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Neues Positionspapier: Welche Herzklappe für welchen Patienten? DGK empfiehlt flexible Entscheidung im Herz-Team.

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Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck, Hamburg, President-Elect der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie

Die interventionelle Katheter-gestützte transvaskuläre Aortenklappenimplantation (TAVI) zählt zu den wichtigsten Entwicklungen der Kardiologie in den vergangenen Jahrzehnten. Es handelt sich dabei um eine biologische Aortenklappe, die mittels Herzkatheter – meist über die Blutgefäße und damit sehr schonend („minimalinvasiv“) implantiert wird. Diese Entwicklung hat es möglich gemacht, Menschen, die zu alt oder zu krank für eine offene Herzoperation sind, mit einem Ersatz der Aortenklappe zu versorgen. Allein diese Gruppe machte laut einer Umfrage der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) 33 Prozent der Patienten mit Bedarf nach einer neuen Aortenklappe aus. Inzwischen mehrt sich jedoch die Evidenz, dass auch weniger kranke und durchaus operationsfähige Patienten von dieser Methode profitieren können.

Der Einsatz der Kathetermethode brachte in der Behandlung der inoperablen Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose einen erheblichen Fortschritt. Studienergebnisse zeigen einen signifikanten Überlebensvorteil nach einem Jahr in der TAVI Gruppe (70% Überleben) gegenüber einer konservativ, also medikamentös behandelten Gruppe (50% Überleben). Auch bei operationsfähigen Hochrisikopatienten erwies sich die TAVI hinsichtlich harter klinischer Endpunkte im Vergleich zur offenen Operation als mindestens ebenbürtig (1). Eine kürzlich publizierte, randomisierte Studie mit Patienten aus einer mittleren Risikogruppe zeigte erstmals eine Überlegenheit der TAVI im Hinblick auf das Ein-Jahres Überleben (2).

Daher besteht dringender Bedarf nach Empfehlungen zur Indikationsstellung der TAVI gegenüber dem herzchirurgischen Klappenersatz sowie zu praktischen Aspekten der TAVI-Implantation.

Die DGK hat bereits 2009 ein Positionspapier zu diesen Fragestellungen publiziert, das nun im Lichte neuer Daten angepasst und erweitert wurde. Dafür hat eine Task Force der DGK unter meiner Leitung in den letzten Monaten intensiv an einem neuen Positionspapier (3) gearbeitet, in dem unter anderem einheitliche Qualitätsstandards für TAVI-Eingriffe formuliert werden. Dieses Papier hat vor allem die Sicherung der Versorgungsqualität bei steigendem klinischem Bedarf zum Ziel. Die Task Force setzte sich aus Kardiologen von universitären und nicht-universitären Kliniken und aus niedergelassenen Kardiologen zusammen. Die Empfehlungen wurden sowohl unter Berücksichtigung der aktuellen Versorgungssituation als auch der neuesten wissenschaftlichen Daten erstellt und von allen Teilnehmern einstimmig angenommen.

In den vergangenen Jahren haben nicht nur zahlreiche Zentren Erfahrungen mit der TAVI gewinnen können, auch die Methode selbst wurde durch technische Weiterentwicklungen verbessert. Neben der zunehmenden Erfahrung der TAVI-Operateure haben die weitere Miniaturisierung und Repositionierbarkeit der Klappenprothesen dazu beigetragen, dass Komplikationen im Rahmen der Prozedur deutlich seltener geworden sind. Darüber hinaus gibt es keine Hinweise, dass die Haltbarkeit der über Katheter implantierten TAVI-Bioklappe gegenüber der offen-chirurgisch implantierten Bioklappe eingeschränkt ist. Es ist daher vorstellbar, dass zukünftig TAVI auch bei Patienten mit nur mittelgradig erhöhtem OP-Risiko den Vorzug vor der herzchirurgisch implantierten Klappe erhält.

Daher haben sowohl die Arbeitsgruppe für Herzklappenerkrankungen der ESC als auch unsere Task Force ihre Empfehlungen flexibel gestaltet. Score-Systeme sollen lediglich als Teil eines integrierten Ansatzes zusammen mit der Beurteilung der klinischen Gesamtsituation und begleitender Erkrankungen für die Entscheidungsfindung herangezogen werden. Dieser Ansatz schließt explizit den Willen des Patienten und ggf. seiner Angehörigen mit ein. In einem TAVI-Zentrum sollten Therapieentscheidungen für alle Patienten mit hochgradiger, symptomatischer Aortenklappenstenose, unabhängig von der aufnehmenden Fachabteilung, stets gemeinsam im Herz-Team getroffen werden.

Zur Sicherung der Indikations-, Prozess- und Ergebnisqualität muss das TAVI-Zentrum personelle, technische, strukturelle und organisatorische Anforderungen erfüllen. Damit soll die umfassende und multidisziplinäre Versorgung innerhalb eines interdisziplinären Herz-Teams sichergestellt werden. Im Zentrum dieses Teams stehen Kardiologen und Herzchirurgen mit jeweils ausreichender Erfahrung in der Durchführung der TAVI-Prozedur (>25 supervidierte TAVI-Prozeduren und ≥25 TAVI-Prozeduren/Jahr/Operateur) bzw. in der Beherrschung möglicher Komplikationen.

Der ideale Ort für die Durchführung einer TAVI-Implantation ist ein Hybrid-Katheterlabor/Operationssaal, in dem im Falle einer Komplikation, die einen herzchirurgischen Eingriff erfordert, sofort die Operation erfolgen kann. Deshalb sollten alle Geräte, Instrumente und Verbrauchsmaterialien, die für einen herzchirurgischen Eingriff notwendig sind, in diesem Raum verfügbar sein. Ist vor Ort kein Hybridlabor vorhanden, können TAVI-Prozeduren unter bestimmten Voraussetzungen auch in einem Herzkatheterlabor durchgeführt werden. Wenn im Falle einer Komplikation eine Operation unmittelbar erfolgen muss, muss das Herzkatheterlabor für den herzchirurgischen Eingriff vollständig ausgestattet sein. Wenn der herzchirurgische Eingriff nicht im Herzkatheterlabor notfallmäßig durchgeführt werden muss, kann der Patient in einen OP-Saal in räumlicher Nähe verlegt werden.

Aufgrund des hohen Anforderungsprofils für das TAVI-Zentrum und die TAVI-Untersucher wird die DGK anhand der vorgestellten Kriterien für beide eine Zertifizierung durchführen.

Diese Empfehlungen zu den Qualitätsstandards von TAVI-Eingriffen sollen zukünftig, regelmäßig in Abhängigkeit von der wissenschaftlichen Datenlage aktualisiert werden.

1 Smith CR et al. Transcatheter versus surgical aortic-valve replacement in high-risk patients. N Engl J Med. 2011;364:2187-98.

2 Adams DH et al. Transcatheter aortic-valve replacement with a self-expanding prosthesis. N Engl J Med. 2014;370:1790-8.

3 Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Qualitätskriterien zur Durchführung der transvaskulären Aortenklappenimplantation; Kardiologe 2014 – 8 (6): (zur Publikation angenommen) DOI 10.1007/s12181-014-0622-8; K.-H. Kuck, H. Eggebrecht, H. R. Figulla, M. Haude, H. Katus, H. Möllmann, C. K. Naber, H. Schunkert, H. Thiele, C. Hamm