Die TAVI – auch Patienten mit low-flow, low-gradient Aortenstenose profitieren davon.
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Jury Schewel, Hamburg
Die transkatheter Aortenklappenimplantation (TAVI) ist die Therapie der Wahl bei Hochrisikopatienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose (AS). Das klinische Spektrum der AS ist jedoch weitaus komplexer als noch vor kurzem angenommen. In den aktuellen europäischen und amerikanischen Leitlinien wird die hochgradige AS weiterhin durch eine Klappenöffnungsfläche < 1 cm2 bzw. < 0,6 cm2/m2 definiert.1,2 Dabei soll eine hochgradige AS unwahrscheinlich sein, wenn das Herzzeitvolumen normal und der mittlere transvalvuläre Gradient (ΔPmean) < 40 mmHg bzw. die maximale Flussgeschwindigkeit (Vmax) < 4 m/s beträgt. Jedoch ist bekannt, dass ca. 5 – 10% der Patienten mit hochgradiger AS sowohl einen niedrigen transvalvulären Gradienten (≤ 40 mmHg) als auch ein niedriges transvalvuläres Flussprofil (Schlagvolumenindex < 35ml/m2) aufweisen.3-7 Im klinischen Alltag wird die AS dadurch zu einer diagnostischen und therapeutischen Herausforderung.
Bereits frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Patienten, die sich in einem „low-flow, low-gradient“ (LFLG) Status befinden, ein hohes operatives Risiko und schlechtere Langzeitergebnisse nach chirurgischem Aortenklappenersatz (AKE) aufweisen. Dennoch ist der chirurgische AKE bislang weiterhin die bessere Therapieoption im Vergleich zur konservativen medikamentösen Thera-pie. Unklar ist bisher, ob die TAVI bei Patienten mit einer Low-Flow Low-Gradient AS einen ähnlichen oder gar besseren therapeutischen Erfolg aufweisen kann.
Von Juni 2008 bis Juni 2013 haben wir in der ASKLEPIOS Klinik St. Georg 700 konsekutive Hochrisikopatienten mit hochgradiger AS einer perkutanen Aorten-klappenimplantation unterzogen. Dabei wurden entweder die Medtronic Corevalve (Medtronic, Minneapolis, MN, USA) oder die Edwards Sapien (Edwards Lifesience, Irvine, CA, USA) Prothese implantiert. Zur Beurteilung hämodynamischer Prozesse wurden bei 603 Patienten unmittelbar vor und nach TAVI eine vollständige Rechtsherz-Katheruntersuchung durchgeführt. In 42,6% der Patienten (n = 257) zeigte sich eine s.g. „Normal-Flow High-Gradient“ AS (LVEF > 50% und ΔPmean ≥ 40 mmHg) und in 13,1% der Patienten (n = 79) eine LFLG AS (LVEF < 30% und ΔPmean < 40 mmHg). Die klinischen Nachuntersuchungen mit echokardiographischer und laborchemischer Verlaufskontrolle wurden jeweils am 10. Tag, nach 4 Wochen, 6 Monaten und einem Jahr durchgeführt und analysiert.
In Tabelle 1. sind die demographischen Daten der beiden Patientengruppen dargestellt. Während einer Nachbeobachtungszeit von 12 Monaten zeigte sich bei Patienten mit einer LFLG AS eine höhere Mortalität im Vergleich zu Patienten mit NFHG AS (59% vs. 88%, p < 0,0001; Abb. 1). Interessanterweise zeigten sich aber bei den überlebenden Patienten mit LFLG AS eine signifikante Verbesserung der LVEF sowohl nach 4 Wochen (vor TAVI 27,4 ± 5,8% vs. 30 Tage nach TAVI 34,0 ± 13,2%, p < 0,05) als auch nach 6 Monaten (40,2 ± 12,7%, p = 0,008) und nach einem Jahr nach TAVI (46,6 ± 15,7%, p = 0,04; Abb. 2). Gleichzeitig ließ sich im Verlauf ein deutlicher Abfall des NT-proBNP-Spiegels darstellen (vor TAVI 14767 ± 4366 ng/L vs. 12 Monate nach TAVI 3106 ± 873 ng/L, p=n.s.; Abb. 3). Unabhängig von der Untergruppenzugehörigkeit zeigte sich bei allen untersuchten Patienten eine deutliche Verbesserung der funktionellen Kapazität i.S. der NYHA-Klassifikation (LFLG vs. NFHG: 4 Wochen nach TAVI: -1.2 ± 0.7 vs. -1.3 ± 0.6; p=n.s.; 6 Monate nach TAVI: -1.3 ± 0.4 vs. -1.2 ± 0.7; p=n.s.; Δ12 Monate nach TAVI: -1.6 ± 0.4 vs. -1.2 ± 0.8; p=n.s.; Abb. 4). In multivariate Analysen erwies sich die LFLG AS, neben dem akuten Nierenversagen (HR: 3,12; CI 1,79 – 5,43; p<0,001), chronischer Niereninsuffizienz (HR: 2,01; CI 1,20 – 3,36; p=0,007) und dem systolischen pulmonalarteriellen Druck PASP ≥ 60 mmHg (HR: 1,90; CI 1,08 – 3,36; p=0,027) als einer der wichtigsten unabhängigen Risikofaktoren (HR: 2,23; CI 1,30 – 3,82; p=0,004).
Anhand des hier untersuchten Datensatzes, zeigt sich, dass die TAVI auch bei speziellen Subgruppen wie die der LFLG AS mit Erfolg angewendet werden kann. Die hier präsentierten Ergebnisse sind vergleichbar mit den in der Literatur beschriebenen Effekten nach chirurgischem Klappenersatz. So erfahren die Patienten in nur kürzester Zeit eine Verbesserung der LV-EF und eine wesentliche Entlastung des linken Ventrikels, was sich an der Reduktion des NT-proBNP-Spiegels und an der Verbesserung der klinischen Beschwerden erkennen lässt.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die TAVI auch für Hoch-risikopatienten mit einer LFLG Aortenstenose trotz einer erhöhten Sterb-lichkeitsrate empfohlen werden kann, da die überlebenden Patienten eine deutliche Verbesserung sowohl der myokardialen Pumpfunktion als auch der klinischen Symptomatik aufweisen.
1. Members 2WC, Bonow RO, Carabello BA, Chatterjee K, de Leon AC, Faxon DP, Freed MD, Gaasch WH, Lytle BW, Nishimura RA, O’Gara PT, O’Rourke RA, Otto CM, Shah PM, Shanewise JS. 2008 Focused Update Incorporated Into the ACC/AHA 2006 Guidelines for the Management of Patients With Valvular Heart Disease: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines (Writing Committee to Revise the 1998 Guidelines for the Management of Patients With Valvular Heart Disease): Endorsed by the Society of Cardiovascular Anesthesiologists, Society for Cardiovascular Angiography and Interventions, and Society of Thoracic Surgeons. Circulation. 2008; 118:e523–e661.
2. Vahanian A, Iung B. The new ESC/EACTS Guidelines on the management of valvular heart disease. Arch Cardiovasc Dis. 2012; 105:465–467.
3. Barasch E, Fan D, Chukwu E, Han J, Passick M, Norales A, Reichek N. Severe isolated aortic stenosis with normal left ventricular syst olic function and lowtransvalvular gradients: pathophysiologic and prognostic insights. J Heart Valve Dis; 2008.
4. Cramariuc D, Cioffi G, Rieck E, Devereux RB, Staal EM, Ray S, Wachtell K, Gerdts E. Low-Flow Aortic Stenosis in Asymptomatic Patients. JACC Cardiovasc Interv. 2009; 2:390–399.
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6. Minners J, Allgeier M, Gohlke-Baerwolf C, Kienzle RP, Neumann FJ, Jander N. Inconsistencies of echocardiographic criteria for the grading of aortic valve stenosis. Eur. Heart J. 2008; 29:1043–1048.
7. Pibarot P, Dumesnil JG. Paradoxical Low-Flow, Low-Gradient Aortic Stenosis. J Am Coll Cardiol. 2011; 58:413–415.
|
NFHG n= 257 |
LFLG n=79 |
p |
Geschlecht: männlich |
42% [108] |
59,5% [47] |
0,009 |
Alter [Jahre] |
80,2 ± 7,3 |
78,4 ± 7,2 |
0,232 |
log. Euro-Score [%] |
20,4 ± 15,8 |
45,1 ± 20,6 |
<0,001 |
Body mass index [kg/m2] |
26,1 ± 5,4 |
25,5 ± 3,2 |
0,325 |
Körperoberfläche [m2] |
1,9 ± 0,2 |
1,8 ± 0,1 |
0,714 |
Arterielle Hypertonie |
87,9% [226] |
83,5% [66] |
0,580 |
Koronare Herzkrankheit |
54,1% [139] |
75,9% [60] |
0,024 |
Niereninsuffizienz |
31,1% [80] |
53,2% [42] |
0,019 |
Diabetes mellitus |
26,8% [69] |
29,1% [22] |
1,000 |
Hyperlipoproteinämie |
26,5% [68] |
33,7% [30] |
0,220 |
Vorhofflimmern |
34,2% [88] |
41,8% [33] |
0,438 |
pAVK |
12,8% [33] |
35,4% [28] |
0,003 |
COPD |
12,1% [31] |
17,7% [14] |
0,580 |
Tab. 1: Demographische Daten von NFHG und LFLG Patienten.
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