Der ST-Segment Deviation Score zur einfachen Risikostratifizierung bei Verdacht auf einen akuten Myokardinfarkt
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Dr. Raphael Twerenbold, Prof. Dr. Christian Müller, Basel
Eine einfache Risikostratifizierung bei Patienten mit Verdacht auf einen akuten Myokardinfarkt ist essentiell. Zahlreiche Scores (z.B. TIMI-Risk-Score, Grace-Score) verwenden hierfür überwiegend anamnestische, klinische oder laborchemische Variablen. Elektrokardiographische Parameter finden darin kaum Eingang. Wir untersuchten die prognostische Wertigkeit eines einfachen Risikomodells basierend auf elektrokardiographischen ST-Segment Veränderungen, dem sogenannten ST-Segment Deviation Score, in diesem wichtigen Patientenkollektiv. Elektrokardiographischen ST-Strecken-Veränderungen kommen neben den Herzenzymen und der Symptomatik in der Diagnostik des akuten Myokard-infarktes eine zentrale Rolle mit entscheidender Bedeutung hinsichtlich des weiteren Managements (STEMI vs. NSTEMI) zu. Bestens bekannt ist, dass Patienten mit ST-Hebungen eine schlechtere Kurz- und Langzeit-Prognose als Patienten mit ST-Senkungen aufweisen.
Der ST-Segment Deviation Score (STDS)
Der ST-Segment Deviations Score summiert die absoluten Abweichung der ST-Strecke von der isoelektrischen Linie in Millimetern (1mV=1mm), gemessen am J-Punkt in sämtlichen Ableitungen eines konventionellen 12-Kanal-Elektrokardiogramms (EKG). Der Score kann somit theoretisch Werte zwischen Null und unendlich annehmen. Je höher die ST-Strecken-Hebungen oder –Senkungen, umso höher der Score. Hebungen und Senkungen werden dabei durch Verwendung von Absolutwerten gleich gewichtet. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass der STDS gut mit der Kurzzeitmortalität bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom korreliert. Unklar ist, ob sich der STDS auch zur Risikostratifizierung bei unselektionierten Patienten mit Verdacht auf einen Myokardinfarkt eignet, bei denen die einfache und zuverlässige Erkennung von Hochrisikopatienten noch immer eine grosse klinische Herausforderung darstellt.
STDS-Evaluation innerhalb einer Thoraxschmerzstudie
Zur Klärung dieser Fragen analysierten wir die prognostische Wertigkeit des STDS im Rahmen einer prospektiven internationalen Multizenter-Studie mit insgesamt 1404 konsekutiven Patienten (APACE-Trial, ESC-Abstract Nummer: 82687). Eingeschlossen wurden Patienten mit klinischem Verdacht auf einen akuten Myokardinfarkt, deren Symptombeginn oder -maximum maximal 12 Stunden vor Studieneinschluss liegen durfte. Unmittelbar bei Eintritt erfolgte die Aufzeichnung eines konventionellen 12-Kanal-EKGs. Patienten mit elektrokardiographischen Zeichen einer linksventrikulären Hypertrophie oder mit Links-/Rechtsschenkelblöcken wurden von der Analyse ausgeschlossen. Die beiden primären Endpunkte umfassten die Mortaliät jeglicher Ursache innerhalb von 30 respektive 360 Tagen. Die Goldstandarddiagnose wurde durch zwei unabhängige Ärzte basierend auf allen vorliegenden Unterlagen (inkl. hoch-sensitivem Troponin T, Koronarangiographie, Belastungstests etc.) ein Monat nach Studieneinschluss gestellt.
Risikostratifizierung mittels STDS bei Verdacht auf akuten Myokardinfarkt
Insgesamt starben von allen 1404 eingeschlossenen Patienten 14 (1%) Patienten innerhalb von 30 Tagen und 65 (5%) Patienten innerhalb von 730 Tagen. Ein STDS der höchsten Tertile (≥4.7mm) war im Vergleich mit den beiden restlichen Tertilen mit einer signifikant höheren Mortalität innerhalb von 30 Tagen (Hazard Ratio 4.5, p=0.007) und innerhalb von 360 Tagen (Hazard Ratio 2.4, p<0.001) assoziiert.
Eine multivariate Cox-Regressionsanalyse ergab, dass sich der initial erhobene STDS selbst nach Korrektur für das ebenfalls bei Eintritt gemessene hoch-sensitive kardiale Troponin T (Hazard Ratio 5.0, p=0.008) oder nach Korrektur für den klinisch ebenfalls etablierten TIMI-Risk Score (Hazard Ratio 5.5, p<0.001) als unabhängiger Prädiktor der Kurzzeitmortalität eignet.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass sich der STDS als einfacher und klinisch leicht verfügbarer Score zur Risikostratifizierung bei Patienten mit Verdacht auf einen akuten Myokardinfarkt eignet, da dieser zuverlässig und unabhängig sowohl die Kurzzeit- wie auch Langzeitmortalität vorhersagen kann.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8700 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org