Grafenberger Allee 100
40237 Düsseldorf
Tel.: + 49 211 600692-0
Fax: + 49 211 600692-10
info@dgk.org

Häufigkeit von iatrogenen Herzbeuteltamponaden mit Notwendigkeit einer Perikardiozentese bei 12.700 invasiven kardiologischen Untersuchungen und Prozeduren (Koronarinterventionen, Ablationen, SM-/ICD- und CRT-Implantationen)

Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial

Dr. med. Thomas Butz, Herne

Die modernen invasiven und interventionellen Verfahren eröffnen vielfältige neuartige Therapiemöglichkeiten für die klinische Kardiologie [1]. Allerdings zeichnen sich diese Verfahren auch durch eine zunehmende Invasivität und Komplexität aus, so dass bedeutsame Komplikationen auftreten können. Eine seltene aber lebensbedrohliche Komplikation solcher Eingriffe stellt die Herzbeuteltamponade mit konsekutivem kardiogenen Schock dar, die mittels sofortiger Perikardiozentese behandelt werden muss [2-8]. Die DGK-Leitlinie „Perkutane Koronarintervention (PCI)“ aus dem Jahr 2008 weist darauf hin, dass auch nach unkomplizierter PCI bei einem Blutdruckabfall oder Schock in der Nachbeobachtungsphase sofort an eine protrahierte Herzbeuteltamponade gedacht werden sollte und eine umgehende Echokardiographie erfolgen muß [2].

In der Literatur gibt es nur wenige aktuelle Daten zur Inzidenz der Perikardtamponade im klinischen Alltag, die das in den letzten 10 Jahren erheblich veränderte Spektrum der interventionellen und invasiven Prozeduren berücksichtigen [3-7].

Daher führten wir eine retrospektive Single-Center Analyse der im Zeitraum von 4 Jahren (2008-2011) notfallmäßig durchgeführten Perikardiozentesen in unserem universitären Herzzentrum durch. Hierbei wurden die im Rahmen der in diesem Zeitraum durch Herzkatheter-Untersuchungen und interventionelle bzw. invasive Prozeduren (z.B. PCI, CTO, Myokardbiopsien, elektrophysiologische Ablationen inkl. Pulmonalvenenablationen, PVI) und Herzschrittmacher-/ICD- und CRT-Implantationen iatrogen entstandenen Perikardtamponaden erfasst. Ziel der Studie war die Analyse der Häufigkeit, der Ursachen und Erfolgsrate bei der Behandlung dieser Komplikation.

Im untersuchten Zeitraum wurden insgesamt 11.076 Herzkatheter-Untersuchungen (inkl. 3450 PCI´s) und elektrophysiologische Untersuchungen/Ablationen, sowie 1686 Herzschrittmacher-/ICD- und CRT-Implantationen durchgeführt.
Insgesamt traten 16 iatrogen verursachte, punktionspflichtige Perikardtamponaden auf (0,001%/Eingriffe). 7 Tamponaden traten nach einer PCI auf (0,0006 %/aller Eingriffe; 0,002 %/aller PCI´s). Weiterhin traten jeweils 1 Tamponade nach LV-Sondierung bei Aortenstenose mit Ventrikelperforation (0,00009%/aller Eingriffe), nach linksventrikulärer Myokardbiopsie (0,00009%/aller Eingriffe) und eine im Rahmen einer PVI (0,3%/PVI´s) auf. Im Rahmen von SM-/ICD-und CRT-Implantation (inkl. Sondenrevisionen und –explantationen) traten insgesamt 7 Tamponaden auf (0,004% der SM-/ICD- und CRT-Implantationen).

Die Behandlung erfolgte jeweils mittels umgehender Perikardpunktion im Herzkatheterlabor unter fluoroskopischer und echokardiographischer Kontrolle. Die primäre Erfolgsrate im Hinblick auf eine Drainage des Ergusses und eine hämodynamische Stabilisierung lag bei 100%. Die primäre Drainagemenge bei den iatrogenen Tamponaden lag im Mittel bei 723 ± 487 ml. In Abhängigkeit der jeweiligen Ursache erfolgte sodann eine spezifische Therapie, wobei bei 3 Patienten bei ausgeprägter Koronarperforation nach PCI oder Stentimplantation ein Graft-Stent implantiert werden musste. Insgesamt 6 Patienten mussten einer notfallmäßigen Operation (z.T. unter überbrückender Autotransfusion) zugeführt werden (z.B. Sondenentfernung und Übernähung einer Perforationsstelle).

Koronarperforationen im Rahmen von Koronarinterventionen bzw. PCI´s (Abbildung 1) können in 3 Gruppen unterteilt werden, wobei sich der Typ I durch einen geringen, Kontrastmittelübertritt aus dem Koronargefäß („extraluminal crater“) ohne Vorliegen eines sichtbaren Kontrastmittel-Jets auszeichnet (z.B. bei einer Dissektion) [4-6]. Beim Typ II findet sich ein myokardialer oder intraperikardialer Kontrastmittelübertritt mit einem sichtbaren Kontrastmittel-Jet < 1mm. Bei einer Typ III Perforation zeigt sich ein deutlicher Kontrastmittelübertritt („Kontrastmittel-Wolke“) ins Epikard bzw. der Perikardraum mit einem sichtbaren Kontrastmittel-Jet > 1mm [4-6].

Bei einer Typ I Perforation wird ein abwartendes Vorgehen mit wiederholten Injektionen in das Koronargefäß und echokardiographischem und hämodynamischen Monitoring über 30 Minuten empfohlen. Bei einer Typ II und Typ III Perforation sollten je nach Situation zusätzliche therapeutische Maßnahmen durchgeführt werden, zum Beispiel der Einsatz eines (Perfusions-) Ballons, eine Protamingabe, oder eines Graft-Stentes (Abbildung 2) [6, 7]. Die DGK-Leitlinie „Perkutane Koronarintervention (PCI)“ empfiehlt zur Vorbeugung dieser schwerwiegenden Komplikation unter anderem die stetige Kontrolle der korrekten Drahtlage vor Dilatation mit Kontrastmittel-Darstellung sowie die Wahl eines Ballons, der den Gefäßdurchmesser nicht wesentlich überschreitet und eine möglichst vollständige Luftentleerung des Ballons vor Anwendung [2].

Schlussfolgerungen: Die in unserem Zentrum beobachtete Häufigkeit der punktionspflichtigen Herzbeuteltamponaden lag trotz zunehmender Invasivität und Komplexität der Eingriffe (z.B. Rekanalisation chronischer Verschlüsse, komplexe Koronarinterventionen und Devicetherapien inkl. CRT und CCM, Sondenexplantationen) unter den in der Literatur angegeben Häufigkeiten (bis zu 0,02 bis 0,3 %/PCI’s).

Das erfolgreiche Management der schwerwiegenden, aber glücklicherweise seltenen Komplikation einer Herzbeuteltamponade erfordert ein standarisiertes klinikinternes Notfallmanagement sowie die sichere Beherrschung der Perikardpunktion als Vorrausetzung für die Durchführung von komplexen Koronarinterventionen und invasiven kardiologischen Prozeduren.

Literatur:

[1]. Witzke CF, Martin-Herrero F, Clarke SC, Pomerantzev E, Palacios IF.
The changing pattern of coronary perforation during percutaneous coronary intervention in the new device era.
J Invasive Cardiol 2004; 16(6):257-301

[2]. Bonzel T, Erbel R, Hamm CW, Levenson B, Neumann FJ, Rupprecht HJ, Zahn R
DGK-Leitlinie: Perkutane Koronarintervention (PCI).
Clin Res Cardiol 2008; 97:513–547

[3]. Seggewiss H, Schmidt HK, Mellwig KP, Everlien M, Strick S, Fassbender D, Vogt J.
Die akute Perikardtamponade nach perkutaner transluminaler Koronarangioplastie (PTCA). Eine seltene lebensbedrohliche Komplikation.
Z Kardiol 1993; 82: 721-6

[4]. Ellis SG, Ajluni S, Arnold AZ, Popma JJ, Bittl JA et al.;
Increased coronary perforation in the new device era. Incidence, classification, management, and outcome.
Circulation 1994; 90: 2725-30

[5]. Fukutomi T, Suzuki T, Popma JJ, Hosokawa H, Yokoya K et al.
Early and late clinical outcomes following coronary perforation in patients undergoing percutaneous coronary intervention.
Circ J 2002; 66: 349-56

[6]. Schöbel WA, Benzer W, Voelker W.
Das Komplikationsmanagement bei koronarer Perforation während perkutanen koronaren Interventionen: Übersicht und Algorithmus für die Diagnostik und Therapie
Journal of Cardiology 2005; 12: 4-8

[7]. Rogers JH, Lasala JM.
Coronary Artery Dissection and Perforation Complicating Percutaneous Coronary Intervention J Invasive Cardiol 2004; 16:493-9

[8]. Butz T, Lamp B, Figura T, Faber L, Esdorn H, Wiemer M, Kleikamp G, Horstkotte D.
Pericardial effusion with beginning cardiac tamponade caused by a spontaneous coronary artery rupture.
Circulation 2007; 116(16): e383-4.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8200 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org