgk.org

Erhöhte intrahospitale Mortalitätsrate nach Thrombusaspiration vor Stentimplantation in der Therapie des ST-Streckenhebungsinfarktes

Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial

Dr. Jürgen Leick, Bad Nauheim 

Nach erfolgreicher primärer perkutaner Koronarintervention (PPCI) beeinflusst eine unzureichende myokardiale Perfusion auf Kapillarebene die Prognose von Infarktpatienten. Die Perfusionsstörungen sind dabei häufig als Folge distaler Embolisationen von Plaque- und Thrombenmaterial anzusehen. Die aktuellen Leitlinien zur Behandlung des ST-Streckenhebungsinfarktes (STEMI) empfehlen, dass die manuelle Katheter-Thrombusaspiration (TA) im Rahmen der PPCI in Betracht gezogen werden soll (Empfehlungsgrad IIa, Evidenzgrad B). Die TA ist eine einfache, weit verbreitete und relativ kostengünstige Methode zur Reduktion der Thrombusmasse im Infarktgefäß. Hierdurch soll das Risiko distaler Embolisationen verringert werden. Der Einfluss der TA auf die Prognose hat jedoch in verschiedenen Registern und Studien unterschiedliche Ergebnisse erzielt und wird kontrovers diskutiert.

In der vorliegenden retrospektiven, multizentrischen Kohortenstudie erfolgte der Einschluss von 1027 konsekutiven STEMI Patienten. Die adjunktive TA erfolgte bei 418 Patienten im Vergleich zu 609 Patienten mit alleiniger PPCI. Die Entscheidung zur TA wurde hierbei vom behandelnden Kardiologen gestellt. Der Einfluss der TA vor PPCI auf die Krankenhaus- und Langzeitmortalität wurde mittels einer propensity score adjustierten (inverse probability treatment weighting) Endpunktanalyse untersucht.

Die Krankenhausmortalität der Patienten mit TA vor PPCI war mit 8,7% im Vergleich zu 5,1% in der Kontrollgruppe signifikant erhöht (Odds Ratio (OR) 1,87; 97,5% CI 1.08-3,25; P=0,03). Im Langzeit-Follow-up (Nachbeobachtungszeitraum im Median 24,6 Monate) zeigte sich kein signifikanter Unterschied mehr zwischen den Gruppen (Hazard Ratio 1.22; 97.5% CI 0.77-1.92; P =0,4) (Abbildung 1). 

Hinsichtlich des sekundären kombinierten Endpunktes, bestehend aus den Ereignissen kardiovaskulärer Tod, erneuter Myokardinfarkt und erneute Revaskularisation des Zielgefäßes, gab es sowohl zum Zeitpunkt der Entlassung als auch im Follow-up keinen signifikanten Unterschied zwischen Patienten mit und ohne TA (P =0,63 bzw. P =0,68). Ebenso gab es keine Unterschiede bezüglich des Thrombolysis in Myocardial Infarction (TIMI)-3 Fluss nach PPCI (P =0,24), der enzymatischen Infarktgröße, repräsentiert durch den maximalen Kreatininkinase MB Anstieg (P =0.17) sowie der linksventrikulären Ejektionsfraktion zum Zeitpunkt der Entlassung (P =0,37). Die intensivmedizinische Behandlungsdauer sowie die Gesamtbehandlungsdauer der Patienten war ohne Unterschied zwischen den Gruppen (P =0,38 bzw. P =0,70). Im Rahmen des Follow-up erfolgte die Evaluation der Beschwerdesymptomatik der Patienten anhand der CCS Klassifikation. Patienten, bei denen eine TA durchgeführt wurde, berichteten im Langzeit Follow-up deutlich weniger über Angina pectoris Beschwerden im Vergleich zu Patienten ohne TA (P =0,03). Ebenso war die Häufigkeit einer erneuten Rehospitalisation aufgrund von Symptomen der Herzinsuffizienz in dieser Gruppe signifikant reduziert (2,2% vs. 16,2%; OR 0,10 97,5% CI 0,03-0,33; P <0,001). 

In unserer propensity score adjustierten Kohortenstudie hatten Patienten mit TA vor PPCI im Vergleich zur alleinigen PPCI eine erhöhte intrahospitale Mortalitätsrate. Sowohl in der „Thrombus Aspiration during Percutaneous coronary intervention in Acute myocardial infarction“ (TAPAS) als auch in der „Thrombus Aspiration in ST-Segment Elevation Myocardial Infarction in Scandinavia“ (TASTE) Studie wurde kein Unterschied in der 30-Tages Mortalität nachgewiesen. Die alleinige intrahospitale Mortalität wurde in diesen Studien jedoch nicht untersucht. Des Weiteren konnte der Benefit einer TA im Rahmen der PPCI auf die Mortalitätsrate in der TAPAS Studie erst nach einem Jahr nachgewiesen werden. In unserer Studie konnte im Langzeit-Follow up kein signifkanter Unterschied mehr zwischen den Gruppen dargestellt werden. Allerdings war die Rehospitalisationsrate während des Nachbeobachtungs-zeitraums in Folge einer symptomatischen Herzinsuffizienz sowie die Graduierung der Angina pectoris Beschwerden bei Patienten nach TA reduziert.

Insgesamt liefert unsere Kohortenstudie Hinweise, dass die TA einen positiven Effekt auf die Rehospitalisationsrate ausübt; die intrahospitale Mortalitätsrate jedoch erhöht ist. Weitere randomisierte, multizentrische Studien sollten erfolgen, die das Langzeitüberleben, die Infarktgröße und das linksventrikuläre Remodeling durch bildgebende Verfahren sowie den klinischen Verlauf der Patienten untersuchen. 

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org