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Transapikale transkatheter-basierte Aortenklappenimplantation mit ballonexpandierbarer Prothese: ist eine vorangestellte Ballonvalvuloplastie notwendig?

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Dr. med. Lenard Conradi, Hamburg

Hintergrund und Fragestellung

Die Technik der transkatheter-basierten Aortenklappenimplantation (TAVI, transcatheter aortic valve implantation) hat sich innerhalb der vergangenen Jahre an spezialisieren Zentren zur Standardtherapie der schweren, kalzifizierten Aortenklappenstenose bei Hochrisikopatienten entwickelt. So wurden in Deutschland im Jahr 2012 bereits über 35% aller Patienten mit Aortenklappenstenose mittels TAVI behandelt (Jahresstatistik der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie 2012). TAVI ist den aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zufolge mit einer Klasse I, Evidenzgrad B Empfehlung bei inoperablen Patienten und mit einer Klasse IIa, Evidenzgrad B Empfehlung bei Hochrisikopatienten indiziert. Grundlegende Voraussetzung für die Durchführung von TAVI ist nach den Leitlinien das Vorhandensein einer institutionellen Kardiologie und Herzchirurgie sowie die gemeinsame Indikationsstellung und Durchführung der Prozedur im interdisziplinären „Heart Team“.

Trotz eindrucksvoller klinischer Erfolge seit Einführung der TAVI bestehen noch prozedurbedingte Probleme, deren Lösung nun Aufgabe aller Beteiligten ist. Hierzu zählen insbesondere auch periprozedurale embolische Ereignisse mit der möglichen klinischen Folge eines apoplektischen Insults. In kürzlich durchgeführten Studien konnte mittels Magnetresonanztomographie gezeigt werden, dass neue zerebrale Läsionen im Vergleich zum präoperativen Status bei der überwiegenden Mehrzahl aller Patienten nach TAVI zu detektieren sind, auch wenn diese nur selten ein klinisches Korrelat bieten (Rodés-Cabau J, JACC 2011).

Aus transkranialen Dopplerstudien ist zudem bekannt, dass embolische Ereignisse in Folge aller Einzelschritte der Prozedur von der Drahtpassage der nativen Aortenklappe bis zur endgültigen Klappenimplantation auftreten können (Kahlert P, Circulation 2012).

Hauptfragestellung der vorliegenden Studie war es, inwieweit eine mit embolischen Ereignissen einhergehende der Klappenimplantation vorangestellte Ballonvalvuloplastie (BAV) verzichtbar ist. Diesbezüglich sollte zum einen die prozedurale Non-Inferiorität sowie eine mögliche Reduktion der Rate an embolischen Ereignissen untersucht werden.

Ergebnisse:

Zwischen April 2008 und Dezember 2012 wurden am Universitären Herzzentrum Hamburg insgesamt 725 TAVI Prozeduren durchgeführt. Von diesen wurden 387 über einen transapikalen Zugangsweg durchgeführt, davon 142 mit Prothesen der zweiten Generation (JenaValve, Symetis Acurate, Medtronic Engager) und 254 mit der ballonexpandierbaren Edwards Sapien oder Sapien XT Prothese. Von den 254 Patienten, die eine Sapien oder Sapien XT Prothese erhielten (80,1 ± 7,1 Jahre, 47,6% männlich, logistischer EuroSCORE I 24,2 ± 14,6%, logistischer EuroSCORE II 8,0 ± 8,3%), wurde bei 206 Patienten vor Klappenimplantation eine BAV durchgeführt, bei 48 Patienten (18,9%) hingegen auf eine BAV verzichtet. Hinsichtlich der Patienteneigenschaften oder der Prävalenz relevanter Risikofaktoren unterschieden sich die beiden Gruppen nicht signifikant voneinander. Bezüglich der klinischen Ergebnisse konnte in der TAVI Gruppe ohne BAV eine Mortalität nach 30 Tagen von 7,9% sowie eine Schlaganfallrate von 2,9% beobachtet werden. Diese Werte waren niedriger verglichen mit der TAVI Gruppe mit BAV (30 Tages Mortalität 11.7%, Schlaganfallrate 3.6%), ohne jedoch ein statistisches Signifikanzniveau zu erreichen. Die Prozedurzeit war in der TAVI Gruppe ohne BAV mit 80,0 ± 44,1 Minuten deutlich kürzer (p=0,17), es wurde mit 130,0 ± 59,1 ml signifikant weniger Kontrastmittel verbraucht (p=0.03) im Vergleich mit der TAVI Gruppe mit BAV. Das funktionelle Implantationsergebnis gemessen etwa am mittleren transvalvulären Gradienten, dem durchschnittlichen Grad der paravalvulären Leckage oder dem Anteil der Patienten mit einer residuellen paravalvulären Leckage > Grad 2 war in beiden Gruppen ähnlich.

Schlussfolgerung:

In der hier vorgestellten Studie konnte erstmals an einem größeren Patientenkollektiv gezeigt werden, dass eine vorangestellte BAV vor antegrader transapikaler TAVI mit ballonexpandierbarer Prothese bei vielen Patienten entfallen kann. Auf diese Weise konnte die Prozedur deutlich vereinfacht werden, was seinen Ausdruck in verkürzten Prozedurzeiten und vermindertem Kontrastmittelverbrauch fand. Dies gelang, ohne das Implantationsergebnis gemessen an funktionellen Parametern wie dem resultierenden transvalvulären Gradienten oder dem Grad der paravalvulären Leckage zu kompromittieren. Klinisch konnten akzeptable Werte für die 30-Tages Mortalität sowie eine niedrige Schlaganfallrate dokumentiert werden. Ob eine so vereinfachte Prozedur echte Vorteile bezüglich klinischer Endpunkte erbringen kann muss in nachfolgenden Studien weiter untersucht werden, bevor allgemeine Empfehlungen ausgesprochen werden können. Möglicherweise sind in der Zukunft präoperativ detaillierte morphologische Analysen von Verkalkungsgrad und -muster der nativen Aortenklappe notwendig, um die Patientenselektion für TAVI mit oder ohne BAV weiter zu optimieren.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8200 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org