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Mitraclip als neue Behandlungsstrategie bei HOCM mit ausgeprägtem SAM und Ausflusstraktsobstruktion

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PD Dr. med. Ulrich Schäfer, Hamburg

Einleitung:

Die Behandlungsstrategien der hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM) werden auch heute noch kontrovers diskutiert. Der chirurgischen Myektomie (Morrow Prozedur) wird oft die katheterinterventionelle Septalast-Okklusion mittels Alkohol (TASH) gegenüber gestellt. Gerade aber bei jüngeren Patienten mit HOCM wird von vielen Zentren die chirurgische Myektomie zur Beseitigung der Obstruktion im linksventrikulären Ausflusstrakt favorisiert.(1);(2) Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bei der HOCM häufig Abnormalitäten an der Mitralklappe und des subvalvulären Klappenhalteapparates mit konsekutiver Mitralinsuffizienz beobachtet werden(3), die üblicherweise eine komplexere chirurgische Therapie erfordern. So wurden neben der ausgedehnten septalen Myektomie, eine Plikatur der Segel mit oder ohne Ringannuloplastie(4), der “edge-to-edge stitch”(5) oder aber der Transfer von nach posterior gerichteten sekundären Sehnenfäden an die mittlere Unterseite des vorderen Mitralsegels(6) vorgeschlagen. Gerade aber wegen der komplexeren Mitralklappen-Rekonstruktion (MKRx), bevorzugen viele Chirurgen den Mitralklappenersatz bei HOCM-Patienten (MKR, gelegentlich auch mittels mechanischem MKR), was für viele Patienten entsprechende Veränderungen ihrer Lebensgewohnheiten bedeutet.

Eine typische Beobachtung bei der HOCM ist ein Ansaugen („systolic anterior motion“ – SAM) des vorderen Mitralsegels in den linksventrikulären Ausflusstrakt (LVOT, siehe Abbildung). In wie weit ein SAM an der LVOT-Obstruktion pathophysiologisch beteiligt ist wird immer noch kontrovers diskutiert.

Methodik und Ergebnisse:

In einer kleineren Serie von Patienten mit HOCM, ausgeprägtem SAM und höhergradiger Mitralinsuffizienz wurde am Asklepios Klinikum St. Georg in Hamburg erstmals die Verwendung eines MitraClips zur Behandlung der Ausflusstrakt-Obstruktion gestestet. Insgesamt wurden drei Patienten (Alter: 73.6 ± 4,2 Jahre, logES: 15.4 ± 3.5, davon hatte ein Patient zuvor eine TASH-Therapie erhalten und ein anderer Patient war zuvor mittels MKRx und chirurgischer Myektomie behandelt worden) nach HEART-team Beschluss mittels MitraClip versorgt. Alle drei Patienten wurden erfolgreich mittels MitraClip behandelt (device time 48.7 ± 35.3 min) und die invasiven hämodynamischen Testungen (Rechtsherzkatheter und simultane transaortale Druckmessung) vor und nach MitaClip zeigten, dass die Clip-Implantation signifikant den Ausflusstrakt-Gradienten reduziert. So gelang es den mittleren Ruhegradienten von 47 ± 25.5 mmHg auf 15.6 ± 3 mmHg zu reduzieren und die dynamische Obstruktion nach Extrasystolen (pos. Brockenbrough-Braunwald-Morrow sign) von maximal 145.3 ±8 mmHg auf 23.3 ±10 mmHg zu senken (siehe Abbildung). Der mittlere Grad der Mitralinsuffizienz wurde ebenfalls von Grad 2.6 ± 0.3 auf 0.5 ± 0.5 vermindert und in der Echokardiographie zeigte sich eine eindrucksvolle Beseitigung des SAM nach Clip-Implantation. In Nachuntersuchungen nach 6 Wochen fand sich ein weitgehend stabiler Befund mit weiterhin reduzierten Ruhegradienten und alle Patienten befanden sich im NYHA-Stadium I bis II (vor Clip alle NYHA III-IV).

Diskussion:

Die Katheter-interventionelle Therapie (TASH) der HOCM wird wegen der geringeren Invasivität im Vergleich zur Chirurgie häufig favorisiert was auch in einer kürzlich publizierten Metaanalyse beschrieben wurde.(7) So fand sich nach TASH eine anhaltende Reduktion der Gradienten (Ruhegradient: 65.3mm Hg minus 15.8 mmHg; provozierter Gradient: 125.4mmHg minus 31.5 mmHg), bei gleichzeitiger Verringerung der Septumdicke (IVSd: 20.9 auf 13.9 mm), als auch eine Verbesserung der NYHA-Klasse (2.9 minus 1.2).
Nach MitraClip zeigte sich erfreulicherweise ein deutlich stärkerer Akuteffekt auf die invasiv gemessene Reduktion der Ausflusstraktsobstruktion. In wie weit diese Effekte über längere Zeit anhaltend sind, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilt werden. Tatsächlich wiesen jedoch alle Patienten eine Zunahme der funktionellen Belastungskapazität nach MitraClip auf.

Vor dem Hintergrund dass die TASH-Behandlung mit gewissen Risiken verbunden ist (30-Tagesmortalität 0.0-5.0%; Kammerflimmern 2.2%, Dissektion der LAD 1.8%, Perikardtamponade 0.6%; Notwendigkeit einer Schrittmacherimplantation 10.5%), scheint die MitraClip-Implantation eine sichere Alternative darzustellen. Gerade aber der komplette AV-Block (nach MitraClip nicht beobachtet), welcher in manchen TASH-Studien sogar bis zu 20% betragen kann(8) ist eine gefürchtete Komplikation nach TASH. Dies veranlasst viele Zentren gerade jüngere Patienten einer chirurgischen Myektomie zuzuführen, obwohl mittels TASH eine gleichwertige Reduktion der LVOT-Obstruktion erzielt werden kann.(9)

Neben der muskulären Komponente der LVOT-Obstruktion, scheint jedoch auch die Mitralklappe an die Pathophysiologie der Gradientenentstehung involviert zu sein.(10) So werden neben einer ausgeprägten Elongation der Mitralsegel auch gehäuft pathologische Verdickungen der Mitralsegel bei der HOCM beobachtet. Weiterhin finden sich gelegentlich Dislokationen der Papillarmuskeln mit schwerer SAM, die eine LVOT-Obstruktion verstärken können. Gerade aber die Koaptation der Mitralsegel wird entscheidend durch die Länge des anterioren und des posterionen Mitralsegels determiniert. Unterschiede in der Segellänge sind häufig mit einem SAM und einer Mitralinsuffizienz assoziiert, was konzeptionell gut einer Katheterintervention zugeführt werden kann. Tatsächlich konnten wir am AK ST. Georg bei allen drei behandelten Patienten zeigen, dass die LVOT-Obstruktion nach Implantation eines MitraClips signifikant verringert wurde, was eine Beteiligung der SAM an der LVOT-Obstruktion beweist.

Interessant ist ferner, dass ein SAM der Mitralklappensegel nicht nur bei HOCM beschrieben wurde. So finden sich LVOT-Obstruktionen wegen SAM bei Patienten mit hypertensiver Herzerkrankung, bei ausgeprägter Dehydratation/Anämie, bei Sepsis/Vasodilatation, exzessiver Stimulation des Sympathikus, sowie nach Aortenklappenersatz als auch nach Mitralklappenrekonstruktion. Gerade aber die akut auftretende SAM der Mitralklappensegel, kann eine lebensgefährliche Situation bedeuten, welche in bis zu 20% zum plötzlichen Herztod führen kann (“suicide ventricle”). Grundsätzlich gilt jedoch, dass die Mechanismen die zur SAM führen komplexer Natur sind und vom funktionellen Status des linken Ventrikels abhängen. Allerdings scheint ein akutes SAM mit einer Rate zwischen 2%(11) und 8%(12) nach Mitralklappenrekonstruktion ein häufig unterschätztes bzw. unbekanntes Problem darzustellen. Eine mögliche Ursache könnte die chirurgische Reduktion der Koaptations-Septum Distanz sein, wie sie häufiger nach Verwendung kleiner Annuloplastieringe beschrieben wird (“down-sizing”). In einigen Fällen mit postoperativem SAM ist dann sogar eine Zweitoperation notwendig.

Schlussfolgerung:

Die “edge-to-edge” Technik mittels MitraClip-Implantation könnte eine neue und einfache Behandlungsstrategie zur Beseitigung einer Ausflusstraktsobstruktion bei HOCM mit SAM darstellen. Gerade wegen der geringeren Invasivität, könnte neben der Mitralklappenchirurgie auch die TASH-Behandlung in der Zukunft ihre Bedeutung verlieren, bzw. weiterhin die Rolle einer Reserveoption einnehmen. Generell gilt jedoch, dass weitere Erfahrungen mittels MitraClip bei HOCM gesammelt werden müssen.

Literatur:

1. Dearani JA, Ommen SR, Gersh BJ, Schaff HV, Danielson GK: Surgery insight:
Septal myectomy for obstructive hypertrophic cardiomyopathy–the Mayo Clinic experience.
Nat Clin Pract Cardiovasc Med 2007;4:503–512

2. Smedira NG, Lytle BW, Lever HM, Rajeswaran J, Krishnaswamy G, Kaple RK, Dolney DO, Blackstone EH:
Current effectiveness and risks of isolated septal myectomy for hypertrophic obstructive cardiomyopathy.
Ann Thorac Surg 2008;85:127–133

3. Kaple RK, Murphy RT, DiPaola LM, Houghtaling PL, Lever HM, Lytle BW, Blackstone EH, Smedira NG:
Mitral valve abnormalities in hypertrophic cardiomyopathy: echocardiographic features and surgical outcomes.
Ann Thorac Surg 2008;85:1527–35, 1535.e1-2

4. Rankin JS, Binford RS, Johnston TS, Matthews JT, Alfery DD, McRae AT, Brunsting LAr:
A new mitral valve repair strategy for hypertrophic obstructive cardiomyopathy.
J Heart Valve Dis 2008;17:642–647

5. Mascagni R, Al Attar N, Lamarra M, Calvi S, Tripodi A, Mebazaa A, Lessana A:
Edge-to-edge technique to treat post-mitral valve repair systolic anterior motion and left ventricular outflow tract obstruction.
Ann Thorac Surg 2005;79:471–3; discussion 474

6. Sternik L, Zehr KJ:
Systolic anterior motion of the mitral valve after mitral valve repair: a method of prevention.
Tex Heart Inst J 2005;32:47–49

7. Alam M, Dokainish H, Lakkis N:
Alcohol septal ablation for hypertrophic obstructive cardiomyopathy: a systematic review of published studies.
J Interv Cardiol 2006;19:319–327

8. Lawrenz T, Lieder F, Bartelsmeier M, Leuner C, Borchert B, Meyer zu Vilsendorf D, Strunk-Mueller C, Reinhardt J, Feuchtl A, Stellbrink C, Kuhn H:
Predictors of complete heart block after transcoronary ablation of septal hypertrophy: results of a prospective electrophysiological investigation in 172 patients with hypertrophic obstructive cardiomyopathy.
J Am Coll Cardiol 2007;49:2356–2363

9. Alam M, Dokainish H, Lakkis NM:
Hypertrophic obstructive cardiomyopathy-alcohol septal ablation vs. myectomy: a meta-analysis.
Eur Heart J 2009;30:1080–1087

10. Hagege AA, Bruneval P, Levine RA, Desnos M, Neamatalla H, Judge DP:
The mitral valve in hypertrophic cardiomyopathy: old versus new concepts.
J Cardiovasc Transl Res 2011;4:757–766

11. Lee KS, Stewart WJ, Lever HM, Underwood PL, Cosgrove DM:
Mechanism of outflow tract obstruction causing failed mitral valve repair. Anterior displacement of leaflet coaptation.
Circulation 1993;88:II24–9

12. Miura T, Eishi K, Yamachika S, Hashizume K, Hazama S, Ariyoshi T, Taniguchi S, Izumi K, Hashimoto W, Odate T:
Systolic anterior motion after mitral valve repair: predicting factors and management.
Gen Thorac Cardiovasc Surg 2011;59:737–742

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